Gesetzliche Krankenkassen rutschen wieder ins Minus

dpa Berlin. Eine gute medizinische Versorgung kostet Geld. Die Kassen haben dafür nach langer finanzieller Stabilität nun aber wieder mehr ausgegeben, als sie einnahmen. Was bedeutet das für die Beiträge?

Krankenversicherungskarten. Foto: Angelika Warmuth/dpa/Archiv

Krankenversicherungskarten. Foto: Angelika Warmuth/dpa/Archiv

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind im vergangenen Jahr erstmals seit 2015 wieder ins Minus gerutscht. Unterm Strich stand ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro, wie das Bundesgesundheitsministerium am Freitag nach vorläufigen Zahlen mitteilte.

Im Jahr 2018 waren noch zwei Milliarden Euro Überschuss verbucht worden. Die Rücklagen schmolzen von 21 Milliarden Euro auf 19,8 Milliarden Euro Ende vergangenen Jahres. Das entsprach im Schnitt aber immer noch etwa dem Vierfachen der vorgeschriebenen Mindestreserve, wie das Ministerium betonte. Die Kassen warnten vor weiteren Mehrausgaben durch neue Gesetze. Offen sind auch die Kosten, die wegen des Coronavirus auf das ganze Gesundheitswesen zukommen.

Dass die Finanzlage der 109 gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) mit ihren 57 Millionen Mitgliedern schwieriger wird, hatte sich schon länger abgezeichnet. Die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sprach nun von einem „besonders alarmierenden“ Defizit, da die derzeit noch brummende Konjunktur für Rekordeinnahmen gesorgt habe. Sie stiegen laut Statistik um 3,8 Prozent auf 250,4 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite legten die Ausgaben aber stärker um 5,2 Prozent auf 251,9 Milliarden Euro zu.

Minister Jens Spahn (CDU) sagte dennoch mit Blick auf die gesamte Finanzlage samt Rücklagen, die aktuellen Zahlen zeigten in die richtige Richtung. „Die Beitragszahler profitieren von niedrigeren Zusatzbeiträgen, weil Krankenkassen endlich ihre übermäßig hohen Finanzreserven abbauen. Und gleichzeitig kommen auch die notwendigen Leistungsverbesserungen bei den Versicherten an.“

Fast alle Ausgabenblöcke des Gesundheitswesens wuchsen im vergangenen Jahr an. So stiegen die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen um 3,9 Prozent auf 80,9 Milliarden Euro - das sind knapp ein Drittel der Gesamtausgaben. Für ambulante ärztliche Behandlungen etwa in Praxen gaben die Kassen 45,6 Milliarden Euro (plus 4 Prozent) aus. Beim drittgrößten Kostenblock, den Arzneimitteln, gab es eine Steigerung von 5,6 Prozent auf 43,4 Milliarden Euro - den stärksten Anstieg darunter bei Schutzimpfungen mit 17,5 Prozent. Ihre Verwaltungskosten haben die Kassen um 1,9 Prozent auf 11,2 Milliarden Euro gesenkt.

Mit Mehrausgaben schlugen auch Gesetze der großen Koalition zu Buche, die die Versorgung verbessen sollen - etwa für mehr Pflegepersonal, schnellere Arzttermine oder zu Heilmitteln wie Krankengymnastik und Massage. Die Kassen mahnen, das Defizit von 2019 sei „ein Fingerzeig“ an die Politik, dass sie mit Gesetzen direkten Finanzeinfluss nehme.

Für die meisten Beitragszahler ist die Lage vorerst stabil. Zum Jahreswechsel blieb für 95 Prozent der Mitglieder der Zusatzbeitrag gleich, den die Kassen selbst festlegen können - für einige gab es eine Anhebung oder eine Senkung. Im Schnitt wird laut Ministerium aktuell weiter ein Zusatzbeitrag von 1,0 Prozent erhoben. Dabei hatte es als durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz - der zur Orientierung dient - für 2020 noch eine Steigerung auf 1,1 Prozent vorgesehen. Der Gesamtbeitrag umfasst daneben den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent.

Um Anhebungen im Wettbewerb jetzt zu vermeiden, gingen demnach viele Kassen an ihre Rücklagen. Ab diesem Jahr greift außerdem eine Pflicht, dass Kassen mit sehr großen Finanzpolstern Reserven abbauen. GKV-Chefin Pfeiffer sagte: „Bei aller Freude über die stabilen Beiträge Anfang dieses Jahres muss man davon ausgehen, dass es ab 2021 sicherlich schwieriger werden wird“. Viele Gesetze führten zu dauerhaft höheren Ausgaben. „Und wenn die Rücklagen erst einmal aufgebraucht sind, führt kein Weg an höheren Beiträgen vorbei.“

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Erstellt:
6. März 2020, 17:31 Uhr

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