Biss-Strategien in Highspeed

Giftschlangen: Der tödliche Biss kommt in Millisekunden

Wenn Giftschlangen zubeißen, nutzen sie unterschiedliche Strategien, wie Highspeed-Videos enthüllen. Demnach sind die Vipern am schnellsten: Sie benötigen teilweise nur 22 Millisekunden für ihren Biss.

Bei Nattern wie der Mangrovennatter (Boiga dendrophila) sitzen die Fangzähne weiter hinten am Kiefer, so dass sie ihr Maul weiter aufsperren müssen. Um Zeit zu sparen, reißen diese Giftschlangen daher ihr Maul schon zu Beginn des Zustoßens weit auf.

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Bei Nattern wie der Mangrovennatter (Boiga dendrophila) sitzen die Fangzähne weiter hinten am Kiefer, so dass sie ihr Maul weiter aufsperren müssen. Um Zeit zu sparen, reißen diese Giftschlangen daher ihr Maul schon zu Beginn des Zustoßens weit auf.

Von Markus Brauer

Giftige Schlangen sind eine Gefahr für rund sechs Milliarden Menschen weltweit. Jeden Tag werden fast 7400 Menschen von Giftschlangen gebissen – 2,7 Millionen Menschen im Jahr. Das Gift kann nicht nur entsetzliche Schmerzen auslösen und bleibende Schäden hinterlassen, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf.

Bis zu 138 000 Menschen sterben weltweit nach einem Biss. 400.000 Menschen behalten bleibende Schäden, darunter Blindheit, Amputationen oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Grund: Weltweit gibt es nicht genügend Gegengift – sogenannte Antivenin.

„Es dauert mehrere Stunden bis Tage, bis man stirbt“

Grundsätzlich können Schlangen ihr Gift dossiert freisetzen. Die Gefährlichkeit des Bisses ist deshalb auch abhängig von der Giftmenge. Ein Beispiel: Wer in Westernfilmen von einer Klapperschlange gebissen, stirbt er innerhalb von Sekunden. Geht es wirklich so schnell zu Ende?

Nein, sagt Uwe Stedtler, Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie und stellvertretender Leiter der Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg, einer Einrichtung des Universitätsklinikums, über die Gefährlichkeit hiesiger Giftschlangen. „Das Sterben zieht sich eine ganze Weile hin. „Es dauert in der Regel mehrere Stunden bis Tage, bis man an einem Schlangenbiss stirbt.“

Wenn es sich um viel und ein starkes neurotoxisches Gift (Nervengift) handelt wie bei der Schwarzen Mamba, Königskobra oder dem Taipan geht es schneller und bei allergischen Reaktionen noch sehr viel schneller. „Die Leute fallen aufgrund des Kreislaufschocks manchmal schon nach Sekunden tot um“, erklärt Stedtler.

So funktioniert die Biss-Straegie von Schlangen

Aber wie funktionert die Biss-Strategie von Schlangen? Wie lange dauert die Attacke? Und welche Unterschiede gibt es bei den verschiedenen Schlangenarten?

  • Der Tötungsbiss der Giftschlangen ist ein perfekt austariertes System:
  • Der Kopf der Schlange schnellt mit hohem Tempo vor, beißt zu und schnellt wieder zurück.
  • Innerhalb von Sekundenbruchteilen durchbohren dabei die Fangzähne der Schlange ihr Opfer und injizieren ihr Gift.
  • Bei Vipern fließt dieses durch das Innere der einklappbaren Fangzähne in die Wunde.
  • Bei den Giftnattern (Elapidae) haben die feststehenden Fangzähne eine außen liegende Giftrinne.

Damit sie feste zubeißen können: 36 Giftschlangen beim Biss-Test

Aber Giftschlangen unterscheiden sich auch darin, wie sie zubeißen und wie schnell ihr Biss dabei ist. „Der Erfolg hängt für eine Giftschlange davon ab, ob sie ihre Beute beißen kann, bevor diese reagiert und flüchten kann“, erklären Silke Cleuren von der Monash University in Melbourne und ihre Kollegen im Fachmagazin „Journal of Experimental Biology“.

