Gemeinsame Zeit ist etwas Wertvolles

Wir sind Familie (3): Doppeltes Einkommen und zwei Kinder – Der Alltag von Familie Köhler ist eng getaktet

Der Faktor Zeit spielt bei Familie Köhler aus Rietenau im Alltag eine große Rolle. Die Eltern sind beide fast in Vollzeit berufstätig. Ihre beiden Söhne stehen für Maria und Michael Köhler trotzdem an erster Stelle. Ein hohes Maß an Organisation, eng getaktete Tage, wenig Spontanes bringt diese Variante des Familienlebens mit sich – aber auch, sich Dinge leisten zu können, gemeinsam verbrachte Zeit als etwas Besonderes und Wertvolles zu schätzen. „Alles hat seine Vor- und Nachteile“, sagen die Köhlers.

Miteinander Monopoly spielen: Die gemeinsam verbrachte Zeit gehört ausschließlich den Kindern und wird von allen genossen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Miteinander Monopoly spielen: Die gemeinsam verbrachte Zeit gehört ausschließlich den Kindern und wird von allen genossen. Foto: A. Becher

Von Nicola Scharpf

ASPACH. Die Zeit nach 17 Uhr ist im Alltag von Maria und Michael Köhler ihren Söhnen Paul (sieben Jahre) und Georg (vier Jahre) vorbehalten. Dann wird gemeinsam gespielt, zu Abend gegessen, die Gutenachtgeschichte vorgelesen. „Wenn die Kinder da sind und wach sind, wollen wir die Zeit mit ihnen verbringen“, sagt Maria Köhler. Stichwort Quality time: Es kommt nicht darauf an, wie viel Zeit man miteinander verbringt, sondern wie man die vorhandene, gemeinsame Zeit nutzt. „Wir überlegen uns, wie wir unsere Zeit angenehmer gestalten“, ergänzt Michael Köhler. So hat sich zum Beispiel die gute alte Vorratshaltung bewährt, um nicht mehr Lebensmitteleinkäufe als unbedingt nötig einzuplanen. Und so reinigt beispielsweise ein Saugroboter den Boden, während die Familie außer Haus ist. „Das ist eine echte Hilfe“, ist sich das Ehepaar einig. Trotzdem wird es oft nach 21 Uhr, bis die beiden gemeinsam im Haushalt klar Schiff gemacht und Feierabend haben. „Es gibt kaum Zeitbummelei“, stellt Maria Köhler fest.

Unter der Woche ist der Tag eng getaktet: Michael Köhler verlässt um 5 Uhr das Haus, um mit Bus und S-Bahn an seinen Arbeitsplatz in Leinfelden zu fahren. Drei Stunden verbringt der Ingenieur der Elektrotechnik täglich auf dem Weg zum/vom Arbeitsplatz. Der 42-Jährige arbeitet in Vollzeit und pendelt seit 2011 nach Leinfelden. Maria Köhler macht sich und die Kinder morgens startklar für den Tag, bringt ihre Söhne mit dem Auto in den Ganztagskindergarten und die Grundschule, bevor sie weiter nach Backnang in die Arbeit fährt. Die 38-Jährige hat einen 80-Prozent-Vertrag, was 28 Stunden pro Woche entspricht. „Oft fallen Überstunden an, zuletzt habe ich etwa 33 Stunden pro Woche gearbeitet.“ Es war keineswegs von vornherein festgelegt, dass sie nach der Elternzeit wieder nahezu in Vollzeit in ihren Beruf als Konstrukteurin zurückkehrt. „Von der Stundenzahl her haben wir gesagt, dass wir es auf uns zukommen lassen“, sagt er. „Ich habe mich da herangetastet, was geht, was ich schaffe“, schildert sie. „Ich liebe meinen Beruf. Mein technischer Beruf ist eine Männerdomäne. Wenn ich da anspruchsvolle Aufgaben haben möchte, muss ich Zeit investieren“, sagt sie und dass sie eben auch beruflichen Ehrgeiz habe. Außerdem ist sie sich nicht sicher, ob alle in Teilzeit berufstätigen Frauen bewusst ist, auf wie viel Rentenansprüche sie verzichten. Fest steht für sie jedenfalls: „Für einen Job, der mir keinen Spaß macht, würde ich mir den Stress nicht antun.“ Ihr Mann, der selbst mit berufstätigen Eltern groß geworden ist, geht den Weg mit: „Je mehr sie gearbeitet hat, desto mehr musste ich mich im Haushalt und mit den Kindern beteiligen. Das war ein Lernprozess.“ Beide Söhne sind jeweils mit einem Jahr in die Kinderkrippe gekommen. „Sie in dem Alter abzugeben, das war für mich das Schwerste“, gibt die Mutter zu. Als Glück empfindet sie, dass beide Kinder gern in den Kindergarten beziehungsweise den Hort der Grundschule gehen.

