Galeria Karstadt Kaufhof klagt auf Öffnung der Filialen

dpa Essen/Münster. Welche Geschäfte in welchem Land am Montag öffnen werden und welche nicht, ist schwer zu überblicken. Die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof will dazu gehören und beschreitet den Rechtsweg. Kann das Gericht den Dschungel der Regelungen lichten?

Galeria Karstadt Kaufhof will gerichtlich klären lassen, ob die Warenhäuser geschlossen bleiben müssen. Foto: Fabian Strauch/dpa

Galeria Karstadt Kaufhof will gerichtlich klären lassen, ob die Warenhäuser geschlossen bleiben müssen. Foto: Fabian Strauch/dpa

Kleine Läden machen wieder auf, große Geschäfte bleiben noch zu, aber Autohäuser gehören zu den Ausnahmen.

Die schrittweisen Ladenöffnungen sind für Bürger und sogar für manche Händler selbst schwer zu durchschauen - und landen nun vor Gericht: Die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof mit bundesweit rund 170 Standorten und mehr als 28.000 Mitarbeitern will sich nicht damit abfinden, dass ihre Türen weiter geschlossen bleiben sollen.

Das Unternehmen habe in einem Eilverfahren Klage gegen die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen eingereicht, teilte das Oberverwaltungsgericht am Freitag in Münster mit. Zum Vorgehen in anderen Bundesländern wollte sich Karstadt selbst zunächst nicht äußern. Auch im Saarland ist laut Mitteilung des dortigen Oberverwaltungsgerichts jedoch ein Eilantrag eingegangen.

Die Justiz muss nun etwas Klarheit in den Dschungel der Regeln bringen - das wird aber wohl erst in der kommenden Woche passieren. Welche Geschäfte in Deutschland öffnen dürfen und welche nicht, entwickelt sich zunehmend zum Flickenteppich: Nach den neuen Vorgaben von Bund und Ländern dürfen Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmetern ab Montag wieder öffnen, größere nicht - mit Ausnahme von Buchläden, Fahrradgeschäften und Autohäusern. Davon erhofft man sich ein bisschen mehr Normalität, ohne dass die Innenstädte direkt überquellen. In Sachsen gilt von Montag an im Einzelhandel eine Pflicht, Schutzmasken zu tragen.

Mehrere Handelsketten und Verbände hatten kritisiert, die bei 800 Quadratmetern gezogene Grenze sei unwirksam oder befördere eine willkürliche Wettbewerbsverzerrung. Mittlerweile mehren sich die Vorschläge aus der Branche, größeren Geschäften zumindest eine teilweise Öffnung auf verkleinerter Ladenfläche zu erlauben, wie es etwa Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen bereits vorsehen. In Brandenburg und Niedersachsen dürfen ab kommender Woche auch kleinere Läden in Einkaufszentren wieder aufmachen.

NRW ist das nicht genug: Die vorpreschende Landesregierung will zusätzlich Möbelhäusern und Babyfachmärkten erlauben, ihre Türen zu öffnen. Ein Sonderweg, der selbst den Möbel-Riesen Ikea freudig überraschte: Man prüfe nun mit den Behörden, welche Schutzmaßnahmen für die Öffnung nötig seien. „Wir streben eine möglichst zeitnahe Eröffnung unserer Einrichtungshäuser in NRW an, werden aber gleichzeitig höchste Sicherheits- und Hygieneauflagen gewährleisten“, sagte eine Ikea-Sprecherin der dpa. Ab Montag wollte der Möbel-Riese trotz Sondererlaubnis seine NRW-Filialen noch nicht wieder öffnen.

Nach Angaben einer Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts Münster bezieht sich der Eilantrag von Karstadt auf die bisherige Regelung der Corona-Schutzverordnung, in der die 800-Quadratmeter-Regelung noch nicht enthalten war. Es sei aber möglich, dass die veränderten Vorgaben in das Verfahren einbezogen würden. Das Land hat Gelegenheit, dazu Stellung zu beziehen. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hielt sich vor Journalisten zunächst zurück: „Wir haben uns im Kabinett entschieden, das so umzusetzen. Wir wussten natürlich, dass es Abgrenzungsfragen geben würde.“ Immerhin sichere diese Regelung, dass nun Geschäfte wieder öffnen könnten, die für mehr als 80 Prozent des Einzelhandelsumsatzes stünden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Freitag, es gebe im Föderalismus immer schwierige Abstimmungsfragen. Die Bürger müssten aber erwarten können, dass sich die Politik auf gemeinsame Richtlinien verständigen. Den Ländern gab Altmaier einen Seitenhieb aus Berlin mit: Er setze darauf, dass in weiteren Beratungen mit den Ministerpräsidenten in Zukunft gemeinsamen Lösungen „vielleicht stärker Vorrang“ gegeben werde.

Dass ausgerechnet Karstadt Kaufhof rechtlich gegen den Flickenteppich vorgeht, ist wenig überraschend: Supermärkte und Drogerien durften durchgehend geöffnet bleiben - aber auch ein Kaufhaus verkauft Lebensmittel und Hygieneartikel, so dass die Schließung von Anfang an kontrovers diskutiert wurde. Zudem dürfte es für die angeschlagene Kaufhauskette existenzentscheidend sein, wann die Häuser wieder öffnen dürfen: Karstadt hat angesichts der Corona-Krise Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht. Dieses bewahrt in die Krise geratene Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass die Betriebe bereits Insolvenz anmelden müssen.

„Es wird sicher keinen Kahlschlag geben“, sagte Frank Kebekus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der die Kaufhauskette durch das beantragte Schutzschirmverfahren führt. „Ich hoffe natürlich, dass wir Lösungen finden, um möglichst wenige Häuser zu schließen, aber es wäre unseriös zu sagen, dass es keine Einschnitte geben muss“, sagte Kebekus. „Ob und in welchem Umfang es zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen wird, werden die nächsten Wochen im Rahmen der Restrukturierung zeigen.“ Eine genaue Zahl könne er jedoch nicht nennen.

Ob das Gericht der Kaufhauskette Recht gibt, könnte Signalwirkung über Nordrhein-Westfalen hinaus haben. Bislang wagen sich die Länder sehr unterschiedlich weit vor - von strengen Regelungen in Bayern über Mittelwege in Niedersachsen bis hin zum forschen NRW. In vergangenen Eilverfahren hat das Oberlandesgericht sich übrigens hinter das Land gestellt: Sowohl ein Dortmunder Händler als auch ein Fitnessstudio in Bielefeld und ein Spielhallenbetreiber kamen mit ihrem Versuch nicht durch, die Schließungen anzufechten.

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Erstellt:
17. April 2020, 16:03 Uhr

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