GEW kritisiert Bildungspolitik: „Gelöst wurde nichts“

dpa/lsw Stuttgart. Ist das Glas halb voll oder halb leer? Bei der Bewertung der Lage an den Schulen gehen die Meinungen weit auseinander. Die GEW fällt ein vernichtendes Urteil über die Kultusministerin - und die wehrt sich.

Eine Lehrerin steht in einem Klassenraum an einer Tafel und schreibt. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/Archivbild

Eine Lehrerin steht in einem Klassenraum an einer Tafel und schreibt. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/Archivbild

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ein Komplettversagen in der Bildungspolitik vor. GEW-Landeschefin Doro Moritz verwies am Mittwoch auf den absehbaren Unterrichtsausfall als Folge des Lehrermangels und auf noch nicht umgesetzte Ankündigungen. Eisenmann ist auch Spitzenkandidatin der CDU zur Landtagswahl 2021. Moritz machte klar: „Ich möchte keine Ministerpräsidentin Eisenmann.“ Ihre Maßnahmen im Bildungsbereich seien an sehr konservative Wähler gerichtet. „Das ist nicht das, was ich mir für unser Land wünsche.“

Nach Moritz Darstellung waren kurz vor den Sommerferien von ursprünglich 1530 freien Stellen an den Grundschulen rund 600 noch nicht mit ausgebildeten Lehrern besetzt. Ähnlich sei die Situation an den Haupt-, Werkreal- und Realschulen: Von rund 1500 freien Stellen seien rund 500 nicht besetzt gewesen. Hingegen seien viele Gymnasiallehrer arbeitslos. Moritz forderte, mit deren Hilfe den Pool von Vertretungslehrern aufzustocken, um Personallücken zu stopfen.

Ministerin Eisenmann erklärte, sie könne die Kritik der GEW nicht nachvollziehen. „Ich bin offen für substanzielle, konstruktive Vorschläge, gerade was die Bewältigung des Lehrermangels oder die Verbesserung von Schule und Unterricht angeht. Aber das vermisse ich weiterhin bei der GEW.“ Pauschale Vorwürfe und Ratschläge, die an der Realität vorbeigingen, brächten das Land nicht weiter. „Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um auf den Lehrkräftemangel zu reagieren.“

Für rund 1,5 Millionen Schüler an den öffentlichen und privaten, den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen beginnt am 11. September der Unterricht wieder - dann enden die Sommerferien. Nach vorläufigen Zahlen sind darunter rund 94 000 Schulanfänger. In Baden-Württemberg unterrichten 109 323 Lehrer an öffentlichen und privaten Schulen. Hinzu kommen fast 27 000 Lehrer an den beruflichen Schulen.

„Die Rahmenbedingungen sind weiter unbefriedigend“, sagte Moritz zur Gesamtsituation. „Gelöst wurde nichts.“ Sie hält der grün-schwarzen Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor, nicht bereit zu sein, eine nachhaltige Bildungspolitik zu finanzieren, die Bildungsbenachteiligung von Kindern abbaue. In einer Zeit, in der Rechtspopulismus, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus zunähmen, sei das verantwortungslos.

Unterstützung für ihre Forderungen bekam Moritz von der Opposition im Landtag. FDP-Bildungsexperte Timm Kern meinte: „Als bildungspolitische Problemlöse-Taskforce werden die Kultusministerin und ihre grün-schwarze Koalition sicherlich nicht in die Geschichte Baden-Württembergs eingehen.“ Auch SPD-Bildungsexperte Daniel Born mahnte: „Seit drei Jahren warten die Schulleitungen auf Entlastung, die Kommunen auf klare Ansagen zur Ganztagsschule und die Schulen selbst auf Mittel für ihre digitale Infrastruktur.“

Auf Kritik stößt bei Moritz insbesondere auch die von Eisenmann angekündigte Vorverlegung des Einschulungsstichtags. „Das ist ein kontraproduktiver Schnellschuss. Kultusministerin Eisenmann übernahm die Forderungen einer Elterninitiative, weil es populär ist und den Kultusetat nichts kostet.“ Die Probleme für die Kommunen und die Kitas, die damit entstünden, seien wohl übersehen worden. „Eine verantwortungsvolle Bildungspolitik muss mit Fachkompetenz pädagogisch sinnvolle Entscheidungen treffen“, mahnte Moritz. „Sie darf sich nicht von Eltern treiben lassen, die ihre Kinder überbehüten und nicht auf die Kompetenz von Profis vertrauen wollen.“

Eine Elterninitiative hat die Vorverlegung des Einschulungsstichtags vom 30. September auf den 30. Juni gefordert. Dagegen waren die Kommunen Sturm gelaufen - sie wiesen auf die zusätzlichen Kitaplätze hin, die mit der Vorverlegung des Termins nötig würden. Daraufhin erklärte Eisenmann, den Stichtag zeitlich gestaffelt in drei Schritten vorverlegen zu wollen. Kinder, die nach dem Stichtag sechs Jahre alt werden, müssen erst im Folgejahr zur Schule gehen.

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Erstellt:
4. September 2019, 15:00 Uhr

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