Gestaltungswille in den Genen

Als Sohn eines Bürgermeisters ist Maximilian Friedrich aufgewachsen, mit 25 Jahren wurde er selbst einer. Nach fast neun Jahren in Berglen zieht es ihn nun ins Rathaus seiner Geburtsstadt Backnang. Seine Kandidatur bezeichnet er als „Herzensangelegenheit“.

OB-Kandidat Maximilian Friedrich (links) im Gespräch mit Spielwarenhändler Matthias Wiedmann. Im Falle eines Wahlerfolgs will sich der 33-Jährige für eine Belebung der Backnanger Innenstadt einsetzen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

OB-Kandidat Maximilian Friedrich (links) im Gespräch mit Spielwarenhändler Matthias Wiedmann. Im Falle eines Wahlerfolgs will sich der 33-Jährige für eine Belebung der Backnanger Innenstadt einsetzen. Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Der Wahlkampf in Backnang ist für Maximilian Friedrich auch eine Reise in die Vergangenheit. Bei Spielwaren Wiedmann ist er als Kind oft mit seinem Vater gewesen. Wenn er zum Beispiel aus der Schule eine gute Note mit nach Haus gebracht hatte, durfte er sich hier manchmal etwas aussuchen. Beim Aufräumen hat Friedrich kürzlich sogar noch eine Plastiktüte aus dieser Zeit gefunden – orange und grün gestreift.

Inzwischen ist aus dem kleinen Max von damals ein gestandener Bürgermeister geworden, der nach neun Jahren im Rathaus von Berglen gerne in das seiner Geburtsstadt Backnang wechseln würde. Auf dem Weg dorthin macht er nun wieder im Spielwarenladen Station – nicht um einzukaufen, sondern um sich mit den Inhabern über die Situation in der Backnanger Innenstadt auszutauschen. Die macht Friedrich Sorgen: „Wenn ich vergleiche, wie es früher in der Uhlandstraße aussah, hat sich viel verändert“, sagt er. Etliche alteingesessene Händler sind nicht mehr da, die Leerstände nehmen zu. Da sieht der OB-Kandidat Handlungsbedarf: „Eine lebendige Innenstadt liegt mir besonders am Herzen.“

Dass ein rühriger OB da viel bewirken kann, glauben auch Rainer Wiedmann und sein Sohn Matthias. Die Geschäftsleute erzählen, wie sich der Bietigheimer OB Jürgen Kessing persönlich um sie bemüht hat: „Er hat zu uns gesagt: ‚Ich will, dass Sie hierherkommen‘“, erzählt der Seniorchef. Bald darauf eröffnete Wiedmann in Bietigheim eine Filiale.

Aktuell ist die Stimmung bei den Händlern gedrückt: Der Lockdown wurde verlängert, das Online-Geschäft ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Und dann müssen die Wiedmanns auch noch mit ansehen, wie kaum 100 Meter weiter der Drogeriemarkt Müller Spielwaren verkauft, als sei nichts gewesen. „Da würde ich mir auch mal wünschen, dass unser OB zum Hörer greift und nachfragt, ob das wirklich so gewollt ist“, sagt Matthias Wiedmann. Der OB-Kandidat stimmt ihm zu: „Das ist ein Regelungsfehler. Ich finde das auch hochgradig ungerecht.“

Maximilian Friedrich führt in diesen Tagen viele solcher Gespräche in Backnang. Er besucht Firmen, Vereine, Kirchengemeinden und Ortschaftsräte. Mehr als 100 Termine waren es bereits, seit er Anfang Dezember als Erster seine Kandidatur bekannt gab. „Mit dieser frühen Bewerbung wollte ich zeigen, dass Backnang für mich eine Herzensangelegenheit ist.“ Backnang ist seine Geburtsstadt, die ersten drei Jahre seines Lebens hat er hier verbracht. Auch nach dem Umzug nach Lippoldsweiler blieb er der benachbarten Großen Kreisstadt verbunden.

Nur deshalb habe er sich nun für eine Kandidatur entschieden, obwohl er sich in Berglen sehr wohlfühle und dort erst im vergangenen Juni ohne Gegenkandidat mit 95,91 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde. „Wenn ich es jetzt nicht versuchen würde, würde ich das ewig bedauern“, ist Friedrich überzeugt.

