Gemüse vom Balkon statt aus dem Laden

Die Nachfrage zum Thema „Essbares auf dem Balkon und auf der Terrasse anpflanzen“ ist in der Coronazeit gestiegen. Und bei wachsenden Preisen für Lebensmittel könnte das Gärtnern für noch mehr Menschen attraktiv werden. Zwei Expertinnen geben ihre Tipps weiter.

Auf dem Balkon von Birgit Heuckeroth beginnt es um diese Jahreszeit wieder zu blühen, zu summen und zu duften. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auf dem Balkon von Birgit Heuckeroth beginnt es um diese Jahreszeit wieder zu blühen, zu summen und zu duften. Fotos: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Dass man nicht gleich einen Garten braucht, um sich kleine Naschereien und leckere Kräuter für die eigene Küche zu züchten, zeigt der Balkon der Backnangerin Birgit Heuckeroth. Vergangenes Jahr gewann sie beim naturnahen Gartenwettbewerb der Stadt in der Kategorie Balkon. „Früher hatte ich mehr Blumen“, sagt sie. Aber denen sei es zu heiß auf ihrem Südbalkon gewesen. Jetzt füllt sie ihn unter anderem mit mediterranen Kräutern und schätzt den Win-Win-Effekt: „Für die Insekten und für mich ist es viel gewinnbringender.“ Sie kann die zum Kochen benötigte Menge an Kräutern frisch vom Balkon holen oder mal eben von ihren Himbeeren naschen. „Das ist der pure Sommer“, schwärmt Birgit Heuckeroth.

Die Nachfrage zum Thema Gärtnern ist gewachsen. Nicht zuletzt aufgrund der Coronalockdowns suchten sich viele Menschen eine neue Beschäftigung im eigenen Haus. Christa Schumacher, die beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis im Bereich Ernährung und Gesundheit tätig ist, erwartet auch wegen der steigenden Lebensmittelpreise einen weiteren Aufwärtstrend. Ob man Kartoffeln, Gurken oder Erdbeeren anpflanzt – das Hobby bietet langfristig auch die Möglichkeit, Geld zu sparen. Die von Christa Schumacher betreuten Gartenseminare und Kräuterführungen seien stets gut besucht. Die Expertin hat einige Tipps, wie man sich eigene Lebensmittel in Kübeln und Eimern züchten kann.

Auswahl der Pflanzen

„Natürlich sollte man das anpflanzen, was man gerne isst“, sagt Christa Schumacher. Sie selbst hat unter anderem Kräuter, einen Feigenbaum und eine immertragende Erdbeere. Doch sollte man Pflanzen auswählen, die je nach Ausrichtung des Balkons viel oder wenig Sonne benötigen. „Bei einem Südbalkon ohne Dach kann es schon passieren, dass Pflanzen verbrennen, besonders junge Pflanzen“, so Christa Schumacher. Für solche Fälle könne man aber auch ein Gartenvlies über die Pflanzen legen, damit diese nicht austrocknen. Ein weiterer Faktor bei der Auswahl der Pflanzen ist die Optik. Ein Tipp von Christa Schumacher sind rankende Pflanzen wie Vespergurken, Zuckererbsen oder Prunkbohnen. Diese können als Sichtschutz dienen oder hübsche Verzierungen bis hin zum Nachbarbalkon sein.

Kaufen statt anzüchten

Wer schnell wachsende und ertragreiche Pflanzen haben möchte, kann sich die gewünschte Art beim Gärtner, Baumarkt oder Discounter kaufen. Das könnte zudem hilfreich sein, wenn man sich nicht näher mit der Aussaat und Anzucht beschäftigen möchte. Auch Discounter und Baumärkte haben gute Pflanzen, so Christa Schumacher. Doch man sollte vor dem Kauf genau hinschauen. „Die Qualität ist das A und O. Der Durchmesser der Pflanze sollte dick genug sein. Und sie sollte nicht hellgrün, wackelig oder trocken aussehen“, so die Gartenberaterin. Man sollte auch prüfen, ob die Pflanze Läuse oder Fäulnis hat. Zudem spiele die Blütenanzahl eine Rolle. Sie selbst habe beispielsweise eine Stachelbeere aus der Baumschule gekauft. Diese hatte viel mehr Blüten als die günstigere Alternative aus dem Baumarkt. Entsprechend sei dann auch der Ertrag der Früchte ausgefallen; mehr Blüten bringen mehr Früchte.