Die Urlaubszeit ist ein extremer Kontrast zum Alltag

Der Alltag verlangt von den Köhlers ein hohes Maß an Organisation: Die Eltern pflegen einen gemeinsamen elektronischen Terminkalender, auf den sie beide via Handy zugreifen können. Darüber hinaus konferieren sie einmal pro Woche über das, was in den nächsten Tagen ansteht. „Die Arbeitsteilung muss immer wieder neu besprochen werden.“ Die Zeitfenster sind in der Regel belegt: Montag kauft Maria Köhler in ihrer Mittagspause Brot. Dienstagnachmittag erledigt sie den Großeinkauf zusammen mit dem vierjährigen Georg, während der siebenjährige Paul Handballtraining hat. Während Georgs Handballtraining übt sie mit Paul Lesen oder macht andere Arbeiten für die Schule mit ihm. Wenn sie nach Hause kommen, hat Michael Köhler das Abendessen schon vorbereitet. Donnerstag werden, während der Erstklässler Paul Flötenunterricht hat, die fehlenden Dinge im Supermarkt geholt. „Spontane Sachen gehen halt nicht wirklich“, sagt Maria Köhler. Beispiel Freibadsaison: „Da versuche ich, mich an einem Nachmittag pro Woche freizuschaufeln.“ Die Kinder, so Michael Köhler, haben gelernt, dass Unternehmungen wie ein Nachmittag im Freibad dann stattfinden, wenn die Zeit dafür vorgesehen ist. Prioritäten setzen zu können, ist für die Eltern ein Wert, den sie auch ihren Kindern vermitteln möchten. „Wir haben eben Arbeit und Kinder, wobei die Kinder an erster Stelle stehen.“

Freizeit oder Paarzeit ist überschaubar. Einmal pro Woche trifft sich Maria mit Kolleginnen zum Mittagessen, was sie sehr genießt. Einmal pro Woche geht sie zum Chor. „Da kann ich abspannen.“ Ihr Mann dreht gern eine Runde auf dem Fahrrad oder fotografiert in der Umgebung von Rietenau. Wenn alle paar Wochen die Großeltern aus Thüringen oder Hessen zu Besuch kommen, ist die Kinderbetreuung gesichert und das Paar kann ausgehen. „Unser gemeinsames Hobby ist der Garten. Der ist immer da. Es ist nichts, wofür du weg musst.“

Extremer Kontrast zum Alltag ist die Urlaubszeit. „Wir versuchen, lange Urlaube zu machen“, sagt Maria Köhler. Als sie noch unabhängig von Schulferien waren, haben sie auch schon mal den kompletten Jahresurlaub am Stück genommen und sich eine mehrwöchige Reise ermöglicht. „Wir möchten den Kindern die Welt zeigen“, so Michael Köhler. „Wenn du im Urlaub wegfährst, verbringst du die Zeit ausschließlich mit der Familie“, ergänzt seine Frau. „Wenn du zu Hause bleibst, machst du noch dies und das nebenher.“ Urlaubszeit ist 100 Prozent Kinderzeit. „Dadurch merken sie, dass das etwas Besonderes ist“, findet er. Es ist Schwankungen unterlegen, ob und wie die Köhlers ihren Familienalltag als belastend oder anstrengend empfinden. Für welches Modell man sich auch entscheidet, wie man als Familie leben möchte, man sollte es sich vorher und vor allem auch gut überlegen, finden die Köhlers. Und man sollte tolerant sein, dass andere es anders handhaben als man selbst.

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Erstellt:
21. März 2020, 06:00 Uhr

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