Geschacher um Posten und Sitze

Am Donnerstag tagt erstmals der neue Backnanger Gemeinderat – Grüne und Backnanger Demokraten bilden Zählgemeinschaft

Wenn der neu gewählte Backnanger Gemeinderat am Donnerstag zum ersten Mal zusammentritt, wird vieles anders sein als bisher. Drei Listen und zehn Stadträte ziehen neu in das Gremium ein. Der Kampf um Mehrheiten wird schwieriger und hat schon vor der ersten Sitzung begonnen.

Bei den Sitzungen des Backnanger Gemeinderats wird ab Donnerstag vieles anders.Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Bei den Sitzungen des Backnanger Gemeinderats wird ab Donnerstag vieles anders.Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Für Heinz Franke beginnt am Donnerstag die sechste Amtszeit als Stadtrat: „Eine so große Veränderung habe ich aber noch nie erlebt“, sagt der SPD-Fraktionschef. Mit der AfD (zwei Sitze), den Backnanger Demokraten und der BIG-Partei (jeweils ein Sitz) ziehen nach der Wahl vom 26. Mai drei völlig neue Gruppierungen in den Gemeinderat ein. Dort sind dann acht verschiedene Parteien und Listen vertreten, mehr als ein Drittel der Stadträte ist neu dabei.

Für eine Mehrheit sind nun immer mindestens drei Fraktionen nötig. Ob das in der Praxis eine Rolle spielen wird, muss sich zeigen. In den vergangenen Jahren hatte der Gemeinderat die meisten wichtigen Entscheidungen mit klaren Mehrheiten getroffen, viele sogar einstimmig. Frank Nopper kann sich allerdings vorstellen, dass diese Zeiten vorbei sind. „Wir werden mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen“, vermutet der Oberbürgermeister. Bei einem Gemeinderat mit acht verschiedenen Gruppierungen dürfte Nopper zudem als Sitzungsleiter stärker gefordert sein, damit die Debatten nicht ins Uferlose gehen. „Wir müssen auf die Sitzungsökonomie achten, sonst werden wir bis um Mitternacht dasitzen, und das kann eigentlich keiner wollen“, erklärt der OB. Eine Begrenzung der Redezeit ist aber zumindest momentan noch kein Thema.

Gespannt sein darf man insbesondere auf das Auftreten der beiden neu gewählten AfD-Stadträte Steffen Degler und Michael Malcher. Degler, der den Fraktionsvorsitz übernommen hat, betont im Vorfeld, man wolle konstruktiv mitarbeiten und bietet den anderen Fraktionen einen Dialog an: „Ich hoffe, dass das auf kommunaler Ebene besser funktioniert als im Landtag oder im Bundestag.“ Der Ankündigung, die Kommunalpolitik aktiv mitzugestalten, will die AfD schon bald Taten folgen lassen. Seine Fraktion habe bereits 30 bis 40 Anträge in Arbeit, erklärt Degler.

Die etablierten Parteien und Listen sehen die neue Vielfalt mit gemischten Gefühlen. „Ich hoffe, dass wir unsere Zeit nicht mit Lagerkämpfen vertun werden“, sagt Ute Ulfert, die die um zwei Sitze geschrumpfte CDU-Fraktion leitet. Auch Heinz Franke befürchtet eine stärkere Polarisierung und sieht die Gefahr einer Spaltung: „Wenn wichtige Entscheidungen künftig mit 13:12 Stimmen getroffen werden, würde das der Stadt nicht gut tun.“ Charlotte Klinghoffer von Bürgerforum/FDP kann dem Umbruch aber auch etwas Positives abgewinnen: „Es wird komplett anders werden, aber frischer Wind tut immer gut.“

Grüne wollen Schweizer als OB-Stellvertreter

Der Kampf um Posten und Sitze hat schon vor der konstituierenden Sitzung begonnen. Interessant sind für die Parteien vor allem die Sitze in den drei wichtigsten Ausschüssen. Um ihren Einfluss in den jeweils zwölfköpfigen Gremien zu vergrößern, haben sich die Grünen und die Backnanger Demokraten auf eine sogenannte Zählgemeinschaft geeinigt. Anders als bei einer Fraktionsgemeinschaft handelt es sich dabei um eine eher lose Verbindung. Bei der Verteilung der Ausschussplätze werden die Wählerstimmen beider Listen aber trotzdem zusammengerechnet. Die Folge: Die Grünen sind im Sozialausschuss und im Ausschuss für Technik und Umwelt künftig mit drei statt nur mit zwei Stadträten vertreten, und Volker Dyken von den Backnanger Demokraten, der sonst leer ausgegangen wäre, erhält einen Sitz im Finanz- und Verwaltungsausschuss. Leidtragende ist die CDU, die in den drei Ausschüssen jeweils einen Sitz weniger erhält (drei statt vier). Speziell bei den Themen Umwelt und Klima habe man große Übereinstimmungen mit Volker Dyken festgestellt, erklärt die neue Grünen-Fraktionsvorsitzende Melanie Lang. Gemeinsam mit dem ehemaligen OB-Kandidaten wolle man deshalb ein „Umwelt- und Klimabündnis“ bilden, sagt Lang. Die 30-Jährige tritt die Nachfolge von Willy Härtner an. Der bisherige Fraktionschef betont, er habe diesen Generationswechsel selbst vorgeschlagen und trete freiwillig ins zweite Glied.

An der Spitze der anderen Fraktionen bleibt alles beim Alten. Ulfert und Franke sollen am Donnerstag auch wieder zu ehrenamtlichen OB-Stellvertetern gewählt werden. Eine Überraschung deutet sich aber bei der Besetzung des dritten Stellvertreterpostens an. Die Grünen, die das Vorschlagsrecht haben, wollen nämlich kein Mitglied aus ihrer eigenen Fraktion nominieren, sondern Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative Backnang (CIB). Die eigenen Stadträte seien beruflich zu stark eingespannt, um dieses Amt zu übernehmen, erklärt Melanie Lang: „Mit Herrn Schweizer schlagen wir deshalb ein langjähriges Mitglied des Gemeinderats vor, das diese Aufgabe mit Herzblut und menschlich kompetent übernehmen wird“. Dass Schweizer quasi als Gegenleistung eine geplante Zählgemeinschaft von CIB und SPD abgesagt habe, bestreitet Lang: „Wir haben das nicht von ihm gefordert.“

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Erstellt:
16. Juli 2019, 06:00 Uhr

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