Für Kinder im Ausland Geld kassiert

41-jährige Friseurin wird vom Amtsgericht wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Symbolfoto: Fotolia / R. Tavani

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht hat sich eine 41-jährige Friseurin wegen fälschlichen Bezugs von Unterhaltsleistungen zu verantworten. Sie wird zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Die eigens für die Angeklagte bestellte Dolmetscherin wird gleich zu Beginn der Verhandlung wieder entlassen. Die Angeklagte bedarf ihrer nicht. Sie kann sich bestens in der deutschen Sprache verständigen. Schließlich hat sie hier die Schule besucht und eine Lehre als Friseurin gemacht. Gearbeitet hat sie in ihrem erlernten Beruf allerdings nicht, sondern in die Gastronomie gewechselt. Zusammen mit ihrem Partner übernimmt sie eine Gaststätte. Alles, so sagt sie, was an Verdienst heraussprang, hätten sie wieder in ihren Betrieb investiert. Sieben Jahre ging das. Umso überraschender dann das Ende. Der Eigentümer kündigte den Pachtvertrag. Kurz danach ließ er das Gebäude abreißen.

Finanziell für das Gastwirtpaar ein Desaster. Ein Jahr später war dann auch die Lebenspartnerschaft zu Ende. Zu der Zeit hatte das Paar bereits vier Kinder. Aber nur die ersten Lebensjahre verbrachten die drei Töchter und der Sohn bei den Eltern. Hatten die Kinder jeweils das Schulalter erreicht, wurden sie nach Griechenland zu den Großeltern gebracht.

Gegenüber den Ämtern verschwieg aber die Friseurin diesen Umstand. In den Jahren 2014 bis 2016 erhielt sie 9358 Euro an Unterhaltsvorschuss. In den Jahren 2017 und 2018 für die jüngste Tochter nochmals 2814 Euro. Um den Anschein zu erwecken, dass alles in Ordnung sei, scheute die 41-Jährige nicht davor zurück, Schulbescheinigungen zu fälschen. 2019 flog die Sache auf. Die Ämter forderten das Geld zurück. In einer Versicherung an Eides statt machte die Friseurin falsche Angaben. So ist es nicht nur der Betrug, den ihr der Staatsanwalt mit der Anklageschrift anlastet, sondern auch diese falschen Angaben vor dem Jugendamt beziehungsweise dem Jobcenter.

Die Angeklagte räumt die Straftaten ein und will reinen Tisch machen.

Die Angeklagte möchte reinen Tisch machen. Ihr Verteidiger erklärt für sie, dass sie die ihr zur Last gelegten Straftaten einräumt. Bereitwillig erklärt die Angeklagte, wie es dazu kam. Nach dem erzwungenen Ende ihres Gastbetriebs sei ihre finanzielle Lage verzweifelt gewesen. Auf über 300000 Euro beziffert sie ihre Schulden. Von der Möglichkeit, eine Privatinsolvenz zu erklären, wusste sie damals nicht. Auch ihr Partner ließ sie fünf Jahre lang im Stich. Selbst ein Zimmer ihrer Wohnung hat sie untervermietet, um irgendwie an Geld zu kommen, verschwieg es aber wiederum gegenüber den Ämtern.

Der Richter dringt nicht weiter in die Angeklagte, berichtet kurz über die Einträge im Zentralregister. Bereits zweimal erhielt die Angeklagte wegen nicht bezahlter Rechnungen eine Geldstrafe. Der Staatsanwalt sieht in seinem Plädoyer die Anklageschrift bestätigt. Gewerbsmäßigen Betrug nennt er das Handeln der Angeklagten und stellt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten in den Raum. Freilich zur Bewährung ausgesetzt.

Auch gemeinnützige Arbeitsstunden will er der Angeklagten auferlegt haben. Was die Strafbarkeit des Handelns seiner Mandantin angeht, so der Verteidiger, pflichtet er dem Staatsanwalt bei. Er weist allerdings darauf hin, dass sich seine Klientin um Schadenswiedergutmachung bemüht. 1000 Euro wurden bereits überwiesen, monatliche Raten von 100 Euro angeboten.

Der Richter folgt in seinem Urteilsspruch dem Vorschlag des Staatsanwalts: neun Monate auf Bewährung für Betrug und eine falsche eidesstattliche Erklärung. Arbeitsstunden hält er nicht für sinnvoll. Dagegen möge die Verurteilte mit der Schadenswiedergutmachung weitermachen. 75 Euro soll sie als Bewährungsauflage jeden Monat zurückzahlen. Für die Friseurin kein leichtes Unterfangen. Wegen Corona sei ihr Verdienst in der Gastronomie, so hatte sie angegeben, zurzeit äußerst bescheiden. Im Übrigen, so der Richter, wäre ein irgendwie geartetes Entschuldungsverfahren für die 41-Jährige sinnvoll.

Da Staatsanwaltschaft wie Verteidigung auf Rechtsmittel verzichten, ist das Urteil rechtskräftig.

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Erstellt:
16. Juni 2020, 06:00 Uhr

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