Research from a venom laboratory in Paris shows how fast different snake species can strike and deliver their bites. More snake Sssssscience https://t.co/Roekz9vPSkpic.twitter.com/tAlgWVbJQR — BBC World Service (@bbcworldservice) October 28, 2025

Als Beute-Ersatz nutzten die Biologen einen knapp zehn Zentimeter dicken Zylinder aus einem Gel, dessen Konsistenz der von Haut und Muskeln eines Säugetiers ähnelt. Das Gel war auf Körpertemperatur erwärmt und trug zwei aufgemalte Augen, um die Schlange zum Beißen zu animieren.

Im Test filmten die Biologen mit zwei Highspeed-Kameras den Biss von 36 Giftschlangenarten – Vipern, Giftnattern und die Mangrovennatter (Boiga dendrophila) – aus verschiedenen Blickwinkeln.

Wer am schnellsten und explosivsten zubeißt

Und das zeigen die Highspeed-Aufnahmen:

  • Viper, Giftnattern und Nattern beißen auf unterschiedlicher Weise zu.
  • Dabei haben die Vipern den schnellsten Biss: Innerhalb von weniger als 100 Millisekunden schießt ihr Kopf vor und die Gangzähne schlagen in die Beute.
  • Den kürzesten Biss aller Giftschlangen hat dabei die im östlichen Mittelmeerraum heimische Levanteotter (Macrovipera lebetina) mit 22 Millisekunden.
  • Die höchste Spitzengeschwindigkeit beim Zubeißen erreicht die südamerikanische Terciopelo-Lanzenotter (Bothrops asper) mit 3,50 Meter pro Sekunde.
  • Entscheidend für dieses Tempo ist das Beutespektrum: Vipern jagen vorwiegend Säugetiere und damit warmblütige Beute, die sehr schnell auf eine Bedrohung reagieren kann. Deshalb müssen die Schlangen dieser Beute auflauern und dann blitzschnell zuschlagen, bevor sie entkommen kann.

Gift wird in die Beute gepumpt

Giftnattern wie Kobras, Mambas oder Taipane haben eine andere Biss-Strategie entwickelt: „Diese Schlangen krochen oft erst näher an ihre Beute heran, bevor sie zustießen“, berichten die Forscher. Dadurch verkürzen die Giftschlange den Abstand zu ihrer Beute. Erst dann beißen sie zu.

„Nach dem ersten Zubeißen lösen die Giftnattern ihren Biss jedoch mehrfach und beißen wieder zu“, schreiben die Experten. Durch das wiederholte Anspannen und Lösen der Kiefermuskulatur pressen diese Schlangen ihre Giftdrüsen aus und pumpen das Gift förmlich in die Beute.

Die Bewegung von Giftnattern ist weniger explosiv und schnell als bei Vipern. Der Grund: Viele Giftnattern-Arten jagen langsamere und kaltblütige Beute wie Echsen und andere Reptilien.

Einige Giftnattern wie die Todesotter (Acanthophis rugosus) haben einen ähnlich schnellen Biss wie Vipern, da sie auch Säugetieren nachstellt. „Diese auffällige Übereinstimmung deutet auf eine konvergente Evolution in Morphologie, Angriffsstrategie und Bissdynamik hin.“

Nattern reißen große Wunden

Bei Nattern wie der Mangrovennatter sitzen die Fangzähne weiter hinten am Kiefer, so dass sie ihr Maul weiter aufsperren müssen. Um Zeit zu sparen, reißen diese Giftschlangen daher ihr Maul schon zu Beginn des Zustoßens weit auf, wie die Highspeed-Aufnahmen zeigten.

Haben sie dann zugebissen, bewegen die Nattern ihre Kiefer in mahlenden Bewegungen seitwärts und reißen so sichelförmige Wunden in die Haut ihres Opfers.

„Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass dieses Verhalten gefilmt wurde“, berichten Cleuren und ihr Team. „Die größere Wunde stellt vermutlich sicher, dass genügend Gift in die Wundöffnung übertragen wird.“ Insgesamt zeigen die Kameraaufnahmen, wie gut sich die Giftschlangen an ihre Beute, aber auch ihre eigene Anatomie und Größe angepasst haben.

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Erstellt:
29. Oktober 2025, 13:40 Uhr

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