Glasfaser könnte Teilorte 2020 erreichen

Breitbandausbau in Oberschöntal, Stiftsgrundhof, Ungeheuerhof und Horbach kann mit bis zu 90 Prozent bezuschusst werden

Die Breitbandversorgung im Raum Backnang gilt auf den ersten Blick als gut, weil 97 Prozent der Bürger eine Internetgeschwindigkeit von mindestens 50 Mbit pro Sekunde zur Verfügung haben. Das hilft einigen Teilorten aber herzlich wenig, sie kommen zum Teil nicht einmal auf 10 Mbit. Wenn alles gut läuft, könnten eben diese Teilorte bis Ende 2020 an Glasfaserleitungen angeschlossen und aller Probleme auf diesem Feld ledig sein.

Die derzeit miserablen Internetverbindungen in einigen Backnanger Teilorten könnten dank der Glasfasertechnik bald der Vergangenheit angehören. Welches Realisierungsmodell gewählt wird und wie hoch die Förderung ist, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Foto: Imago/Christian Ohde

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Die derzeit miserablen Internetverbindungen in einigen Backnanger Teilorten könnten dank der Glasfasertechnik bald der Vergangenheit angehören. Welches Realisierungsmodell gewählt wird und wie hoch die Förderung ist, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Foto: Imago/Christian Ohde

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Konkret geht es um die Breitbandversorgung in den Teilorten Oberschöntal, Stiftsgrundhof und Ungeheuerhof sowie des Weilers Horbach. In diesen Orten ist die Internetverbindung so schlecht, dass etwa Online-Banking nicht zuverlässig möglich ist, immer wieder reißt die Verbindung ab, so die Schilderung von Wirtschaftsförderer Ralf Binder. Zum Teil funktioniert nicht einmal der E-Mail-Verkehr. Aus Oberschöntal liegt Binder eine Unterschriftenliste mit 24 Namen vor, „das sind so gut wie alle Einwohner“. Und auch vom Stiftsgrundhof gibt es insgesamt 15 Unterschriften. Binder räumte ein: „Dieses Gebiet ist grottenschlecht versorgt.“ Gleichzeitig sind die Bewohner aber sehr darauf angewiesen. Binder listete zum Beispiel auf, dass angesichts der schlechten Verbindung nicht einmal der Melkroboter eines Landwirts zuverlässig funktioniert, ein Makel, der existenzbedrohend sein kann. Und im Fall der Einwohner von Horbach weiß Binder, dass manche von zu Hause wegfahren, wenn sie Internet nutzen wollen, im Weiler selbst funktionieren nicht einmal die einfachsten Vorgänge.

Wie kann Backnang die Misere in den vier Orten beenden? Derzeit läuft laut Binder ein Markterkundungsverfahren, dessen Ergebnis Ende April vorliegen soll. Falls die Experten darin attestieren, dass im vorliegenden Fall ein Marktversagen vorliegt, dass also kein Netzbetreiber vorhat, die Internetverbindung in den nächsten drei Jahren auszubauen und die Mängel abzuschalten, dann wäre die Voraussetzung erfüllt, in den Genuss einer Förderung zu kommen.

Wahl zwischen Betreibermodell oder Wirtschaftslückenmodell

Und diese Förderung hat es in sich. Binder rechnete vor, dass es über das Programm Next-Generation-Access (NGA) 50 Prozent Zuschuss vom Bund geben wird, dazu kommen noch 40 Prozent vom Land. Für Backnang beträgt die maximale Förderhöhe 30 Millionen Euro. Selbst was den Eigenanteil von 10 Prozent angeht, ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn auch dann sind noch Kooperationen mit den verschiedensten Netzbetreibern möglich, die ebenfalls einen Teil der Kosten übernehmen. Für Binder steht fest: „Wir wollen Investitionen durch Netzbetreiber erreichen und nur im Notfall selbst bauen.“

Für den Ausbau stellte der Wirtschaftsförderer zwei verschiedene Modelle vor. Beim Wirtschaftslückenmodell baut der Betreiber von sich aus nicht aus, weil es sich für ihn in der Fläche nicht lohnt. Er würde es aber machen, wenn er einen einmaligen Zuschuss bekommen würde. Als Geldgeber wären dabei Stadt, Land oder Bund denkbar.

