Frivoler Humor mit Hübschlerin Fanny

Die Märchenerzählerin Stefanie Keller schlüpft am Abend des Internationalen Frauentags in die Gestalt der Hübschlerin Fanny. Bei einem Stadtspaziergang wartet die kokette Dame mit humorvollen und mitunter frivolen Geschichten auf und lüftet so manches amouröse Geheimnis.

Märchenerzählerin Stefanie Keller nimmt Interessierte mit auf einen amourösen Stadtspaziergang. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Märchenerzählerin Stefanie Keller nimmt Interessierte mit auf einen amourösen Stadtspaziergang. Foto: Alexander Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. Das rote Kleid wird von einem Gürtel zusammengehalten. Ein Münzbeutel hängt daran. Die Lippen sind rot geschminkt. In der Aufmachung der Fanny folgt man Stefanie Keller gerne auf einem amourösen Spaziergang durch Backnang. Das Erzählen wurde der 48-jährigen Frau quasi in die Wiege gelegt. Immer wenn ihr früh verstorbener Vater die kleine Steffi zu Bett brachte, gab er ihr eine Geschichte zu hören – gestrickt um drei Wörter, die sie ihm nennen durfte, und natürlich spontan ausgedacht. Gebannt lauschte das Kind der freien Erzählung. Im Anschluss war das Mädchen dann an der Reihe, ebenso eine Geschichte herbeizuerfinden. Fantasie und Kreativität waren damit angestoßen.

Von da bis zur Märchenerzählerin, die ihre Passion zur Profession erkor, war es aber noch ein weiter Weg. Zunächst absolvierte die in Metterzimmern aufgewachsene Stefanie Keller die Schule, erlernte den Beruf der Kauffrau im Verlagswesen, folgte einem Jobangebot nach Berlin, wo sie eine coole Zeit erlebte, und kehrte schließlich als Produktmanagerin in die Heimat zurück. Immerhin: „Schon als Kind war ich eine Rampensau“, sagt sie lachend – wann immer Aufführungen anstanden, war sie als Schülerin an vorderster Front dabei.

In ihrer Freizeit begleitete Stefanie Keller ihren früheren Freund oft auf Mittelaltermärkte. „Immer blieb ich bei den Märchenerzählern hängen“, blickt sie zurück – von ihnen ging eine Faszination aus, die sie nie losließ und die anlässlich eines Coachings unverhofft neue Nahrung erhielt. Als ihr schließlich ein guter Bekannter – „der Fährmann in meinem Paradies am Schmalen Luzin“, einem See in Mecklenburg-Vorpommern – den Anstoß dazu gab, fasste sie sich ein Herz und besuchte bei einem profilierten Märchenerzähler in Berlin eine Ausbildung. Mit dieser Schulung im Gepäck verfügte sie über das Rüstzeug, um ihrem Talent freien Lauf zu lassen.

Vorerst aber wollte sie sich noch im erlernten Beruf bewähren, zumal die Stelle in Ludwigsburg nach einer großen Chance aussah, ein Aufstieg, gut bezahlt. Doch ein neuer Chef kam, mit dem sich Stefanie Keller nicht verstand, und es dauerte nicht lang, bis sie zum Kündigungsgespräch gebeten wurde. Und nun? Stefanie Keller vertraute darauf, „dass es das Leben trotz all der Täler, die man manchmal auch durchschreiten muss, gut mit mir meint“. In der Arbeitslosigkeit reifte ihr Entschluss. Sie tat den mutigen Schritt und machte sich als Märchenerzählerin selbstständig: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Engagements bei Weinproben und Firmenevents

