Gemeinsam gegen den Ärztemangel in der Region

Die Ärzteschaften Backnang und Rems-Murr Süd fordern bei ihrem Treffen im Bürgerhaus von allen Beteiligten pragmatische Lösungen.

Medizinische Versorgung zu garantieren wird immer schwieriger. Symbolfoto: Fotolia/Marco2811

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Medizinische Versorgung zu garantieren wird immer schwieriger. Symbolfoto: Fotolia/Marco2811

Von Matthias Nothstein

Backnang. Es wird immer schwieriger, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten, nicht zuletzt wegen des Ärztemangels. Gerade deshalb ist es auf kommunaler Ebene extrem wichtig, gemeinsam zu agieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Basis hierfür ist die gegenseitige Wertschätzung. Und genau diese Wertschätzung hat Jens Steinat, der Vorsitzende der Ärzteschaft Backnang, als Überschrift für ein Ärzteschaftstreffen im Backnanger Bürgerhaus gewählt. Nur mit gegenseitiger Wertschätzung und gegenseitigem Verständnis sei es möglich, gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden.

In den zurückliegenden Pandemiejahren haben diese pragmatischen Lösungen funktioniert, was alle Redner bestätigten, etwa André Mertel, der Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, Dagmar Behringer, die Leiterin des Gesundheitsamtes Rems-Murr, oder Ralf Rauch, der Chefarzt der Kinderklinik Winnenden. Und natürlich Landrat Richard Sigel, der das praktizierte Miteinander als eine äußerst positive Erfahrung aus der Coronapandemie mitnimmt: „Wir haben uns eng ausgetauscht und so Vertrauen ineinander gefasst. Auf dieser vertrauensvollen Basis konnten wir gemeinsam Probleme angehen, indem wir pragmatische Lösungen entwickelt haben.“

Forderung: Studienplätze verdoppeln

Um den enormen Bedarf an Ärzten decken zu können, plädierte Sigel nun dafür, die Studienplätze für Medizin bundesweit zu verdoppeln. Das Land habe mit der Erhöhung um 150 Studienplätze 2020 einen richtigen Schritt getan, „aber der reicht bei Weitem nicht aus“. Es könne nicht sein, „dass immer noch viele junge Menschen Jahre auf einen Studienplatz warten müssen oder lediglich im Ausland Medizin studieren können – und wir parallel Mediziner aus dem Ausland rekrutieren müssen“.

Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich versucht hingegen, fertige Mediziner in das unterversorgte Backnang oder ins Umland zu locken. Der Versammlung konnte er verkünden, dass die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg „auf Drängen unsererseits die Förderung für sechs Stellen genehmigt hat“. Wahlweise könne Ärzten, die sich neu niederlassen, entweder ein Lohnzuschuss von 2000 Euro pro Monat für drei Jahre oder ein Zuschuss für die Einrichtung einer Arztpraxis von bis zu 80000 Euro gewährt werden.

In Backnang soll ein „Haus der Gesundheit“ entstehen

Backnang selbst hat als Kommune laut Friedrich zudem im Moment mehrere Aktivitäten am Laufen. Zum einen soll auf der Oberen Walke ein „Haus der Gesundheit“ entstehen. Als Stadtverwaltung wolle man das Projekt nach Kräften unterstützen. Und in den südlichen Stadtteil gibt es laut Friedrich vonseiten der Stadt Überlegungen, in Waldrems zwischen Rathaus und Kindergarten eine Art Ortszentrum mit Räumlichkeiten für Verwaltung, Gewerbe und ein bis zwei Arztpraxen einzurichten.

Diese Überlegungen sind jedoch hinfällig, wenn es keine Ärzte gibt. Und so kritisiert Johannes Fechner, der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, die ständig wachsende Zahl an Klinikärzten. Trotz Klinikschließungen würden heute 5000 Ärzte mehr in den Krankenhäusern arbeiten als noch im Jahr 2007. Der Mangel an niedergelassenen Ärzten gehe also auch auf gestörte „Lieferketten“ des ärztlichen Nachwuchses zurück.

Bürokratie soll abgebaut werden

Wegen des Abbaus der Bürokratie wandte sich Steinat ganz direkt an Tino Sorge, der als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion online aus Berlin zugeschaltet war. Als konkretes Beispiel wählte Steinat die Einführung der elektronischen Krankmeldung mitten in der Pandemie. Dies sei für alle Praxen Mehrarbeit gewesen, die sie in ihrer eigentlichen Arbeit behindert habe. Und so klagte Steinat: „Zur Wertschätzung gehört auch, die Belastung des anderen zu erkennen.“ Sein Lösungsvorschlag: „Wir müssen schneller und unkomplizierter werden. Und mutiger. Einfach mal etwas machen. Und wenn es Probleme gibt, diese dann aktiv, sozusagen im laufenden Betrieb angehen.“

Der Backnanger SPD-Landtagsabgeordnete Gernot Gruber betonte ebenso die Bedeutung der wechselseitigen Wertschätzung und sicherte diese den Medizinern zu. Zudem hatte er einen Trost für die Ärzte: „Sie sind wenigstens viel beliebter als Politiker.“

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Erstellt:
30. September 2022, 06:00 Uhr

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