Gemeinschaftlich die Falter verwirren

Ein Jahr im Weinberg (3): Redakteurin Silke Latzel hängt mit anderen Wengertern in Kleinaspach Pheromonfallen aus

Der dritte Arbeitstag in diesem Jahr im Weinberg steht an: Der Traubenwickler muss bekämpft werden. Biologisch, mit kleinen Pheromonfallen. Was das genau heißt und was dabei ihre Aufgabe ist, erfährt Redakteurin Silke Latzel beim Gemeinschaftseinsatz mit 62 anderen Wengertern.

Daniel Ferber (rechts) erklärt, Redakteurin Silke Latzel hört zu – und bricht währenddessen schon einmal die Dispenser auseinander. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Daniel Ferber (rechts) erklärt, Redakteurin Silke Latzel hört zu – und bricht währenddessen schon einmal die Dispenser auseinander. Fotos: A. Becher

Von Silke Latzel

ASPACH. „Da fühlt man sich ein bisschen wie ein Känguru, oder?“, fragt mich Daniel Ferber und lacht, als wir uns die Stoffbeutel, in denen sich die Dispenser mit den Pheromonen befinden, umbinden. Und fast genauso wie das australische Tier, wird er später durch die Weinberge „springen“ und mich abhängen. Seinen Schritte-Rekord vom vergangenen Jahr wird er trotzdem nicht brechen können – ich bremse ihn immer wieder aus. Aber schließlich ist es meine erste gemeinschaftliche „Aushängung der Pheromone zur biologischen Bekämpfung des Traubenwicklers“. So nämlich heißt der Termin im Weinberg, zu dem ich eingeladen bin – gehöre ich für dieses Jahr ja auch irgendwie zu den Aspacher Wengertern. Und dieses Mal ist alles anders als bei meinen vorherigen Arbeitseinsätzen, denn wir sind eine ziemlich große Gruppe und arbeiten alle gemeinsam – und nicht jeder auf seinem eigenen Stück Land.

In jeder dritten Reihe, an jedem dritten Stock

Bevor ich beim Wengerthäusle Föll in den Kleinaspacher Weinbergen ankomme, kann ich mir noch nicht wirklich vorstellen, was heute passieren wird. Doch ich werde schnell aufgeklärt. Da Günther Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach und mein „Lehrer“ im Weinberg, heute nicht dabei sein kann, übernimmt sein Sohn Daniel für ihn, steht mir mit Rat und Tat zur Seite – und reicht mir direkt meinen gefüllten Stoffbeutel. Seiner ist selbst genäht, von Oma.

Nicht nur in Kleinaspach wird an diesem Abend gearbeitet, auch in den Weinbergen in Sinzenburg und Allmersbach am Weinberg sind die Wengerter unterwegs. Insgesamt sind wir 63 Leute, die 46 Hektar Rebflächen ablaufen, um die Pheromonfallen aufzuhängen. Die Fallen (siehe Infokasten) sehen unspektakulär aus. Mehrere Dispenser sind aneinander befestigt, wir brechen sie auseinander und hängen sie einzeln auf – in jeder dritten Reihe, an jedem dritten Stock. Ich schlucke, plötzlich wirkt der 25 Hektar große Weinberg in Kleinaspach – umgerechnet immerhin 35,014 Fußballfelder – noch größer, als er schon ist. „Wir sind wohl so in eineinhalb Stunden fertig, je nachdem, wie schnell wir laufen. Und je mehr Leute wir sind, desto weniger Zeit brauchen wir natürlich auch“, erklärt Daniel. Großartige Fingerfertigkeit ist dieses Mal zum Glück nicht vonnöten, ich denke an meine steif gefrorenen Hände beim vorherigen Einsatz zurück. Um was es geht, habe ich schnell verstanden, und auch die Technik ist nicht schwer umzusetzen. Dafür heißt es jetzt: Schauen, auf drei zählen und laufen...

In jeder dritten Reihe wird an jedem dritten Weinstock eine Pheromonfalle aufgehängt. Das geht nur, wenn alle Wengerter gemeinsam mit anpacken und die Rebflächen systematisch ablaufen.

