Gäste nach Körperausstellung in Backnang enttäuscht

„Echte Körper – von den Toten lernen“ ist die Ausstellung überschrieben, die am Pfingstwochenende in Backnang gastiert. Die Begeisterung der befragten Besucher hält sich in Grenzen. Vor allem der Eintrittspreis wird als überhöht empfunden.

Auf dem Plakat der Ausstellung „Echte Körper“ werden viele Versprechungen gemacht, die laut Besuchern nicht eingehalten werden. Dem Fotografen wurde der Zugang vom Veranstalter verweigert.Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Auf dem Plakat der Ausstellung „Echte Körper“ werden viele Versprechungen gemacht, die laut Besuchern nicht eingehalten werden. Dem Fotografen wurde der Zugang vom Veranstalter verweigert.Foto: Tobias Sellmaier

Von Heidrun Gehrke

Backnang. Auf den Plakaten in der Stadt sieht alles super aus: „Echte Körper – von den Toten lernen“ verspricht eine „anatomische Ausstellung“ mit menschlichen Körperpräparaten. Doch die Fotos auf den Plakaten hätten falsche Erwartungen geweckt. Zu wenig Exponate und deutlich zu teuer – so kommentieren einige Besucherinnen und Besucher das Gesehene.

Die Plakate waren für Thomas und Nicola Richter aus Maubach und ihre Kinder Tobias und Noelle ein Argument, herzukommen, aber es sind sehr wenige Exponate zu sehen. „Ich fand es interessant, aber für den happigen Preis hätte ich mehr erwartet“, sagt Noelle. Bruder Tobias reißen die im Bürgerhaus gezeigten Präparate von der Machart her nicht vom Hocker: „Sie sind teilweise zwar eingefärbt, aber es ist nicht gut gemacht, es sieht alles sehr künstlich und auch etwas mitgenommen aus“, sagt er nach dem Besuch der Wanderausstellung.

Werbeversprechen kaum gehalten

Bei den Präparaten, aus denen die Schau „Echte Körper“ besteht, handelt es sich um konservierte menschliche Körper und Körperteile. Die gezeigten Torsi, Gliedmaßen und inneren Organe wurden durch das Plastinationsverfahren konserviert und bieten Einblicke ins Körperinnere – manchem Besucher kam dabei unweigerlich der Vergleich mit der Ausstellung „Körperwelten“ in den Sinn, die Ende der 1990er-Jahre ein Millionenpublikum erreicht hat. „Kein Vergleich zum Original“, sagt Thomas Richter. Der Macher der „Körperwelten“-Schau, Gunther von Hagens, gilt als Erfinder der Plastination, die auf einer der Lehrtafeln im Bürgerhaus beschrieben wird. Demnach handelt es sich dabei um ein Konservierungsverfahren, bei dem die Körperflüssigkeit durch Silikonkautschuk ersetzt wird.

Auf der Webseite kündigt der Veranstalter „rund 200 Ausstellungsstücke“ an. Zusammen mit „ausführlichen Erklärungen, Multimediavorführungen und Lehrtafeln zu allgemeinen und spezifischen Themen des menschlichen Körpers“ diene die Schau der Wissensvermittlung. „Sie bietet unter anderem Schülern und Lehrern ein umfangreiches Bildungsangebot“, heißt es. Doch der wissenschaftliche Ansatz und das anatomisch-medizinische Niveau bleiben für Tobias Richter hinter den Erwartungen zurück. Er sagt, er verfüge durch seine Ausbildung im Fitnessbereich über anatomische Basiskenntnisse, die er hier nicht wesentlich erweitern konnte. „Wenn man sich ein bisschen für den menschlichen Körper und Muskelaufbau interessiert, erfährt man kaum Neues“, sagt er.

Weitere Themen

Auch Besucherin Sabine aus Backnang, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, fand die Lehrtafeln „sehr allgemein“ gehalten. „Es hat viele lateinische Begriffe und Erklärungen, die man auch im Internet nachlesen kann.“ Informieren kann man sich unter anderem über die Funktionsweise der Lunge und die Entstehung von Brustkrebs und weiteren Krankheiten. Zwei präparierte Lungenflügel – ein gesunder und ein schwarzer – veranschaulichen die schädlichen Folgen des Tabakrauchens.

