Gefasst und geständig – der Hacker aus dem Kinderzimmer
Mutmaßlicher Täter ist ein Schüler: 20-jähriger zeigt bei Vernehmung durch die Polizei Reue
Die Ermittlungen laufen noch weiter. Doch ein Tatverdächtiger für den Hackerangriff auf Politiker und Prominente ist am Dienstag gefasst worden: ein 20-jähriger Schüler.
Wiesbaden/Berlin /X - Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk muss schmunzeln, als er die Frage hört. Ob er den jungen Mann, der hinter dem Online-Angriff auf Politiker und Prominente steckt, nicht gerne einstellen würde, möchte eine Journalistin wissen. Sabine Vogt, beim Bundeskriminalamt verantwortlich für schwere und organisierte Kriminalität, antwortet: Bevorzugt nehme die Behörde Bewerber, die auch eine entsprechende Ausbildung vorweisen können.
Die kann der Beschuldigte nicht vorweisen. Der Mann lebe noch bei seinen Eltern und gehe zur Schule, sagte Oberstaatsanwalt Ungefuk von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Dienstag in Wiesbaden. Seine Computerkenntnisse habe sich der Beschuldigte selbst angeeignet. „Interesse und Zeit: Das sind die Faktoren, die letztlich bewirken, dass wir in der Szene viele junge Leute haben, die ohne technische Ausbildung agieren, aber gleichwohl sich bestimmte Kenntnisse angeeignet haben“, sagte Ungefuk.
Die Nachricht wirkt schockierend: Einem jungen Menschen ohne IT-Fachausbildung gelingt ein Datenangriff im Internet, der über Tage zur Chefsache in Deutschland wird und politische Konsequenzen nach sich zieht. Dennoch gilt es zu relativieren. Viele Beobachter weisen darauf hin, dass für den Datenklau keine ausgeklügelte technische Fähigkeit nötig gewesen sei. Vielmehr spricht vieles dafür, dass der Mann etwa Passwörter ausprobiert und sich gegenüber Online-Dienstleistern als jemand anderes ausgegeben hat. Solch ein Zusammentragen und Veröffentlichen personenbezogener Daten nennt sich „Doxing“. Als Motiv für sein Tun nannte der Beschuldigte „Ärger“ über die öffentlichen Äußerungen seiner Opfer. Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund hätten sich bei der Durchsuchung nicht ergeben, so Ungefuk. Aber noch müssten viele Hinweise abgearbeitet werden, und man prüfe noch, ob es eine „politische Motivationslage“ gibt. Zur abschließenden Klärung müssten noch Computer und Datenträger ausgewertet werden. Der Mann hatte die AfD in seiner Datensammlung ausgespart.
Dass der junge Mann Komplizen hatte, halten die Behörden derzeit für unwahrscheinlich. Zunächst war der Beschuldigte am Sonntag nach der Durchsuchung seiner Wohnung vorläufig festgenommen worden. Nach einem umfassenden Geständnis wurde er Montagabend wieder freigelassen. Es bestehe keine Fluchtgefahr, er sei nicht vorbestraft und habe „über seine Taten hinaus“ Hilfe bei der Aufklärung geleistet, sagte Ungefuk. Der Beschuldigte habe auch Reue gezeigt und sei möglicherweise unbedacht oder leichtfertig gewesen. Bei jüngeren Tätern erlebe man oft, dass „ein großes Nachdenken einsetzt“, wenn die Polizei vor der Tür stehe. Die Tatbestände, die dem aus Homberg (Ohm) stammenden Mann vorgeworfen werden, sind das Ausspähen von Daten und Datenhehlerei. Darauf stehen im Strafrecht für Erwachsene bis zu drei Jahre Haft. Der 20-Jährige gilt aber als Heranwachsender, und im Jugendstrafrecht stehen erzieherische Maßnahmen im Vordergrund.
Am Dienstag kommentieren Internetnutzer wie der 19-jährige S. aus Heilbronn, der mit dem Beschuldigten virtuell in Kontakt gewesen ist, das Geschehen im Netz. Der 0rbit genannte Hacker solle froh sein, dass das Ganze zu Ende sei, schreibt S. Eventuell habe die Sache für ihn ja positive Folgen: „Aussichten auf einen Job im IT-Bereich“.