Friedrich will Stadtmarketing stärken

Der Gänsemarkt am Sonntag markiert für die Backnanger Händler den Neustart nach der Coronakrise. Die Stadt will sie dabei nach Kräften unterstützen und plant auch organisatorische Veränderungen: Das Stadtmarketing soll künftig wieder eine Stabsstelle beim OB sein.

Petra Kocher (links) löst in der Boutique von Sigrid Göttlich ihr „Backnang-Kärtle“ ein. Das neue digitale Gutscheinsystem ist eines der Projekte, die der Stadtmarketingverein im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Petra Kocher (links) löst in der Boutique von Sigrid Göttlich ihr „Backnang-Kärtle“ ein. Das neue digitale Gutscheinsystem ist eines der Projekte, die der Stadtmarketingverein im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Keine Bühne, keine lebenden Gänse und ein abgespecktes Programm – der Gänsemarkt am Sonntag wird eine Nummer kleiner ausfallen, als ihn die Backnanger kennen. Trotzdem ist der erste verkaufsoffene Sonntag seit zwei Jahren so etwas wie ein Aufbruchsignal für die Händler, die nach drei Lockdowns endlich wieder zur Normalität zurückkehren wollen. „Der Wunsch unserer Mitglieder war groß, dass in Backnang wieder etwas passiert“, sagt Martin Windmüller vom Vorstand des Stadtmarketingvereins. Die Kosten für das Event übernimmt diesmal in voller Höhe die Stadt, die sonst übliche Umlage der Händler entfällt. Das ist Teil der „Offensive Innenstadt“, die der Gemeinderat im Frühjahr beschlossen hatte, um den gebeutelten Händlern wieder auf die Beine zu helfen.

Das Ziel, die Innenstadt zu stärken, hatte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich bereits im Wahlkampf auf seine Plakate drucken lassen. Langsam zeichnet sich auch ab, wie er das machen will. So plant der neue OB, eine Entscheidung seines Vorgängers Frank Nopper wieder rückgängig zu machen. Der hatte noch kurz vor seinem Wechsel nach Stuttgart das zweiköpfige Team des Stadtmarketings ins städtische Kulturamt verbannt. Begründet wurde dies mit Synergieeffekten, weil dann vom Straßenfest bis zum Gänsemarkt alle städtischen Großveranstaltungen unter dem Dach des Kulturamts organisiert worden wären. Unter den Händlern sorgte diese Entscheidung allerdings für wenig Begeisterung: „Wir sind ja kein Festlesverein, der nur Events organisiert“, sagt Martin Windmüller. Stadtmarketing ist in seinen Augen klassische Wirtschaftsförderung und sollte deshalb möglichst nahe beim Oberbürgermeister angesiedelt sein.

Händler wollen „digitales Schaufenster“

Das sieht Maximilian Friedrich offenbar genauso: „Es ist geplant, die Stabsstelle Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing-Team wieder zu einer gemeinsamen Stabsstelle des Oberbürgermeisters zusammenzuführen“, teilt der OB auf Anfrage mit. Dafür wird ein neuer Leiter gesucht, der dann auch Vorgesetzter des Wirtschaftsbeauftragten Reiner Gauger werden soll. Vervollständigt wird das Team durch einen Eventmanager, der sich um die Organisation der Veranstaltungen kümmert. Beide Stellen werden neu ausgeschrieben, denn nach Simon Köder wird auch Nadine Thoman die Geschäftsstelle des Stadtmarketings verlassen. Sie wechselt ins Stadtplanungsamt und wird sich dort um das Projekt „Schwäbisches Mostviertel“ kümmern.

„Wir sehen es sehr positiv, dass das Stadtmarketing zurück ins Rathaus kommt, denn da war es richtig angesiedelt“, sagt Sigrid Göttlich, Vorsitzende des Stadtmarketingvereins. Als Stabsstelle hat der Handel nicht nur einen kurzen Draht zum OB, die neue Leitungsstelle wird auch besser bezahlt sein. Damit steigen die Chancen auf eine langfristige Besetzung, was aus Sicht der Händler wichtig wäre. Denn Stadtmarketing sei vor allem auch Netzwerkarbeit, sagen Sigrid Göttlich und Martin Windmüller. Sie wünschen sich für Backnang einen echten „Citymanager“, der strategisch denkt und sich aktiv um den Branchenmix und die Leerstände kümmert.

