Gastronomen auf die Finger geschaut

Kontrolleure des Landratsamts begutachten fast täglich Betriebe, die mit Lebensmitteln zu tun haben – Kleine Funde sind normal

Sie kommen unangemeldet und dürfen auch gegen den Willen der Betreiber in Lokale, Märkte und andere Lebensmittelbetriebe: Die Lebensmittelkontrolleure des Rems-Murr-Kreises haben alle Hände voll zu tun. Sie prüfen die Sauberkeit der Örtlichkeiten, die richtige Lagerung von Lebensmitteln sowie die richtige Auszeichnung. Fündig werden sie fast immer, schlimme Verstöße sind aber eher die Ausnahme.

Kontrolleur Peter Herrschlein überprüft, ob die Lebensmittel richtig gelagert werden. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Kontrolleur Peter Herrschlein überprüft, ob die Lebensmittel richtig gelagert werden. Fotos: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Sein Besuch war nicht erwartet worden, dennoch wird Peter Herrschlein freundlich empfangen. Dass der Lebensmittelkontrolleur heute seinen Rundgang durch den gastronomischen Betrieb macht, versetzt niemanden in Panik. „Die Zusammenarbeit klappt meistens ziemlich gut“, findet Herrschlein. Schließlich profitierten auch die Betreiber davon, wenn sich ein Experte ein Bild des Betriebs macht und eventuelle Mängel aufzeigt. Nur so können diese in Zukunft vermieden werden. Etwas zu beanstanden haben die Kontrolleure meistens – mal mehr mal weniger. „Man hat da seine Pappenheimer“, sagt Herrschlein schmunzelnd. Diese bekommen dann auch häufiger Besuch als andere. „Einige haben uns sehr beschäftigt und tun das auch weiterhin“, erzählt Teamleiter Gerhard Holzwarth. Gleichzeitig gebe es aber auch viele sehr gute Betriebe.

Was die Kontrolleure immer mehr vor Herausforderungen stellt, ist, dass vermehrt Quereinsteiger in der Gastronomie tätig sind. Da gebe es großen Erklärungsbedarf. Doch auch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – von Verwarnungs- und Bußgeldern bis zu Ermittlungsberichten an die Staatsanwaltschaft haben die Lebensmittelkontrolleure einige Mittel zur Hand. „Es gab schon Betriebe, wo mir nach fünf Minuten klar war: Hier ist Schluss für heute, hier machen wir den Laden zu“, erzählt Holzwarth. Etwa wenn ein massiver Schädlingsbefall vorliegt oder zahlreiche verdorbene Lebensmittel gefunden werden. Es habe auch schon Momente gegeben, wo selbst den Kontrolleuren übel geworden ist. „Das kommt aber wirklich selten vor“, so Holzwarth.

Ganz anders liegt der Fall beispielsweise in der Gastronomie im Wonnemar. „Dieser Betrieb arbeitet auf einem höheren Niveau, da steckt einiges an Know-how dahinter“, sagt Herrschlein. Zusätzlich zu den Kontrollen des Amts für Lebensmittelüberwachung wir der Betrieb jedes Quartal vom Tüv Süd zertifiziert. Das sei ein super Standard, erklärt Herrschlein. Für ihn aber kein Grund, weniger gründlich zu kontrollieren. Da wird auch die Kaffeemaschine auseinandergenommen, um zu schauen, ob ihre Einzelteile gründlich gereinigt wurden. Mit einer Taschenlampe leuchtet der Kontrolleur hinter die Schubladen. Mit dem Thermometer prüft er, ob alles nach Vorschrift gekühlt wird.