Auch moderate Meinungen sind dabei

Es gibt auch moderate Stimmen: Angelika Fischer aus Backnang ist ausgebildete Masseurin, inzwischen im Ruhestand. Für sie ist der Körper „ein kleines Wunder“, deshalb sei sie hier. „Es ist immer wieder interessant, sein Wissen aufzufrischen“, sagt sie. Ihr fallen viele Fachbegriffe beim Lesen wieder ein. Ihr Mann Friedrich Fischer liest ebenfalls interessiert die Erläuterungen, doch er bemängelt Zustand und die Qualität der Plastinate. Sie liegen auf dem Rücken, wie auf einem Operationstisch, weder in alltäglichen noch in sportlichen Haltungen, es sind weder muskuläre Beanspruchungen noch anschauliche Posen zu sehen. „Es wirkt alles etwas lieblos, als ob sie grad aus staubiger Erde ausgegraben wurden“, sagt er. Statt lebensecht gefärbter Blutbahnen oder Arterien bekommen Besucher graue und blasse Extremitäten und Muskelstränge zu sehen. „Es sieht ganz anders aus als auf den Plakaten“, sagt er.

Karin ist Krankenschwester, sie mustert einen Frontalschnitt durch das menschliche Gehirn mit einem geschult wirkenden, prüfenden Blick. „Man sieht alles so, wie es innen aussieht, das ist schon beeindruckend“, sagt sie. „Die funktionellen Zusammenhänge des Sehnen- und Muskelsystems sind hier bis ins kleinste Detail zu sehen.“ Mit bildgebenden Verfahren wie der Sonografie oder Kernspintomografie könne man viel sehen. „Aber in den geöffneten Körper reinschauen ist halt doch noch mal was anderes.“ Allerdings hat sie beim Eintrittspreis geschluckt: „Mit zwei Kindern ist man mal eben knapp 60 Euro los, wer kann sich das noch leisten?“ Der Preis bleibt auch bei einer Besucherin aus Winnenden nicht unkommentiert. „Wenn ich vergleiche, was ich woanders für das Geld geboten bekomme, ist es nicht gerechtfertigt.“ Erwachsene zahlen 15 Euro für den Eintritt, ermäßigte Karten gibt es für zwölf Euro. Rabatte für Familien gibt es keine.

Eine umstrittene Ausstellung

Kritik Eine kurze Internetrecherche ergab: Die Ausstellung ist nicht unumstritten. In einigen Städten wurde sie untersagt. Wie die Pressestelle der Stadt Backnang informiert, werde bei Buchungsanfragen für Räume des Bürgerhauses „auf verschiedene Kriterien geachtet, beispielsweise darauf, dass die durch die jeweiligen Veranstalter präsentierten Inhalte nicht diskriminierend, rassistisch, verfassungsfeindlich oder pornografisch sind“. Bei der Ausstellung „Echte Körper“ seien solche Anzeichen nicht zu erkennen.

Ausstellungen Als Kontaktperson wird auf der Webseite Leon Sperlich genannt. Die Familie Sperlich hat eine lange Tradition als Schausteller- und Komödiantengruppe. Sperlichs sind Inhaber diverser Kleinzirkusse und veranstalten unter anderem eine „Dino XXL Expo“ sowie die Show „Die Welt der Riesenspinnen“, außerdem betreiben Angehörige der Familie Sperlich das „Remstaler Figurentheater“ und den Waiblinger Weihnachtszirkus.

Keine Stellungnahme Der Fotograf der BKZ wurde nicht reingelassen. Für eine Stellungnahme war der Veranstalter unter der auf der Webseite angegebenen Handynummer nicht erreichbar und meldete sich bis Redaktionsschluss nicht.

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Erstellt:
21. Mai 2024, 06:00 Uhr

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