Mit 33 Jahren ist er der jüngste Kandidat im Bewerberfeld, doch er kann schon einiges an Erfahrung vorweisen. Nach seinem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt arbeitete er zunächst als stellvertretender Kämmerer bei der Gemeinde Althütte, 2012 bewarb er sich dann als Bürgermeister in Berglen und setzte sich gegen vier Mitbewerber durch. Mit 25 Jahren und drei Monaten war er damals der jüngste Bürgermeister in ganz Deutschland. Ein Titel, auf den Friedrich allerdings keinen großen Wert legte: „Das Alter sagt ja nichts darüber aus, wie gut man seinen Job macht.“

Viel lieber spricht er deshalb über das, was er in den vergangenen neun Jahren in der ländlichen 6000-Seelen-Gemeinde mit ihren 21 Teilorten bewegt hat. Als er gekommen sei, habe sich Berglen in einer Abwärtsspirale befunden: Die Einwohnerzahl ging zurück, drei Kindergärten und zwei Schulstandorte hätten bereits schließen müssen. „Diese Entwicklung haben wir umgekehrt“, sagt Friedrich.

Der Bürgermeister entwickelte Neubaugebiete für junge Familien und barrierefreie Wohnungen für Senioren. Mit einer Grundstücksbörse auf der Gemeindehomepage brachte er Baulücken im Ort zur Vermarktung. Heute habe die Gemeinde 550 Einwohner mehr als bei seinem Amtsantritt. Stolz ist der Bürgermeister auch auf seine Erfolge beim Breitbandausbau: Als er nach Berglen kam, habe die Hälfte der Gemeinde nur eine Bandbreite von zwei Megabit pro Sekunde gehabt. Heute seien es überall mindestens 100 Megabit. Und das soll noch nicht das Ende sein: „Das Ziel ist Glasfaser in jedem Haushalt.“

Persönlicher Wertekompass statt Parteiprogramm.

Solche Erfolge motivieren den jungen Rathauschef und sie sind auch der Grund, warum er sich für den Beruf des Bürgermeisters entschieden hat. „Es gibt kaum ein Amt, in dem man so viel gestalten kann“, sagt Friedrich, der früher auch mal mit dem Gedanken gespielt hatte, Journalist zu werden. Stattdessen trat er dann aber doch in die Fußstapfen seines Vaters: Der 2018 verstorbene Peter E. Friedrich war 16 Jahre lang Bürgermeister in Auenwald. Kommunalpolitische Themen seien in seiner Kindheit deshalb auch oft am Esstisch besprochen worden, erinnert sich der einzige Sohn.

Auch dass der Beruf eines Bürgermeisters keine geregelten Arbeitszeiten kennt, war Maximilian Friedrich vertraut. Es schreckte ihn nicht ab: Um den Wahlkampf in Backnang mit seinen Amtsgeschäften in Berglen vereinbaren zu können, arbeitet der junge Vater momentan an sieben Tagen in der Woche, oft bis in den späten Abend. Obwohl die Politik in seinem Leben eine wichtige Rolle spielt, ist Friedrich kein Parteimitglied. Auch im Wahlkampf betont er seine Unabhängigkeit: „In der Kommunalpolitik sollte es um die besten Lösungen vor Ort gehen. Das passt nicht mit einem Parteiprogramm zusammen“, findet der OB-Kandidat, der sich selbst als Wechselwähler bezeichnet. Stattdessen will er lieber mit persönlichen Werten punkten: Familie, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit – das seien Ideale, die ihm wichtig sind. Auf kommunaler Ebene ist Friedrich trotzdem gut vernetzt. Seine politische Heimat sind die „Freien Wähler“: Seit 2014 ist er deren Kreisvorsitzender, seit Anfang des Jahres leitet er auch die 18-köpfige Kreistagsfraktion. Mit den „Freien Wählern“, die nun bei der Landtagswahl antreten, habe er aber nichts zu tun.

Im Spielwarenladen der Familie Wiedmann fachsimpelt Maximilian Friedrich inzwischen mit dem fast gleich alten Matthias Wiedmann über das Spiel „Siedler von Catan“. Wenn die Coronaverordnung es nicht gerade verbietet, treffen sich seine Frau und er regelmäßig mit Freunden zu Spieleabenden: „Ich bin ein sehr geselliger Mensch“, sagt der 33-Jährige über sich selbst. Auch als Bürgermeister von Berglen sei die Eröffnung des Backnanger Straßenfestes für ihn deshalb immer ein Pflichttermin gewesen. Beim nächsten Mal würde er dort gerne das Fass anstechen.

Gestaltungswille in den Genen

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Erstellt:
18. Februar 2021, 06:00 Uhr

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