Friseurbesuch: Haare helfen, die Meere zu säubern

Die Organisation Hair Help the Oceans sammelt Haarreste ein, um damit Filter herzustellen. Diese entfernen ölhaltige Substanzen aus Gewässern. Drei Salons im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung machen mit.

Im Creativfriseur-Salon von Stefanie Gresser in Allmersbach im Tal kommt eine große Menge an Haarresten zusammen. Foto: privat

Im Creativfriseur-Salon von Stefanie Gresser in Allmersbach im Tal kommt eine große Menge an Haarresten zusammen. Foto: privat

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Wer lange Haare abschneiden lässt, kann diese spenden, um Perücken daraus machen zu lassen. Bei kurzen Haaren oder kleinen Veränderungen beim Schnitt landen die Überbleibsel hingegen auf dem Boden des Friseursalons, werden zusammengefegt und im Müll entsorgt. Im Salon Creativfriseur von Stefanie Gresser in Allmersbach im Tal, bei OD Hair&Make-Up von Olga Dreher in Auenwald und im Haarstudio von Rosemarie Mayer in Aspach ist das seit Kurzem anders. Die abgeschnittenen Haare ihrer Friseurkunden helfen nun mit, Meere, Flüsse und Seen zu säubern. Sie alle sind nämlich Partnersalons der Organisation Hair Help the Oceans (auf Deutsch: Haare helfen dem Meer).

Haare besitzen die besondere Eigenschaft, Fett aufzusaugen – und diese Eigenschaft verlieren sie auch nach dem Abschneiden nicht. Der französische Friseur Thierry Grass kam daher vor einigen Jahren auf die Idee, Haare als natürliches Reinigungsmittel gegen die Verschmutzungen der Meere mit Öl, Benzin und Sonnencreme einzusetzen – mit Erfolg. Dazu werden die Haare in alte Nylonstrümpfe gefüllt, diese zu riesigen Rollen gebunden und dann als Filter in verschmutzten Gewässern eingesetzt. Das nahm sich Hair Help the Oceans zum Vorbild. Sie sammeln nun die Haarabfälle ihrer Partnersalons und lassen diese zu entsprechenden Filtern weiterverarbeiten.

Die Haarreste dienen als wertvoller Rohstoff für eine gute Sache

„Eine tolle Sache“, schwärmt Stefanie Gresser. Sie hatte Ende des vergangenen Jahres über das ZDF-Morgenmagazin zufällig von der Organisation erfahren und beschlossen, mitzumachen. Ein halbes Jahr ist sie nun schon dabei. „Die Haarreste sind kein Müll mehr, sondern dienen als wertvoller Rohstoff für eine gute Sache“, hebt sie hervor. „Es geht eigentlich ganz einfach“, sagt Olga Dreher. Als Partnersalon unterschreibt man einen Vertrag und zahlt einen Monatsbeitrag von 21 Euro. Darin ist die Abholung beziehungsweise der Versand der Haare inklusive, die Salons bekommen eine Urkunde sowie Flyer und Aufkleber für das Schaufenster.

In 120-Liter-Papiersäcken werden in Olga Drehers Salon dann die Haare gesammelt. „In drei bis vier Monaten ist der bei mir voll“, so Dreher. In größeren Haarstudios gehe das sogar noch schneller. Bei Stefanie Gresser beispielsweise: „Wir sind ein großer Salon mit zehn Mitarbeitern“, erklärt sie. Im Monat kämen da etwa 20 Säcke à 60 Liter zusammen. Bisher seien die Haarschnipsel in der schwarzen Tonne gelandet, „da hatten wir immer das Problem, dass die Tonne nicht gereicht hat“, berichtet Stefanie Gresser. Die Zusammenarbeit mit Hair Help the Oceans ist daher eine Win-win-Situation. Ihre Kunden seien davon zudem begeistert.

Friseurmeisterin Olga Dreher setzt sich für das Recycling verschiedener Materialien ein. Foto: Stefan Zimmer

© STEFAN ZIMMER

Friseurmeisterin Olga Dreher setzt sich für das Recycling verschiedener Materialien ein. Foto: Stefan Zimmer

Rosemarie Mayer ist seit Februar Partnersalon, jüngst hat sie ihren ersten Papiersack losgeschickt. „Wir haben ja anderthalb Stellen, da braucht es eine Weile, bis genug zusammenkommt.“ Sie hatte in einer Friseurgruppe auf Facebook von dem Projekt erfahren. „Ich fand es interessant, habe mich eingelesen und dann angeschlossen“, berichtet sie. Die Resonanz sei sehr positiv gewesen. „Meine Stammkunden finden es ganz toll, dass ihre Haare jetzt das Meer retten“, sagt sie. Ein Beitrag in der Pro-7-Fernsehsendung Galileo habe sein Übriges getan, um die Haarfilter bekannt zu machen. Olga Dreher berichtet auch von Kunden, die zusätzlich noch Geld spenden wollten.

