Gaumenschmaus als Livestream übertragen

Bei der Online-Weinprobe der Aspacher Weingärtner werden edle Tropfen aus der Region goutiert und fachkundig von Michaela Perini, Joachim Schöffler und Günther Ferber besprochen. Es wird gekocht und sogar gezaubert, und auch die Tücken der Technik tun dem genussvollen Treiben keinen Abbruch.

Anfangs waren Joachim Schöffler (von links), Michaela Perini und Günther Ferber vielleicht etwas angespannt angesichts der Kameras und Bildschirme zur Übertragung der Weinprobe via Internet. Doch das gab sich zusehends und wurde auch für die Zuschauer zum Gaumenschmaus. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Anfangs waren Joachim Schöffler (von links), Michaela Perini und Günther Ferber vielleicht etwas angespannt angesichts der Kameras und Bildschirme zur Übertragung der Weinprobe via Internet. Doch das gab sich zusehends und wurde auch für die Zuschauer zum Gaumenschmaus. Foto: J. Fiedler

Von Renate Schweizer

ASPACH. Weinprobe online – das klingt ein bisschen wie Kochsendung gucken und dann dabei doch bloß wieder Chips aus der Tüte futtern. Kann man schon mal machen, bringt aber irgendwie nix, könnte man meinen. Doch die Weinverkostung der Aspacher Weingärtner vom Samstag in der Gaststätte Traube hat sehr wohl Charme und macht Lust auf mehr.

Die Gaststube der Traditionsgaststätte ist voller Mikros, Kameras, Monitore und Kabelsalat, vor den heruntergelassenen Rollläden der Fenster stehen die Stellwände der Weingärtnergenossenschaft, Stehtische und natürlich reihenweise Weinflaschen. Michaela Perini und Joachim Schöffler, die beiden Hauptamtler der Aspacher Weingärtnergenossenschaft, und Günther Ferber, der Vorsitzende, sind stocknüchtern und ein bisschen angespannt. Weinproben sind sozusagen ihr tägliches Brot. Aber vor laufender Kamera und ohne die vernehmbare Resonanz ihres Publikums ist alles Neuland und ganz anders. Da darf der Adrenalinspiegel auch mal steigen, und zu allem Überfluss zickt zehn Minuten, bevor es losgeht, auch noch das WLAN. 240 Weinpakete haben sie im Vorfeld verkauft, vermutlich gucken und trinken die meisten Teilnehmenden zu zweit (ist ja auch der Vorabend des Valentinstags). Das macht 480 Personen oder mehr. Dazu kommt eine unbekannte Anzahl von „Trockenguckern“, die irgendwas anderes oder gar nichts vorm Bildschirm trinken. Ein so großes Publikum auf einen Schlag erleben sie selten. Der Aufnahmeleiter und quasi technische Direktor des Ganzen, Michael Albrecht, soll und will zudem noch das Kunststück fertigbringen, zweimal im Laufe des Abends den Platz hinter den Monitoren und Kameras aufzugeben und als Zauberkünstler vor der Kamera zu agieren. In dieser Rolle wird er dann als Tommy Bright auftreten. Das kann nur klappen, weil ihm sein 14-jähriger Sohn Simon assistiert und immer, wenn Papa zaubert oder unten in der Küche hinter der Kamera steht, als Herr der Monitore brilliert.

Apropos Küche, gekocht wird auch an diesem Abend: Als sechster im Bunde zaubert Markus Binder – Wirt, Koch und Manager des Großaspacher Gasthofs Traube – ein Drei-Gänge-Valentins-Menü. Kochkurse, klar, das kennt er bestens, aber als Livestream-Fernsehkoch betätigt er sich heute zum ersten Mal. Albrecht alias Bright gibt das Zeichen: Gleich geht es los. Klappe halten, Lampenfieber runterschlucken. Kamera läuft. Und läuft. Und läuft. Abwechselnd in der Küche, der Gaststube und vor der Zauberbühne. Es funktioniert. Es funktioniert sogar bestens, zweieinhalb Stunden lang. Während die Protagonisten von einem Drehort zum anderen flitzen, bekommen die Zuschauer zu Hause stehende Bilder aus den Weinbergen der Genossenschafter zu sehen und damit Zeit, Flaschen zu öffnen, Gläser zu schwenken, die Nase ins duftende Weinglas zu hängen, Sekt und Weine genießerisch im Mund „herumzudalgen“ und womöglich sogar zu kochen und zu schmausen.

Und es geschieht, was immer bei Weinproben geschieht: Von Schluck zu Schluck wird die Stimmung besser und die Witze schlechter, man lernt ganz viel und ganz entspannt, genießt und lacht, das Publikum kann Fragen stellen, die moderierenden Weinfexe plaudern locker aus dem Nähkästchen, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Und bei dieser speziellen Weinprobe wird man auch noch Zeuge einer wirklich wundersamen Weinvermehrung und anderer Zauberkunststücke.

Ein Sekt und fünf Weine aus Allmersbach am Weinberg, Kleinaspach und Sinzenburg werden verkostet. Nach dem Ruf „Kamera aus“ bricht sich die Erleichterung aller Beteiligten Bahn. Auch Koch und Kamera (soweit volljährig) gönnen sich jetzt ein wohlverdientes Schlückchen vom 1522er, und es darf gegessen werden, was Binder da vor der Kamera so liebevoll zubereitet hat. Aber vorher stürzen sich noch alle auf die Monitore: Mehr Teilnehmende am Ende als am Anfang der Online-Weinprobe: Das heißt, dass alle dabeigeblieben und noch ein paar im Laufe des Abends dazugekommen sind. Ein besseres Kompliment kann man für eine Online-Veranstaltungen ja gar nicht kriegen.

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Erstellt:
15. Februar 2021, 06:00 Uhr

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