Manche Arbeitsschritte mögen Außenstehenden seltsam vorkommen, sie haben aber System. „Wir wissen, wo die Knackpunkte sind.“ Nach vier Jahren im Einsatz verfügt Herrschlein schon über einen großen Erfahrungsschatz. Etwa drei Betriebe kontrolliert er am Tag. „Mit der Zeit bekommt man zum Beispiel ein Gespür für Temperaturen“, erklärt er. Wird nicht richtig gekühlt, falle ihm das oft schon auf, bevor er das Thermometer bemüht. Auch erkenne er meist an der Farbe des Frittierfetts schon, ob dieses noch gut ist. Natürlich kann er aber auch das testen, im Gepäck hat Herrschlein eine Sonde, die den Acrylamidwert misst. Auch seinen Geruchssinn setzt der Lebensmittelkontrolleur regelmäßig ein. Riecht eine Soße im Metallbehälter nicht mehr gut, nimmt er eine Probe mit. Diese wird dann ins Labor geschickt.

Peter Herrschlein ist selbst vom Fach. Bevor er im Landratsamt zu arbeiten angefangen hat, hat der Leutenbacher eine Ausbildung zum Koch und Konditormeister gemacht. Inzwischen habe er sich zudem auf die Kontrolle von Schankanlagen spezialisiert. „Wir haben festgestellt, dass es da häufig Probleme gibt“, erklärt er seine Motivation. Und genau an dieser Stelle wird er an diesem Tag auch fündig. Als er die Bierzapfhähne auseinanderschraubt, fällt Herrschlein auf, dass sich an deren Innenleben Hefereste abgelagert haben. Das sollte nicht sein. Ein Blick in die Bücher verrät: Die beauftragte Firma hat einen Termin zur Reinigung der Anlage verpasst. Ein Anruf ergibt, dass die Firma gerade Betriebsferien hat. Ein Stellvertreter sei informiert worden, habe sich aber als unzuverlässig erwiesen. Ein unglücklicher Umstand. Dennoch: Für diesen Fund stellt Peter Herrschlein einen Bußgeldantrag. Der geht zwar beim Betreiber ein, Teamleiter Reiner Kirches macht aber klar: „Die Kosten werden der Reinigungsfirma in Rechnung gestellt. Wir haben einen Vertrag mit ihnen, den sie nicht erfüllt haben.“ Ihm bleibt nun erst einmal nichts anderes übrig, als auf Flaschenbier umzusteigen, denn die Anlage ist so lange außer Betrieb, bis sie wieder sauber ist.

Nicht für alle Funde kann der Lebensmittelkontrolleur die Gastronomen verantwortlich machen. Eine Vanillesoße etwa ist Herrschlein ins Auge gefallen. Beim genaueren Blick muss er feststellen: Vanille gehört nicht zu den Zutaten. „Das ist Irreführung“, erklärt er. Denn Vanillesoße dürfe ein Produkt nur heißen, wenn auch wirklich Vanille drin ist. So müsse es als Sahnesoße mit Vanillegeschmack bezeichnet werden. Der Gastronom kann dafür nichts, die Täuschung geht von der Herstellerfirma aus. Diese wird Herrschlein nun melden.

Die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung wollen sich nicht nur als Mahner verstanden wissen, sie wollen den Betrieben helfen, sich zu verbessern. Das werde auch gerne angenommen. Peter Herrschlein und Gerhard Holzwarth befürworten das Ampelsystem, bei dem die Betriebe das Ergebnis der Kontrolle öffentlich sichtbar anbringen müssen. Ein grünes Schild heißt dann: Hier gab es nichts oder nur wenig zu beanstanden. „Der Großteil der Betriebe will das auch. Sie können damit für sich werben“, erklärt Holzwarth. Denn der Besuch der Kontrolleure ist für die meisten gar nichts Schlimmes. Ottmar Dänzer nutzt den Besuch Herrschleins etwa, um mit ihm über verschiedene Kühlsysteme zu sprechen. Denn in den vergangenen Wochen habe er Bedenken gehabt, ob er die vorgegebenen Temperaturen einhalten kann. Peter Herrschlein berät gerne. Ein Griff zum Thermometer bestätigt den Kontrolleur aber schnell: Die Temperaturen liegen im grünen Bereich, kein Grund zur Sorge.

Veterinäramt und Lebensmittelüberwachung im Rems-Murr-Kreis

Das Ziel des Amts ist es, in Bezug auf die Herstellung und den Vertrieb von Lebensmitteln vom Erzeuger zum Verbraucher den gesundheitlichen Verbraucherschutz, den Schutz vor Irreführung sowie den Tierschutz und die Tiergesundheit sicherzustellen.