„Wir sollten uns überlegen, wie wir die Angebotsvielfalt in der Innenstadt noch erhöhen können“, sagt Windmüller. Mit kreativen Ideen könne man einiges erreichen, glaubt der Inhaber eines Bettenhauses. So gebe es zum Beispiel Städte, die gezielt nach Existenzgründern suchten und diese in der Startphase sogar mit Mietzuschüssen unterstützten. Auch das Thema Digitalisierung wird für die Händler immer wichtiger. Andere Städte im Rems-Murr-Kreis sind hier schon sehr aktiv: So haben Waiblingen, Fellbach, Winnenden und Weinstadt kürzlich ein gemeinsames Projekt gestartet, um kleinere Läden auf dem Weg in die digitale Welt zu unterstützen. Auch die Backnanger Händler bräuchten ein „digitales Schaufenster“, sagt Windmüller, auch wenn er bezweifelt, dass lokale Geschäfte online große Umsätze generieren können.

„Eine florierende und attraktive Innenstadt ist kein Selbstläufer“, weiß OB Friedrich. Deshalb sei es ihm wichtig, dass die neue Stabsstelle aktiv auf die Akteure in der Innenstadt zugehe und diese unterstütze. Um die Mitarbeiter an anderer Stelle zu entlasten, soll das Team, das für die Organisation des Straßenfests zuständig ist, künftig auch bei Großveranstaltungen wie Tulpenfrühling oder Gänsemarkt unterstützen.

Kommentar
Es fehlt an Personal

Von Kornelius Fritz

„Künftig kann ich wieder stärker im Kernbereich der Wirtschaftsförderung tätig sein“, hat Ralf Binder gesagt, als er vor zwei Jahren von Backnang ins Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald wechselte. Auch wenn er es so deutlich nicht formuliert hat: Der promovierte Geograf fühlte sich in Backnang zum Festonkel degradiert, der eine Veranstaltung nach der anderen auf die Beine stellen musste – von der Gesundheitsmesse bis zum Kinderfest. Für die eigentliche Aufgabe eines Wirtschaftsförderers, nämlich die örtlichen Unternehmen zu betreuen und neue in die Stadt zu locken, blieb ihm daneben kaum noch Zeit. Simon Köder, der sich bis vor Kurzem um das Stadtmarketing kümmerte, berichtete bei seinem Abschied Ähnliches.

Dabei ist ein aktives Citymanagement gerade in diesen Zeiten unerlässlich, um ein Ausbluten der Innenstadt zu verhindern. Dass das Stadtmarketing nun wieder eine Stabsstelle beim OB wird, ist ein richtiges Signal, aber es wird nicht genügen. Mittelfristig muss die Stadt diesen Bereich auch personell besser ausstatten. Dass sich in Backnang mehr Mitarbeiter um das Straßenfest kümmern als um die Entwicklung der Innenstadt, sagt eigentlich schon alles.

k.fritz@bkz.de

Platz zwei bei Pro-Kopf-Umsatz und Zentralität

Umsätze Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat vor Kurzem neue Zahlen zum Einzelhandel in der Region Stuttgart veröffentlicht. Für Backnang berechnen die Experten in diesem Jahr einen Einzelhandelsumsatz von insgesamt 360 Millionen Euro, das sind 23 Millionen weniger als 2019. Unter den Städten in der Region Stuttgart belegt Backnang damit Rang sieben, noch vor Fellbach und Waiblingen. Gemessen an der Einwohnerzahl liegt Backnang sogar auf Platz zwei mit einem Pro-Kopf-Umsatz von 9550 Euro, nur Sindelfingen liegt mit 10120 Euro noch davor.

Zentralität Auch bei der sogenannten Zentralitätskennziffer steht Backnang auf Platz zwei hinter Sindelfingen. Der Wert setzt die Umsätze im Einzelhandel ins Verhältnis zur einzelhandelsrelevanten Kaufkraft am Ort. In Backnang liegt dieser Wert bei 166,8 – das heißt, die Umsätze im Einzelhandel liegen deutlich über der Summe, die die Backnanger selbst im Handel ausgeben. Die Stadt zieht also Kaufkraft aus umliegenden Ortschaften an.

Gründe „Dies bedeutet, dass Backnang nach wie vor eine starke Anziehungskraft auf das Umland besitzt“, erklärt Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. Ein Grund dafür ist neben dem ländlich geprägten Umland allerdings auch, dass es in Backnang viele große Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese gibt. Die Umsätze werden also größtenteils außerhalb der Innenstadt getätigt.

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Erstellt:
29. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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