Geständnis verhilft zur Bewährungsstrafe

Eine 18-jährige Frau wurde zur Prostitution gezwungen. Ein 30-jähriger Feinwerkmechaniker gesteht rechtzeitig die Sache ein.

Geständnis verhilft zur Bewährungsstrafe

© okanakdeniz - stock.adobe.com

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Schöffengericht haben sich ein 30-jähriger Feinwerkmechaniker und ein berufsloser 24-Jähriger zu verantworten, weil sie eine 18-Jährige zur Prostitution gezwungen haben sollen.

Mit der Anklageschrift skizziert der Staatsanwalt die Tatvorwürfe. Dann das übliche Prozedere: Der Richter fragt, ob sich die Angeklagten zur Sache und zu ihrer Person äußern wollen. Als der Verteidiger des älteren Angeklagten Angaben zur Sache verneint, fährt ihm der Staatsanwalt in die Parade. Er hält die Verweigerung angesichts der Aktenlage für ein Unding. Der Richter pflichtet dem Anklagevertreter bei: Ein aufgrund der Faktenlage spät erfolgendes Geständnis sei quasi ohne Wert. So wird nach gerade mal einer Viertelstunde die Verhandlung unterbrochen. Der Feinwerkmechaniker und sein Anwalt ziehen sich zur Beratung zurück.

Eine halbe Stunde später widmet sich das Schöffengericht zunächst dem jüngeren Angeklagten. Sein Verteidiger betont, dass sein Mandant nur eine marginale Rolle in der Sache gespielt habe. Er war an dem, was die 18-Jährige durch Prostitution erwirtschaftete, nicht beteiligt. Auch habe er auf die 18-Jährige nicht nötigend eingewirkt. Das Schöffengericht folgt schließlich dieser Darstellung und stellt das Verfahren gegen den 24-Jährigen unter Auferlegung einer Geldbuße von 1500 Euro ein.

Der Verteidiger des älteren Angeklagten räumt die gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe ein. Mit diesem durch den Rechtsanwalt vermeldeten Geständnis wird die sogenannte Beweisaufnahme erheblich verkürzt. Insbesondere wird dem Opfer eine Aussage vor Gericht und damit eine erneute Konfrontation mit dem Geschehen erspart. Allein, der Richter will wissen, wie man auf die Idee kam. Der Angeklagte bekennt, dass er das selber nicht mehr weiß.

Neben seinem Brotberuf hatte der Feinwerkmechaniker noch als Türsteher bei einer Discothek gearbeitet. In dieser Eigenschaft lernt er die 18-Jährige kennen. Schnell entwickelt sich aus dem Kennenlernen eine Beziehung. Im Februar 2018 wendet sich das Miteinander der beiden. Angeblich durch einen Erotikfilm inspiriert, möchte der 30-Jährige, dass die 18-Jährige anschaffen geht. Die anfängliche Ablehnung der Frau wird durch die Behauptung des 30-Jährigen, sie habe dies als Liebesbeweis zu erbringen, überwunden. Als „Loverboy-Masche“ hatte dies der Staatsanwalt tituliert. Aber der 30-Jährige versteht es auch, die Gefühlslage der jungen Frau geschickt auszunutzen. Die 18-Jährige ist durch die Ermordung ihrer Mutter, Aufenthalt in verschiedenen Pflegefamilien und sexuelle Misshandlung schwer traumatisiert. Ein Profil der 18-Jährigen stellen die beiden Herren ins Internet. Und freuen sich, dass bereits am zweiten Tag nach Veröffentlichung über 670 Anfragen vorliegen.

Mithilfe einer Anzeige befreit sich die 18-Jährige aus ihrem Schicksal.

Immer wieder zitiert der Richter im Lauf der Verhandlung aus den Chatnachrichten, die zwischen dem Hauptangeklagten und seinem jüngeren Mitwisser hin- und hergingen. Sie offenbaren, wie abfällig die beiden Herren über ihr Opfer dachten. Mit Drohungen wurde die junge Frau zudem gefügig gemacht.

Die junge Frau ekelt sich zunehmend vor ihren „Diensten“. Die eine oder andere Dienstleistung täuscht sie vor und liefert dem 30-Jährigen Erspartes ab. Da verständlicherweise keine Quittungen vorliegen, schätzt die Polizei den von der 18-Jährigen erbrachten „Gewinn“ auf 6000 Euro. Während die 18-Jährige sich preisgibt, fantasieren ihre „Dienstherren“, so die Chats der beiden, über die Anschaffung von hochpreisigen Autos und Motorrädern. Im Dezember 2018 befreit sich die 18-Jährige aus ihrem Schicksal, indem sie den 30-Jährigen wegen Erpressung anzeigt.

In seinem Plädoyer geißelt der Staatsanwalt das perfide Vorgehen des 30-Jährigen. Mit zwei Jahren Gefängnis seien die Taten zu ahnden, dem Strafmaß, das gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Verteidiger des Angeklagten stimmt dem Strafmaß zu. Nur die Geldbuße von 6500 Euro, die der Staatsanwalt auch noch genannt hatte, will er auf 4000 Euro ermäßigt haben.

Nach kurzer Beratung das Urteil: Wegen Zwangsprostitution und Zuhälterei erhält der Angeklagte zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung. Zusätzlich als Auflage eine Geldbuße von 5000 Euro.

In seiner Urteilsbegründung wird der Richter grundsätzlich. Aus purer Geldgier habe der eben Verurteilte die psychisch angeschlagene und emotional abhängige Frau in die Zwangsprostitution getrieben: „Sie sitzen zu Recht hier. Wenn Sie sich nicht geständig eingelassen hätten, hätte ich Sie nach allen Regeln der Kunst aufgrund der vielen Chatprotokolle filetiert.“ Der sich bei alledem unbewegt gebende 30-Jährige verständigt sich kurz mit seinem Verteidiger. Und da der Staatsanwalt auch nichts einzuwenden hat, wird auf Rechtsmittel verzichtet. Das Urteil ist sofort rechtskräftig.

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Erstellt:
13. April 2021, 06:00 Uhr

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