Energieversorgung
Gas aus Griechenland für die Ukraine
Eine neue Drehscheibe für die Versorgung Osteuropas mit US-Gas entsteht in Griechenland. Über die Transbalkan-Pipeline wird Gas in die Ukraine geliefert..
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Griechenland soll mit Gas-Terminals zentraler Verteilpunkt für die Versorgung Osteuropas werden.
Von Gerd Höhler
Vertreter aus 23 europäischen Staaten und den USA haben sich zwei Tage lang in der griechischen Hauptstadt Athen getroffen, um über die Neuausrichtung der europäischen Gasversorgung zu beraten. Die EU will die Einfuhren von russischem Erdgas bis Ende 2027 schrittweise beenden. Vor allem osteuropäische Länder, die bislang fast vollständig von russischem Gas abhängig waren, stehen dadurch vor großen Herausforderungen. Nun richtet sich der Blick auf Athen und Washington: Die USA sollen als Lieferant und Griechenland als zentraler Knotenpunkt für das künftige Versorgungsnetz Ost- und Südosteuropas eine Schlüsselrolle übernehmen.
Gas aus Griechenland in Ukraine geleitet
Jahrzehntelang war die Ukraine die wichtigste Transitroute für russisches Pipelinegas nach Osteuropa. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist dieser Transit jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen. Auch die Ukraine selbst ist inzwischen auf Gaslieferungen aus dem Westen angewiesen. Am Dienstag und Mittwoch bezog das Land nach Angaben des staatlichen Energieunternehmens Naftogaz erstmals 1,88 Millionen Kubikmeter Gas über die Transbalkan-Pipeline aus Griechenland – der Startschuss für eine neue Versorgungslinie, die in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden soll.
Ein wichtiges Thema der Ministerkonferenz der Partnerschaft für Transatlantische Energiekooperation (P-TEC) in Athen am Donnerstag und Freitag stand der sogenannte Vertikale Korridor: ein Strang aus Pipelines, durch die Gas von den Flüssigerdgas-Terminals in Griechenland nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn, in die Slowakei, nach Moldawien und in die Ukraine fließen soll. Die USA waren bei der Konferenz besonders stark vertreten – vier Minister reisten aus Washington an, ebenso zahlreiche Energieunternehmen.
Strategische Energiepartnerschaft mit den USA
Das Interesse der Amerikaner ist leicht zu erklären: Über die griechischen Terminals wollen die USA künftig große Teile Ost- und Südosteuropas mit amerikanischem Flüssigerdgas (LNG) beliefern. In Griechenland kommen diese Pläne gut an. In Regierungskreisen ist von einer „strategischen Energiepartnerschaft mit den USA“ die Rede. Energieminister Stavros Papastavrou erklärte im Vorfeld der Konferenz, sein Ziel sei es, „die geostrategische Rolle Griechenlands als zentraler Zugangspunkt für amerikanisches LNG nach Europa zu stärken“. Den Vertikalen Korridor bezeichnete er als „neues Energie-Rückgrat Europas“. Im griechischen LNG-Terminal auf der Insel Revythousa bei Athen hat diese neue Energieära bereits begonnen: Im ersten Halbjahr 2025 legten dort 27 LNG-Tanker an, mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Hauptlieferant sind die USA, die ihren Anteil gegenüber 2024 verdoppelten. Aktuell stammen rund 82 Prozent der griechischen LNG-Importe aus den Vereinigten Staaten. Erstmals haben die USA damit Russland als wichtigsten Gaslieferanten Griechenlands abgelöst. Ein wachsender Teil des in Revythousa wiederverdampften Gases geht in den Export. Im Oktober 2024 nahm Griechenland mit der schwimmenden Speicher- und Wiederverdampfungseinheit (FSRU) bei Alexandroupoli sein zweites LNG-Terminal in Betrieb. Damit bekam das Land zusätzliche Kapazitäten für die Einspeisungen in den Vertikalen Korridor.
Kapazität soll verdreifacht werden
Das Konzept des Leitungsnetzes stammt ursprünglich von Gasunternehmen aus Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Sie vereinbarten 2016, ihre nationalen Gasnetze miteinander zu verbinden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verlieh diesen Plänen neue Dringlichkeit. Im vergangenen Jahr schlossen sich auch die Slowakei, Moldawien und die Ukraine dem Projekt an. Um alle beteiligten Länder zuverlässig zu versorgen, braucht Griechenland jedoch zusätzliche Terminalkapazitäten. Drei weitere Anlagen befinden sich in Planung. Künftig könnte das Land rechnerisch bis zu 25 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr umschlagen – rund drei Viertel davon für den Export. Die Kapazität der Pipelines im Vertikalen Korridor soll in den kommenden Jahren für rund 500 Millionen Euro verdreifacht werden. Die US-Entwicklungsbank DFC hat bereits signalisiert, sich an den Investitionen beteiligen zu wollen. Denn besonders profitieren dürften von diesem Ausbau die amerikanischen LNG-Exporteure.
