Gestörte Hochzeitsvorbereitungen

Nachbar rastet wegen kurzzeitiger Einschränkung aus – Amtsgericht Backnang verhängt Geldstrafe

Der Nachbar hat sich für sein unflätiges, rabiates Verhalten gegenüber einem Bräutigam nicht entschuldigt. Deshalb kommt der Fall vor den Kadi. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeniz

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Der Nachbar hat sich für sein unflätiges, rabiates Verhalten gegenüber einem Bräutigam nicht entschuldigt. Deshalb kommt der Fall vor den Kadi. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeniz

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Backnanger Amtsgericht hat sich ein 73-jähriger Rentner wegen gefährlicher Körperverletzung zu verantworten. Die Nachbarn des Angeklagten, ein 34-jähriger Flaschner und Elektriker und eine 32-jährige Psychologin, wollen heiraten. In Scheune und Garten neben ihrem Haus. Das Haus ist ein altes Haus, von den jungen Leuten liebevoll renoviert. Und es liegt im Ortskern ihres Wohnortes, einem Dorf im Großraum Backnang. Weil man früher platzsparend baute, sind die Nachbarn nicht weit entfernt. An einem Juni-Tag des letzten Jahres sind die letzten Festvorbereitungen im Gange. Dazu zählt, dass ein von der Ortsgemeinde angemieteter Toilettenwagen positioniert wird. Und wo Gäste sich erleichtern, da muss auch etwas abfließen. Kein Wunder also, wenn von besagtem Wagen entsprechende Rohre zur Straßenkanalisation laufen.

Diese Rohre und die räumlichen Gegebenheiten bedingen aber, dass ein Nachbar – der Angeklagte – sein Auto wohl noch in die Garage fahren kann, aber dazu öfter rangieren muss. Sonst kann er immer über den Hofteil des Nachbarn ausweichen und zugegebenermaßen schwungvoller seine Garage erreichen. Aber diese Einschränkung wird man ja wohl für zwei Tage in Kauf nehmen – schließlich heiraten die jungen Leute. Leider war dem nicht so.

Obwohl zuvor in gutem nachbarschaftlichen Verhältnis stehend, echauffiert sich der Nachbar über die Einschränkung. Am Nachmittag mäht er noch seinen Rasen, löscht seinen Durst mit Bier. Doch gegen Abend ist seine Toleranz am Ende. Lautstark beschwert er sich über die Einschränkung. Der Bräutigam wird darauf aufmerksam und nimmt es dem Senior ab, fährt dessen Wagen in die Garage. Aber der denkt nur an den nächsten Tag. Nicht an die Hochzeit, sondern daran, dass er seinen Wagen eventuell aus der Garage herausfahren muss, was noch angehen mag. Aber wieder hineinfahren?

Der Bräutigam und ein Freund desselben, ein 33-jähriger Arzt, versuchen die Sache gütlich zu regeln. Aber da ist der Senior, vielleicht auch alkoholbedingt, zu sehr in Rage. Er stürzt zu seinem in der Garage stehenden Wagen. Seine Ehefrau ahnt Schlimmes, will ihn aufhalten. Leider vergeblich. Er kramt etwas unter dem Sitz hervor, verbirgt dieses hinter seinem Rücken und geht auf die jungen Männer zu. Der Braut, die das aus einiger Entfernung beobachtet, schwant Gefährlichstes. „Der bringt euch um“, soll sie gerufen haben. Sie eilt herbei.

Mehrere Schläge prasseln auf den Bräutigam nieder

Aber da hat der Senior bereits mit einem Stromkabel als eine Art Peitsche ausgeholt. Instinktiv dreht sich der Bräutigam, dem der Schlag galt, weg. Er wird nur am Rücken getroffen. Zwei oder auch drei Schläge prasseln so auf den Bräutigam nieder. Dann wehren sich die jungen Männer, drängen den Senior ab. Der stolpert über einen Blumenkübel, kommt zu Fall. Die Braut nutzt die Gelegenheit, um das Schlagwerkzeug an sich zu nehmen und zu verstecken. Der Bräutigam hilft dem Senior auf, man geht auseinander.

Die Blessuren, die der Bräutigam erlitten hat, halten sich im Rahmen. Tiefer sitzt das Erschrecken über so viel Aggressivität. Das Hochzeitspaar überlegt sogar, ob es die Hochzeit absagen sollte. Wenn schon am Vorabend solches geschieht, was soll erst werden, wenn sie zusammen mit ihren Gästen am nächsten Tag feiern? Ist die nächste Attacke dann zu erwarten? Es kommt nicht dazu. Aber man richtet auch dem Senior deutlich aus, dass man bis Montag eine Entschuldigung von ihm erwarte. Erfolge diese nicht, werde die Sache angezeigt.

Und weil von dem Senior nichts kommt, sieht man sich vor Gericht wieder. Nach des Angeklagten Darstellung war alles ganz anders. Nach verbaler Auseinandersetzung habe man sich gegenseitig geohrfeigt. Und das Kabel habe er zur Selbstverteidigung geholt. Kurz versucht der Verteidiger, seinen Mandanten in einem Gespräch noch umzustimmen. Als die beiden wieder den Saal betreten, gibt es aber keine Erklärung.

Die Staatsanwältin schenkt den Zeugen mehr Glauben als der Version des Seniors. Da der Angeklagte nicht vorbestraft ist, kommt nur eine Geldstrafe infrage. Die Staatsanwältin denkt an 7200 Euro. Der Verteidiger sieht eine Provokation bei den Brautleuten, hätten doch diese gesagt, dass man sich nicht um jede „Prinzessin“ kümmern könne und dass ihr rabiater Nachbar ein „Scherenschleifer“ sei. Auch für den Verteidiger ist die Stromkabel-Peitsche Notwehr-Bewaffnung. Die Richterin sieht es wie die Staatsanwältin. Ist allerdings mit dem Strafmaß moderater: Es wird nun eine Geldstrafe von 4800 Euro. Zusätzlich 500 Euro Schmerzensgeld für den Bräutigam. Mit einer Peitsche zuzuschlagen sei keine Bagatelle, sondern das habe, so sagt die Richterin, etwas Demütigendes.

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Erstellt:
21. Januar 2020, 06:00 Uhr

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