Zeitpunkt

Für einen Laien stellt sich die Frage, wann man die Pflanzen am besten auf den Balkon stellt. Die Gartenexpertin vom Landratsamt kennt die Faustregel: „Die meisten stellen ihre Pflanzen nach den Eisheiligen raus.“ An diesen Tagen, vom 11. bis 15. Mai, ist nämlich mit einem Kälteeinbruch zu rechnen. Und der späte Frost kann insbesondere bei jungen und kälteempfindlichen Pflanzen das Aus bedeuten. Dieses Jahr fallen die Eisheiligen allerdings mild aus.

Von schnell wachsenden Pflanzen hat man auch noch etwas, wenn man sie erst später im Jahr anpflanzt. „Kresse, Radieschen und Salat zum Beispiel gehen immer“, so Christa Schumacher. Kartoffeln sollte man hingegen nicht erst im Sommer anbauen, wenn man auf leckere Knollen hofft.

Behältnisse

In luftigen Höhen holen die Menschen die Erde in Kübeln, Eimern und Kästen auf den Balkon. Die Optik spielt ebenso eine Rolle wie das Platzmanagement. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ein Ampeltopf – das ist ein hängender Blumentopf, aus dem die Pflanze nach unten wachsen kann – ist ebenso möglich wie Balkonkästen, die außen am Geländer angebracht werden können. Wenn man keine solchen Kästen befestigen kann oder darf, bietet sich auch ein mehrstöckiges Konstrukt an, um Platz zu sparen. Christa Schumacher hat sich zum Beispiel ein Regal aus Paletten gebastelt. Das hat sie allerdings inzwischen durch ein mehrstöckiges Hochbeet ersetzt. „Da habe ich einen doppelten Boden drin, Rollen unten dran und Platz, um Zeug zu verstauen“, erklärt sie die Vorzüge des Hochbeets. Zudem habe es die richtige Höhe zum Gärtnern und biete aufgrund der Breite viel Platz für die Pflanzen. Gerade um mal länger unterwegs zu sein oder sich das Gießen zu sparen sei der doppelte Boden praktisch.

Kartoffeleimer

Ein Trend unter den Gemüsegärtnern ist der Kartoffeleimer, berichtet Christa Schumacher. Dabei handelt es sich um einen handelsüblichen 10- oder 15-Liter-Eimer. Den Boden des Eimers bedeckt man mit einer Schicht Steinen, darüber kommt etwas Erde. In diese pflanzt man eine bereits keimende Kartoffel. „Sobald sich das Kartoffelgrün zeigt, wird es wieder mit Erde bedeckt. Das macht man weiter, bis der Eimer voll ist“, erklärt die Gartenexpertin das Vorgehen. Sie selbst habe den Kartoffeleimer bereits ausprobiert und jede Menge Knollen aus dem Eimer buddeln können.

Verarbeiten

Wenn es auf dem Balkon blüht und wächst, fehlt nicht mehr viel bis hin zum Gericht aus selbst angebauten Zutaten. Mal eben ein paar Cocktailtomaten pflücken, Basilikumblätter abzupfen und zum Mozzarella anrichten – köstlich. Die erprobte Balkonistin Birgit Heuckeroth hat schon einiges mit ihrer Ernte ausprobiert. „Das Bohnenkraut und der Sellerie sind ideal für Eintöpfe“, sagt sie. Den Schnittlauch streue sie gerne auf ein Tomatenbrot und der intensiv schmeckende Lavendel eigne sich hervorragend zu Erdbeeren und Vanilleeis. An ihrem Geburtstag im Juli schenke ihr die Schwarze Johannisbeere reife Früchte, aus denen sie sich bereits einen leckeren Geburtstagskuchen gebacken hat. Und ihr Geheimtipp: Salbei mit etwas Salz in Butter andünsten und zu Nudeln essen. Die Backnangerin schwärmt: „Das schmeckt nach Italien.“

Salbei fühlt sich auch auf einem Südbalkon wohl. Er schmeckt gut und hat eine lindernde Wirkung bei Halsschmerzen.

© Alexander Becher

Salbei fühlt sich auch auf einem Südbalkon wohl. Er schmeckt gut und hat eine lindernde Wirkung bei Halsschmerzen.

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Erstellt:
20. Mai 2022, 06:00 Uhr

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