© Pressefotografie Alexander Beche

In jeder dritten Reihe wird an jedem dritten Weinstock eine Pheromonfalle aufgehängt. Das geht nur, wenn alle Wengerter gemeinsam mit anpacken und die Rebflächen systematisch ablaufen.

Schauen deshalb, weil wir auf mehreren Ebenen und den Weinberg von rechts nach links und von unten nach oben abarbeiten – und auch von oben nach unten, denn wer oben angekommen ist, dreht drei Reihen weiter um und läuft wieder nach unten. Kompliziert? Nicht wirklich, aber man muss schon gut beobachten, wer wo hinläuft und ob die Reihe eventuell von oben oder von unten schon besetzt ist. Einmal passiert es mir, dass ich oben ankomme und dann keine freie Reihe mehr habe, in die ich meine Fallen hängen kann – also gehe ich quasi im „Leerlauf“ wieder nach unten und wechsle die Ebene. Und merke dabei erst, wie steil die Hänge teilweise sind – auch wenn Daniel mir gerade noch versichert hat, „das hier ist einer der weniger steilen Hänge“. Mein Hangfazit: Runterlaufen erfordert Konzentration, ich muss dauernd auf meine Füße schauen, um zu sehen, wo ich hintrete, und natürlich ist der Untergrund nicht eben. Aber das Hochlaufen ist viel anstrengender. Ich merke, dass ich wieder mehr joggen sollte – meine Kondition ist wirklich mies und ich bin ziemlich aus der Puste. Daniel rennt mir quasi in jeder Reihe davon und muss auf mich warten.

Die Fallen sind ziemlich klein, für den männlichen Traubenwickler aber sehr verwirrend.

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Fallen sind ziemlich klein, für den männlichen Traubenwickler aber sehr verwirrend.

„Qualität statt Quantität“, sage ich schnaufend, als ein paar der Wengerter mit Augenzwinkern anmerken, dass ich langsamer bin als sie. Und mein Argument, dass ich als Redakteurin viel am Schreibtisch sitze, lassen sie auch nicht gelten. Trotz der Anstrengung habe ich Spaß und verstehe, was Daniel meinte, als er mir sagte: „Es ist halt auch das Gemeinschaftsgefühl bei diesem Arbeitseinsatz, das zählt. Am Ende, wenn wir dann gemeinsam vespern, wissen wir, was wir alle zusammen geleistet haben.“

Am Ende brauchen wir tatsächlich fast eineinhalb Stunden. „Heute war es vom Wetter her echt angenehm“, so Daniel. Der 21-Jährige war schon so oft bei dieser Aktion dabei, er kann gar keine konkrete Zahl nennen. „Manchmal waren wir alle bis auf die Unterwäsche nass, weil es so geregnet hat. Und dann wird es auch ziemlich rutschig und man muss aufpassen, dass man nicht hinfällt.“

In der Historischen Kelter in Kleinaspach angekommen, waschen wir uns direkt die Hände, denn die riechen durch die Pheromone leicht süßlich. Danach gibt es Vesper: Käse, Wurst, Brot und natürlich Wein. So lässt sich ein Arbeitstag angenehm ausklingen. Vielleicht kann ich ja nächste Woche noch einmal Dispenser im Weinberg aufhängen, statt in der Redaktion zu sitzen?! Mal schauen...

Info
Die Verwirrmethode

Der Traubenwickler ist ein Falter und gilt als Schädling im Weinbau. Die Larven befallen die Blüten und Trauben und mindern dadurch den Ertrag, zumal sind befallene Trauben anfällig für Grauschimmelfäule. Bekämpft wird der Traubenwickler oft präventiv. Bei der biologischen Schädlingsbekämpfung setzt man unter anderem auf die Verwirrmethode.

Dabei wird das Kommunikationssystem zwischen männlichen und weiblichen Insekten gestört. Bringt man in ein Feld eine höhere Massenkonzentration von künstlich hergestellten Pheromonen aus, werden die männlichen Tiere orientierungslos, finden nicht mehr zum Weibchen und können sich somit auch nicht paaren. Ein Dispenser auf einer Fläche von 20 Quadratmetern reicht dabei aus.

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Erstellt:
18. April 2019, 06:00 Uhr

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