Beim Betreibermodell verlegt die Stadt selbst Leerrohre oder sogar schon Rohre mit Glasfaserleitungen. Sie kann dabei Synergieeffekte nutzen, wenn etwa Straßen bereits aus anderen Gründen aufgerissen sind, so wie es zum Beispiel aktuell wegen der Verlegung der Wasserleitungen der NOW der Fall ist. Auch hierfür gibt es Zuschüsse. Allerdings muss die Stadt die Arbeiten und Leistungen ausschreiben und vor dem Baubeginn vergeben. Grundsätzlich können dabei alle Betreiber zum Zug kommen. Die Stadt ist dann verpflichtet, die Leitungen für sieben Jahre zu verpachten.

Wie und wo wird das Kabel verlegt? Auch hierbei gibt es zwei Möglichkeiten. Erste Variante: Die Leitung beginnt am Telekom-Hauptverteiler in der Erbstetter Straße. Der Nachteil dabei ist, dass diese Lösung sehr teuer wäre, weil die Leitung über eine weite Strecke verlegt werden müsste. Der Vorteil: Die Telekom muss diesen Zugang gewähren.

Bei der zweiten Variante könnten künftige Anbieter eine Kabelverzweigung nutzen. Vorteil: Die Strecke ist viel kürzer. Der Nachteil laut Binder: „Wir sind dabei auf die Kooperation der Telekom angewiesen.“ Wobei der Wirtschaftsförderer einschränkte: „Es gibt nicht nur die Telekom, es gibt hier in der Region auch die Firma Wisotel oder die Deutsche Glasfaser Holding oder Unitymedia.“ Und im Falle von Wisotel ergänzte Binder: „Da ist die Strecke noch kürzer.“

Binder: Die gute Ausgangslage im Stadtgebiet ist vergänglich

Das Jahr 2019 wird aufgrund der komplexen Materie das Jahr der Vorbereitung sein und erst 2020 das Jahr der Umsetzung, so Binder. Diese Geschwindigkeit des Ausbaus fiel bei Gerhard Ketterer (CDU) nicht auf Wohlwollen: „Die Betroffenen werden es nicht gerne hören, dass sich der Ausbau noch bis Ende 2020 hinzieht, auch wenn das Thema zugegebenermaßen sehr komplex ist. Aber so lange können manche Unternehmen oder Mieter nicht warten.“ Deshalb hakte auch Oberbürgermeister Frank Nopper nach: „Ist eine Beschleunigung möglich?“ Doch Binder wiegelte unmissverständlich ab: „Das Verfahren legt uns Fesseln an. Und dieses Verfahren ist zwingend vorgeschrieben, sonst gibt es keine Förderung. Da ich keine Erwartungen wecken möchte, die ich nicht halten kann, sage ich ganz klar: Nein, es geht nicht schneller.“ Ute Ulfert (CDU) zog aus dieser Aussage die Konsequenz: „Dann müssen wir Gas geben, damit wir den Förderantrag stellen können. Denn eines ist klar: Ohne Förderung geht es nicht.“ Sie lobte Binder, der sich im Dickicht der Bürokratie bestens auskenne, und erklärte, es sei gerade deshalb wichtig, einen geeigneten Nachfolger für den scheidenden Wirtschaftsförderer zu finden. Denn es sei von großer Bedeutung, den Verhandlungspartnern auf Betreiberseite auf Augenhöhe begegnen zu können. Heinz Franke (SPD) unterstützte den Vorstoß: „Irgendwann wird eine gute Breitbandversorgung zu einem Grundrecht werden. Deshalb ist es wichtig, dass es jetzt vorangeht.“ Grundsätzlich favorisierte er das zweite Modell, „da hat man mehr Varianten und ist nicht auf einen Monopolisten angewiesen“.

Noch ist die Breitbandversorgung im Raum Backnang gut, weil jede Verbindung über 50 Mbit/s als leistungsstark gilt. Doch Ralf Binder warnte: „Die gute Situation ist aufgrund der ständigen Weiterentwicklung vergänglich und könnte bald Schnee von gestern sein.“

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Erstellt:
16. April 2019, 06:00 Uhr

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