Für Lebensmittel von gesunden Böden

Freybauern Klotz vom Kirschenhardthof beteiligen sich an der bundesweiten Aktion „Boden-Brot“ des Vereins Die Freien Bäcker.

Sie wollen die Welt retten und bezeichnen sich als Freybauern: Wolfgang Klotz und Annegret Salwey mit Bäckermeister Hans-Georg Wagner (rechts). Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Sie wollen die Welt retten und bezeichnen sich als Freybauern: Wolfgang Klotz und Annegret Salwey mit Bäckermeister Hans-Georg Wagner (rechts). Foto: A. Becher

Von Renate Schweizer

BURGSTETTEN/LEUTENBACH. Man muss schon sehr mutig sein – oder vielleicht eher: ziemlich verrückt –, um in diesen Tagen eine Bäckerei aufzumachen. Also nicht die x-te Filiale einer großen Brotfabrik, sondern handwerklich und klein: Ein Bäcker. Eine Backstube. Zutaten (sind ja gar nicht viele) von Bauern aus der Nachbarschaft. Nicht mal ein eigener Laden. Das kann nicht funktionieren, weiß doch jeder.

Wolfgang Klotz und seine beiden Mitstreiterinnen bei den sogenannten Freybauern, Elke Klotz und Annegret Salwey, sind verrückt genug für so ein Projekt. Sie betreiben Landwirtschaft im Kirschenhardthof, erzeugen und verkaufen Apfelsaft, feine Essige, Kräuter, Tees, Hydrolate und ätherische Öle und haben sich vorgenommen, den scheinbaren Widerspruch zwischen rentabler Landwirtschaft und Boden-, Arten- und Naturschutz aufzuheben: Tatsache, die Früchte der Wildobsthecken, die bei ihnen überall zwischen den Ackerflächen wachsen, finden sich in ihren Schnäpsen wieder. Eine kleine Herde Limpurger Rindviecher haben sie auch.

Das Experiment – obwohl man nach mehr als zehn Jahren eigentlich nicht mehr von einem Experiment sprechen kann – genießt bundesweite Aufmerksamkeit der landwirtschaftlichen Universitäten und des Landwirtschaftsministeriums. „Nur hier in der Gegend weiß kaum einer, dass es uns gibt“, so Wolfgang Klotz.

Nun also Brot. Wenn der studierte Wirtschaftsinformatiker Klotz darüber spricht, kann sich das so anhören: „Die Wertschöpfungskette Schritt für Schritt zurückholen in die bäuerlichen und handwerklichen Kleinbetriebe“ – das ist gut für die Erzeugerfamilien, für die Region, für Naturschutz und den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und am Ende auch für die „Verbraucher“ (also uns alle), die gute Lebensmittel von gesunden Böden bekommen. „Wir leben ja nicht von Börsenkursen, Wachstumsraten, Warentermingeschäften und virtuellen Welten, sondern von ein paar Zentimetern lebendigem Mutterboden – und den wollen wir nicht wie Dreck behandeln“, so das Motto der Freybauern.

„Die Verfügbarkeit und die Vielfalt unserer Nahrung hängen von unzähligen, winzigen Lebewesen ab.“

Klotz und seine Mitstreiterinnen haben einen Bäckermeister, Hans-Georg Wagner, angestellt und sich der bundesweiten Aktion „Boden-Brot“ des Vereins Die Freien Bäcker angeschlossen, zu der auch zum Beispiel die Biobäckerei Weber in Winnenden gehört. „Die Verfügbarkeit und die Vielfalt unserer Nahrung hängen von unzähligen, winzigen Lebewesen ab, die die oberste Schicht des Bodens beleben. Im Verborgenen versorgen sie die Pflanzen mit Nährstoffen und Wasser, wandeln organisches Material zu Humus um und sorgen dafür, dass CO2 im Boden gespeichert wird“, so heißt es in der Pressemitteilung des unabhängigen Berufsverbands: „Freie Bäcker*innen schaffen Aufmerksamkeit für das Thema Boden am eigenen Laib.“

Das Brot kann man im Nahturladen im Burgstall kaufen (allerdings nur Mitglieder, wir berichteten) und im Häußermann’schen Hofladen im Heidenhof 9, in Leutenbach-Heidenhof. Bernd Häußermann und seine Familie sind Landwirte seit alters her, im Gegensatz zu den Freybauern, die zwölf Jahre Ackerbau und Viehzucht auf dem Buckel haben.

Jens Häußermann, der akademische Jungbauer, lacht, er hat es kürzlich mal recherchiert: „Ich bin betriebsführender Bauer in nachweislich zwölfter Generation.“ So einem Jungbauern liegen die Ackerflächen am Herzen, die seit Urzeiten die Familie ernähren.

„Wir versuchen’s konventionell mit unkonventionellen Methoden“, erzählt Jens Häußermann, zum Beispiel mit Zwischenfrüchten, die Stickstoff und CO2 aus der Luft binden und grade jetzt, bei Frost, untergegrubbert werden. Nein, nicht untergepflügt, darauf legt er Wert, denn dabei würde man die Bodenschichten durcheinanderbringen und Bodenleben verlieren. Beim Grubbern wird der Boden nur aufgeritzt und die Leguminosen gelangen in die oberste Bodenschicht, genau da, wo sie im kommenden Frühjahr gebraucht werden. Oder mobile Hühnerhaltung, wo die Hühner auf den abgeernteten Feldern frei rumscharren dürfen. „800 Hühner haben wir jetzt im Freiland, die andern sind Bodenhaltung, aber denen geht’s auch gut.“

Mit ihrem Hofladen sind sie Vertriebspartner ihrer Feldnachbarn, den vergleichsweise kleinen Freybauern – transparenter und näher geht’s nicht. „Im Kartoffelbrot werden unsere Kartoffeln sein und im Hefezopf unsere Eier.“

Aktion Boden-Brot startet heute

Die bundesweite Aktion Boden-Brot der unabhängigen Berufsorganisation Die Freien Bäcker e.V. startet am heutigen Samstag und läuft noch bis zum 27. Februar.

Mit der Aktion setzen sich die Freien Bäcker für die Bewusstseinsbildung rund um das Thema Boden ein.

Mit jedem verkauften Boden-Brot ist eine Spende in Höhe von einem Euro verbunden. Der gesamte Spendenbetrag der teilnehmenden Bäckereien fließt in die für 2021 geplante Bildungskampagne Boden. Sie beginnt mit der Ausbildung von jungen, interessierten Menschen aus verschiedenen Netzwerken durch ausgewiesene Bodenexperten.

Wo kann man Boden-Brot kaufen? Im Nahturladen Burgstall (nur für Mitglieder) und im Häußermann’schen Hofladen im Heidenhof 9, neben dem Fachwerkhaus.

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Erstellt:
16. Januar 2021, 11:30 Uhr

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