Formel-1-Einstieg von Audi

Der harte Kampf um die klügsten Köpfe der Szene

Audi und Cadillac steigen in die Formel 1 ein – das ist vor allem auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Die Neuen werben von den etablierten Teams Personal ab.

Mit diesem Modell kündigte Audi seinen Formel-1-Einstieg an.

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Mit diesem Modell kündigte Audi seinen Formel-1-Einstieg an.

Von Elmar Brümmer

Der Fahrermarkt der Formel 1 ist, jedenfalls was die Top-Jobs angeht, mit der Vertragsverlängerung für George Russell und Kimi Antonelli bei Mercedes durch. In den Personalabteilungen der Rennställe aber kehrt trotzdem nicht die ersehnte Ruhe ein. Denn ein anderes Transferkarussell dreht sich auch vor dem Großen Preis von Mexiko am Sonntag (21 Uhr, MESZ) besonders heftig: die Nachfrage nach routinierten Technikern und Mechanikern ist enorm hoch. Durch die hohe Spezialisierung im Top-Motorsport sind Kandidaten für diese Jobs natürlich nicht über die Agentur für Arbeit zu bekommen. Gewildert wird deshalb vorzugsweise bei der Konkurrenz, was für die Arbeitnehmer in der Regel mit einer ordentlichen Gehaltserhöhung verbunden ist. Augen auf bei der Berufswahl . . .

Eng umkämpfter Markt

Es geht ausnahmsweise einmal nicht darum, dass sich Giganten wie Mercedes, Ferrari oder Red Bull Racing gegenseitig Top-Leute abspenstig machen. Der Arbeitsmarkt ist vor allem deshalb so eng und umkämpft, weil Sauber zum Jahreswechsel offiziell zum Werksteam von Audi wird und mit Cadillac ein komplett neuer Rennstall die Bühne betritt. Die Konzerne stehen unter Druck, ihre Rennabteilungen auf- und auszubauen, aber sie besitzen auch das nötige Kleingeld. Zusammen ergibt das einen konservativ geschätzten Personalbedarf von mehreren hundert Mitarbeitern, der in der Folge aber auch in den vierstelligen Bereich gehen kann. Top-Rennställe, die auch die hochkomplexen Motoren selbst bauen, beschäftigten zwischen 1500 und 2500 Menschen. Zum Vergleich: als der erste Mercedes-Partner Sauber 1993 in der Formel 1 an den Start ging, beschäftigte das Unternehmen 70 Mitarbeiter, jetzt wird allein für die Schweizer Rennfabrik das Zehnfache angestrebt. Mindestens.

Audi möchte im Rahmen seines Fünf-Jahres-Plans bis zum Titelgewinn bald die magische Tausender-Grenze knacken. Aber es kommt bei den Köderaktionen nicht nur auf die Masse, sondern vor allem auf die Klasse an. Offenbar ist dem Hinwiler Teamchef Jonathan Wheatley, seit 1. April im Amt, dabei ein weiterer Coup gelungen. Der Brite soll bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Red Bull Racing den Nummer-Eins-Mechaniker von Max Verstappen abgeworben haben. Landsmann Matt Caller gilt seit Jahren als Garant für reaktionsschnelle Boxenstopps, er arbeitete zuletzt als Chef der Garagencrew. Diesen Posten soll er im Zuge einer Re-Organisation auch bei Audi einnehmen. Dort trifft er auf seinen alten Kollegen Lee Stevenson, der schon im Januar zu Sauber kam. „Das ganze Projekt nimmt Fahrt auf“, sagt Jonathan Wheatley bescheiden. Aber der Brite ist als konsequenter Stratege bekannt.

Binotto hat übernommen

Parallel zu der Wiedervereinigung der Briten gibt es eine weitere personelle Achse bei Audi. Mattia Binotto als Verantwortlicher für das Formel-1-Projekt des Ingolstädter Herstellers hat seine Beziehungen in die Motorenabteilung von Ferrari spielen lassen, in der er selbst jahrzehntelang tätig war. Die beiden Deutschen Wolf Zimmermann und Lars Schmidt tauschen daher das springende Pferdchen mit den ineinander verschränkten vier Ringen. Zimmermann leitete das Rennmotorenprojekt in Maranello, Schmidt war führend in der Motorenentwicklung. Auch der Windkanalexperte Ioannis Veloudis kommt ins Zürcher Oberland. Ein gewaltiger Knowhow-Transfer.

Das sind Schlüsselpositionen in einem Formel-1-Team, von denen kaum ein Zuschauer etwas ahnt. Personalrochaden werden sonst nur bekannt, wenn es um Teamchefs geht oder den Ausnahmedesigner Adrian Newey, der von Red Bull zu Aston Martin wechselte. Newey allerdings operiert in einer ganz anderen, eigenen Preisklasse, auf Gehaltsscheckhöhe mit einem Lewis Hamilton oder Verstappen. Der Zustrom von Koryphäen bei Audi ist im allgemeinen Kommen und Gehen einer Saison allerdings so bemerkenswert, dass er öffentlich werden musste.

Die Angst vor Abwerbungen

Viele Teams versuchen aus Angst vor Abwerbungen die Namen ihrer Spezialisten möglichst geheim zu halten. Bei Adam Baker ging das nicht. Der Brite hat für Audi in Neuburg an der Donau das Formel-1-Programm aufgebaut, war aber nach Mattia Binottos Verpflichtung gegangen. Inzwischen hat Baker beim Newcomer Cadillac angeheuert, der zwar jetzt im kommenden Frühjahr schon als elftes Team, aber von 2029 an auch mit einem eigenen Motor antreten wird. Die Talentscouts von Cadillac fallen im Fahrerlager durch eine hohe Aggressivität auf.

Kein Wunder, denn der Zeitdruck ist hoch, die Zulassung für das Team kam erst in diesem März. Für den Beginn werden deshalb viele Komponenten zugekauft, so übernimmt das nordamerikanische Team den frei gewordenen Leasingvertrag für Ferrari-Motoren von Sauber. Auch bei den Fahrern geht Teamchef Graeme Lowdon auf Nummer sicher, und hat die vertraglosen Routiniers Valtteri Bottas und Sergio Perez verpflichtet. Doch in kurzer Zeit mussten vor allem Experten gewonnen werden, die anderswo unter Vertrag stehen. Daher hat Cadillac in Silverstone einen Stützpunkt aufgebaut, um auf dem britischen Markt fündig zu werden. Im mittelenglischen „Tal des Motorsports“ sind drei Viertel aller Formel-1-Teams, die meisten Zulieferer und entsprechend viele Spezialisten und Abgänger von technischen Hochschulen zu Hause. Wer den Job wechselt, muss dann nicht mal umziehen.

Zuarbeit für Hinwil und Neuburg

Diesen Talentpool möchte sich künftig auch Audi zunutze machen. Auf halbem Weg zwischen London und Birmingham entsteht ein Technologiezentrum, in dem vornehmlich britische Ingenieure den Standorten Hinwil und Neuburg zuarbeiten. „Wir wollen ein Netzwerk schaffen, das uns vorantreibt“, sagt Binotto.

Es sind vor allem die Menschen, und nicht nur die Maschinen, die diesen Sport antreiben.

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Erstellt:
24. Oktober 2025, 13:52 Uhr
Aktualisiert:
24. Oktober 2025, 17:16 Uhr

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