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Über die Kommunen in der Umgebung bot sie Märchenwanderungen für jüngere und ältere Teilnehmer an. Bald erzählte sie auch Geschichten auf Familienfesten. Engagements bei Weinproben und Firmenevents kamen hinzu, in Kindergärten und Seniorenheimen, in Schulen und Büchereien. Sie begann, spezifische Programme für verschiedene Anlässe und unterschiedliche Zielgruppen zu entwickeln, und es entstanden Formate wie „Von Mühlen, Tod und Teufel“ mit schauderhaften Geschichten oder „What about a cup of tea?“ mit Einblicken in die britische Teekultur. Ein erstes Bühnenprogramm, „Fräulein Keller klärt auf“, sieht die Märchenerzählerin als strenge Lehrerin, die tagsüber Wissen über „Blümchensex und andere Fortpflanzungsarten“ vermittelt, abends aber noch eine andere Seite offenbart und in eigenen Fantasien schwelgt. Dann wieder begibt sie sich auf Wintermärchenwanderungen und Raunachttouren, entfacht ein afrikanisches Märchenfeuer, erzählt von den Sternen oder lässt den Zauber des Orients aufleuchten. Aktuell arbeitet die leidenschaftliche Erzählerin an einem Programm über Pfarrer Flattich, einen evangelischen Geistlichen, der unter anderem in Asperg, Metterzimmern und Münchingen wirkte und als schwäbischer Salomo gilt.

An Stoff für ihre Programme fehlt es Stefanie Keller nicht. Rund 300 Bände umfasst ihr Bestand an Märchenbüchern, zu dem immer wieder neue hinzukommen. „Die Abwechslung macht mir am meisten Spaß“, erzählt sie über die vielfältigen Inhalte, mit denen sie in Aktion tritt – jeweils auch dem Thema entsprechend kostümiert. „Das passende Gewand zieht die Zuhörer in die Geschichten rein“, weiß die Erzählerin, die darüber hinaus mit eigenen Requisiten arbeitet – etwa mit ihren goldenen Erzählsteinen, die für Kinder magische Kraft haben. Oder eben das rote Kleid der Hübschlerin Fanny. So möchte sie alle Altersgruppen berühren – „von vier bis 999“, und mit einem Augenzwinkern schränkt sie ein: „Die Tausendjährigen sind mir zu anstrengend.“

Märchenhaft unterwegs ist Stefanie Keller im ganzen Gebiet von Vaihingen bis Schorndorf. In Backnang und Umgebung ist sie nunmehr seit acht Jahren zu hören und zu erleben. Den amourösen Stadtspaziergang hat sie ursprünglich für Stuttgart konzipiert. Aber: „Eins zu eins übernehmen geht nicht.“ Der Örtlichkeit in Backnang entsprechend hat sie das Programm modifiziert, manche Geschichten hat sie fallen gelassen und andere dazugenommen. Auch das Thema Backnanger Gänsekrieg will sie einbeziehen und ihm dabei durchaus neue Seiten abgewinnen, wenn sie als Hübschlerin – so nannte man im Mittelalter Frauen, die dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen und ihre eigenen Geheimnisse hüteten – mit ihrem Gefolge durch die Gassen zieht. Zu hören sind dabei, so Stefanie Keller, „lustige Märchen“, Geschichten, die „ein bisschen frivol, nicht mehr“ sind – das Ganze laut Veranstalter als Beitrag dazu, wie sich Frauen und Männer in gegenseitiger Achtung begegnen sollten.

Eine zweistündige Tour

Stadtspaziergang Veranstalter des amourösen Stadtspaziergangs am Freitag, 8. März, 19 Uhr ist der Schwäbische Albverein Backnang. Teilnehmer zahlen für die rund zweistündige Tour mit Stefanie Keller 25 Euro. Treffpunkt ist beim Museum „Schmiede“ am Burgplatz. Die Veranstaltung klingt in geselliger Runde mit einem kleinen Snack und Akkordeonmusik aus. Eine Anmeldung ist erforderlich bei Albert Dietz unter Telefon 07191/68601 oder per E-Mail an albverein-backnang@gmx.de.

Kontakt Mehr Informationen über Stefanie Keller gibt es auf https://wortzauber.org.

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Erstellt:
7. Februar 2024, 16:00 Uhr

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