„Gerda“ soll Patienten helfen und kleine Apotheken stärken

dpa/lsw Stuttgart. Mit Grippe im Bett - und dann zum Arzt und in die Apotheke? Mit dem elektronischen Arztrezept soll dieses Mühsal der Vergangenheit angehören. In Baden-Württemberg gibt es erstmals ein Pilotprojekt - das auch ein Kampf vieler Davids gegen einige Goliaths ist.

Der Apotheker Peter Treu steht in seiner „Apotheke Münster“ an einem Computer. Foto: Gregor Bauernfeind/dpa

Der Apotheker Peter Treu steht in seiner „Apotheke Münster“ an einem Computer. Foto: Gregor Bauernfeind/dpa

Als erstes Bundesland führt Baden-Württemberg elektronische Arztrezepte ein, die auf dem Smartphone empfangen und an Apotheken gesendet werden können. Am Donnerstag wurde das Pilotprojekt „Gerda“ (Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheken) in Stuttgart vorgestellt. Zunächst nehmen Apotheken in Stuttgart und Tuttlingen teil, im kommenden Jahr soll „Gerda“ auf das ganze Bundesland ausgeweitet werden. Die „E-Rezepte“ richten sich an Kassenpatienten, die sich telemedizinisch - also per Telefon oder Videochat - behandeln lassen.

Die Stuttgarter Apotheke von Peter Treu ist für das neue System schon bereit. Als eine von zunächst zehn Apotheken ist seine „Apotheke Münster“ Teil des Pilotprojekts. Am Mittwoch habe er mit zwei Testpatienten einen Probelauf gemacht, erzählt er. Jetzt kann der erste echte Patient kommen. „Mehr Aufwand ist es für uns absolut nicht“, sagt Treu. Mit „Gerda“ ändere sich wenig für die Apotheken. Nur ein paar Softwareanpassungen habe es noch gebraucht.

Das E-Rezept ist an das Telemedizinangebot „docdirect“ der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gebunden, das im vergangenen Jahr gestartet wurde. 40 Ärzte nehmen derzeit daran teil. Verschrieb einer von ihnen ein Medikament, mussten die Patienten bisher für das Rezept persönlich in eine Arztpraxis kommen. Nun geht das Rezept auf einen Server, der Patient kann es in seiner „docdirect“-App ansehen und an eine Apotheke seiner Wahl senden. Per Chat kann der Patient Kontakt aufnehmen und erfahren, wann die Medikamente da sind oder sie mittels Botendienst zuschicken lassen.

„Gerda“ wurde von Landesapothekerkammer und -verband angestoßen und vom Land mit einer Million Euro gefördert. „Wir haben das getan, weil wir nicht wollen, dass die Ausstellung von E-Rezepten kommerziellen Interessen dient“, sagt Tatjana Zambo vom Landesapothekerverband. Das Bundesgesundheitsministerium hatte mit einer Gesetzesänderung im August den Weg frei für das elektronische Rezept gemacht.

„Es ist ein wirklich ruinöser Wettbewerb, der da läuft“, sagt Treu. Die mit dicken Werbebudgets ausgestatteten internationalen Versandapotheken würden den Kleinen vor Ort schwer zu schaffen machen. Laut Landesapothekerverband stellt „Gerda“ sicher, dass Patienten ihr Rezept ohne Beeinflussung von Werbung, Steuerung und Manipulation bekämen. Profitieren sollen die kleinen Apotheken vor Ort. Ist das System einmal aus der Testphase heraus, können Patienten zwar auch die große Versandapotheken wählen. Treu sagt, seine Apotheke könne aber schnell reagieren, habe einen Botendienst und könne Patienten vor Ort und am Telefon beraten.

Wie bei der Videosprechstunde ist Baden-Württemberg auch bei den E-Rezepten Vorreiter in Deutschland. Und „Gerda“ könne möglicherweise Basis für ein bundesweites E-Rezept-System zu werden, sagt der Präsident der Landesapothekerkammer, Günther Hanke. Das Bundesgesundheitsministerium habe das Telemedizin-Unternehmen Gematik beauftragt, bis Mitte 2020 eine Spezifikation zum E-Rezept vorzustellen. Und Gematik schaue „mit besonderem Vergnügen“ auf „Gerda“. Geld würde das dem Land nicht einbringen, sagt Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). „Aber wo Sie Pionier waren, haben Sie auch einen Marktvorteil.“

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Erstellt:
7. November 2019, 17:29 Uhr

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