In Friseurkreisen sei die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung der Haarreste inzwischen durchaus bekannt, bestätigen alle Befragten. Auch Sylvia Siess, die Mitinhaberin des Weissacher Salons Kasies und Obermeisterin der Friseur- und Kosmetik-Innung Rems-Murr, kennt die Aktion. „Ich finde das eine gute Sache“, sagt sie. Sie selbst habe sich aber noch nicht genauer damit auseinandergesetzt, dazu habe bislang einfach die Zeit gefehlt. Grundsätzlich halte sie es aber für denkbar mitzumachen. In Friseurkreisen werde auch immer wieder thematisiert, wie die Betriebe sich in Sachen Nachhaltigkeit und Recycling verbessern können. „Damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

Stefanie Gresser setzt bereits auf 100-prozentigen Ökostrom

Dass sie dies tun, zeigen die drei Salonchefinnen nicht nur durch ihre Partnerschaft mit Hair Help the Oceans. „Möglichkeiten gibt es genügend, wenn man sich umsieht“, sagt etwa Rosemarie Mayer. Als Beispiel nennt sie die Umhänge, die in ihrem Salon zum Einsatz kommen. Diese seien aus Biomais und so kompostierbar. Stefanie Gresser setzt bereits auf 100-prozentigen Ökostrom. Sie heizt und kühlt den Friseursalon größtenteils stromsparend mittels Wärmepumpentechnik per Klimamodul. Selbst Warmwasser werde bei ihr mit Ökostrom hergestellt, sodass nahezu keine fossilen Brennstoffe mehr im Einsatz sind. Außerdem hat Gresser in ihrem Salon Nachfüllstationen für Shampoos installiert und eine neue Produktserie in ihr Sortiment aufgenommen, deren Verpackungen recycelbar sind. Olga Dreher sammelt nicht nur die Haarschnipsel, sondern auch die Alufolien, die beim Färben zum Einsatz kommen.

Hier arbeite sie mit einem Start-up-Unternehmen zusammen, berichtet die Friseurmeisterin. „Die Folien werden dort gewaschen und aufbereitet und können dann wiederverwendet werden“, erklärt sie. Auch diese Art von Recycling werde in der Branche immer bekannter. Stefanie Gresser hat auch schon davon gehört und sich überlegt mitzumachen. „Es ist eine tolle Sache, für uns aber aktuell nicht attraktiv“, sagt sie. Denn sie und ihr Team nutzen eine bestimmte Falttechnik der Folien, die sie dann so nicht weiterbetreiben könnten. „Wir müssten unseren Arbeitsablauf ändern“, erklärt Gresser.

In den vergangenen Jahren habe sich in Sachen Nachhaltigkeit einiges getan. Olga Dreher, die Mitglied der Friseur- und Kosmetik-Innung ist, erklärt: „Seit Corona sind auch in unserer Branche die Betriebe auf den Trichter gekommen, dass man in vielen Dingen zusammenarbeiten kann.“

Das Potenzial ist groß

Reinigungskraft Nach Angaben der Organisation Hair Help the Oceans können deren Filter aus menschlichem Haar bis zu achtmal wiederverwendet werden. Umgerechnet bedeutet das, dass ein Kilogramm Haar bis zu acht Kilogramm ölhaltige Substanzen aus dem Wasser entfernen kann. Das Potenzial sei groß: „Bisher werden jährlich Tonnen an Haarresten von etwa 83000 Friseursalons in Deutschland im Restmüll entsorgt“, heißt es.

Einsatz Im Sommer 2019 beispielsweise kamen die Haarfilter vor Mauritius zum Einsatz, nachdem ein Frachter auf Grund gelaufen war und Öl verloren hatte.

Transport Auch der Transport der Haare von den Salons bis zur Verarbeitung soll der Umwelt nicht schaden und ist nach Angaben von Hair Help the Oceans daher klimaneutral zertifiziert.

Zum Artikel

Erstellt:
24. August 2022, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Das denken die Bürger über Backnang
Top

Stadt & Kreis

Das denken die Bürger über Backnang

Kommunalwahl 2024 Zum zweiten Mal hat unsere Zeitung eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Fast 1100 Menschen haben mitgemacht. Die Ergebnisse zeigen: Die Verkehrssituation und die Entwicklung der Innenstadt machen den Befragten die größten Sorgen.

In Rudersberg hat ein Wolf zugeschlagen. Symbolfoto: Stock.adobe.com
Top

Stadt & Kreis

Tote Schafe in Rudersberg: Ein Wolf war’s

Ein Institut bestätigt nach einer genetischen Untersuchung einen Wolf als Verursacher der zwei toten Schafe in Rudersberg. Das bedeutet, der Wolf ist nun auch im Rems-Murr-Kreis vertreten – wenn das Tier nicht schon längst weitergezogen ist.