Im Fachbereich 421 arbeiteten im vergangenen Jahr drei Tierärzte, zehn Lebensmittelkontrolleure, die insgesamt neun Stellen ausfüllten, und drei Lebensmittelkontrolleure zur Weiterbildung. Zwei von ihnen sind inzwischen fertig ausgebildet und verstärken das Team. Seit 2005 bildet das Landratsamt in diesem Beruf aus.

2017 gab es im Rems-Murr-Kreis etwa 6 840 Lebensmittelbetriebe, die vom Fachbereich Lebensmittelüberwachung überprüft werden sollten. Eine Quote von 100 Prozent sei nicht machbar, sagt Teamleiter Gerhard Holzwarth. Es gebe schließlich immer wieder neue Betriebe, wiederum andere werden aufgegeben oder zusammengelegt. Für 2017 ergab sich ein Soll von 6 115 Kontrollen, 3 219 konnten durchgeführt werden. Das entspricht einer Quote von 52,6 Prozent. Inzwischen sei das Personal aufgestockt worden, sagt Holzwarth, sodass im ersten Halbjahr 2018 die Kontrollquote bereits bei 64 Prozent liegt. Angestrebt seien aber 85 Prozent.

Insgesamt wurde im vergangenen Jahr 41-mal ein Verwarngeld ausgesprochen, 192-mal wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet – dabei wurden Summen in Höhe von insgesamt 88 300 Euro fällig – zudem wurden 75 Strafverfahren eingeleitet, davon der überwiegende Teil wegen des Verdachts der Körperverletzung. Beispiele für häufige Verstöße sind falsche oder fehlende Kennzeichnung, minderwertige und überlagerte Lebensmittel und Mängel in der Reinigung. Gründe für eine Betriebsschließung sind beispielsweise erhebliche Altersverschmutzungen oder mehrere überlagerte, verdorbene oder ungeeignete Lebensmittel, die nicht sofort beseitigt werden können.

Neben den Betriebskontrollen wird die Einhaltung der Vorschriften auch mittels der Untersuchung von Proben überprüft. Im Rems-Murr-Kreis liegt die Zahl der Proben bei etwa 1800 pro Jahr. Bei elf Proben wurden im vergangenen Jahr möglicherweise gesundheitsschädliche Eigenschaften festgestellt. Dabei habe es sich meist um mikrobiologische Auffälligkeiten gehandelt – etwa ein erhöhter, nicht zulässiger Koffeingehalt. In einem Fall wurden Desinfektionsmittel im Lebensmittel nachgewiesen. Diese Produkte wurden sofort aus dem Verkehr gezogen und es wurde – wenn nötig – eine EU-weite Schnellwarnung ausgegeben.

Das Einsatzgebiet der Lebensmittelkontrolleure erweitert sich ständig. Weil etwa immer mehr Lebensmittel – insbesondere Nahrungsergänzungsmittel – über das Internet vertrieben werden, wurde der Fachbereich auch hier tätig. So wurde gefälschtes Öl ermittelt. Dieses habe überwiegend aus Rapsöl bestanden, sei aber als Olivenöl deklariert worden. Die Lebensmittelüberwachung sensibilisiert Gewerbetreibende auch für irreführende Angaben zu Produkten. Kuhmilchkäse darf beispielsweise nicht als Feta bezeichnet werden, da dieser aus Schaf- und/oder Ziegenmilch gemacht wird.

Bei ihren Kontrollen begnügen sich die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung nicht mit der Begutachtung von außen. Kaffeemaschinen und Ausschankanlagen werden auch mal auseinandergenommen, damit ihr Innenleben unter die Lupe genommen werden kann.

© Pressefotografie Alexander Beche

Bei ihren Kontrollen begnügen sich die Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung nicht mit der Begutachtung von außen. Kaffeemaschinen und Ausschankanlagen werden auch mal auseinandergenommen, damit ihr Innenleben unter die Lupe genommen werden kann.

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Erstellt:
21. August 2018, 06:00 Uhr

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