Go-Ahead: Noch besteht Hoffnung

Viele Startschwierigkeiten, aber leichte Tendenz nach oben: Ein Gespräch mit Go-Ahead-Sprecher Erik Bethkenhagen

Seit dem 10. Juni fährt auf der Rems-schiene das Unternehmen Go-Ahead statt der Deutschen Bahn – Fahrgäste beklagen übervolle Züge, nicht funktionierende Türen, Verspätungen, Ausfälle, kurzum: All das, was das Zugpendeln schon zu Bahnzeiten so zermürbend machte. Aber woran liegt’s – und besteht Hoffnung auf Besserung? Eine Bestandsaufnahme.

Deutlich stabiler als zu Beginn, aber immer noch nicht ganz rund: Go-Ahead versucht, den Betrieb immer weiter zu verbessern. Foto: privat

Deutlich stabiler als zu Beginn, aber immer noch nicht ganz rund: Go-Ahead versucht, den Betrieb immer weiter zu verbessern. Foto: privat

Von Peter Schwarz

WAIBLINGEN. Eines ist bei Go-Ahead jetzt schon besser, als es bei der Deutschen Bahn je war: die Informationspolitik gegenüber der Presse. Kaum fragt man nach Statistiken zu Verspätungen und Zugausfällen, kriegt man schon eine Datei zugeschickt, und der Ton, den Go-Ahead-Pressesprecher Erik Bethkenhagen anschlägt, klingt auch unvertraut offen. Ja, sagt er, „da braucht man nicht drum herumzureden“. Die ersten zwei Go-Ahead-Wochen auf der Remsschiene nach dem Start am 10. Juni waren „nicht gut“. Phasenweise habe er sich an „Murphy’s Law“ erinnert gefühlt. „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Allerdings: Nicht alle Schwierigkeiten seien „von uns operativ zu verantworten“.

Zugausfälle wegen der technischen Probleme

Das stimmt – nur ein Beispiel, das Bethkenhagen im Telefonat mit der Zeitung noch nicht einmal anspricht: Wenn ein Zug ausfällt, weil es auf der Strecke wieder mal eine der berüchtigten Stellwerk-, Weichen- oder Signalstörungen gibt, kann Go-Ahead nichts dafür – für die Streckeninfrastruktur ist nach wie vor die Bahn zuständig. Es hakte allerdings auch an anderen Stellen seit dem 10. Juni. Ein Überblick:

Der Schweizer Zughersteller Stadler hatte für die modernen Flirt-Triebzüge, die Go-Ahead auf der Remsschiene einsetzt, bis Mai noch keine Zulassung vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Erst auf den letzten Drücker kam grünes Licht, Stadler konnte endlich liefern. Dadurch aber fehlten Go-Ahead die eigentlich nötigen „drei Monate Vorlaufbetrieb“, um Erfahrungen zu sammeln. So weit ist das Go-Ahead nicht anzukreiden, sondern eher Stadler. Allerdings, räumt Bethkenhagen ein, wäre es wohl klug gewesen, früh die Notbremse zu ziehen, Plan B zu folgen und zu sagen: Wir besorgen uns ältere Ersatzzüge, fahren mit denen drei Monate lang Probe, starten mit diesem Material auch in den Echtbetrieb und wechseln erst, wenn das Personal auf der Remsstrecke Routine entwickelt hat, auf die Flirts. Go-Ahead aber wollte sich vom Start weg mit ansehnlichem Material präsentieren. „Da waren wir vielleicht einen Tick zu enthusiastisch.“

Nach dem 10. Juni offenbarte sich: Die neuen Flirts von Stadler waren „nicht ausgereift“. Es gab Probleme mit Bremsen und Türen. Immer wieder musste ein Wagen in die Werkstatt. Beim sicherheitsrelevanten Thema Bremsen musste danach erneut das EBA draufschauen, bevor das Material zurück in den Fahrbetrieb gehen konnte. Folge: „Wir mussten teilweise mit kürzeren Zügen fahren“ als geplant, Pendler litten drangvolle Enge.

Bisweilen kam es auch zu Zugausfällen wegen der technischen Probleme. Immer wieder beschwerten sich Reisende: Die Information im Verspätungsfall sei schlecht. Es sei ja verständlich, dass mal ein Zug ausfällt, aber dann wolle man wenigstens wissen, warum, und wie es weitergeht. Nun hat dieses Problem zwar nicht Go-Ahead erfunden, wie jeder Bahnfahrer seit Jahr und Tag weiß. Auf der Remsschiene aber wurde es mit Go-Ahead zunächst jedenfalls nicht besser. Ja, sagt Bethkenhagen, er kenne das, er sei ja selbst Zugfahrer: Wenn er da sitze und irgendwas schiefgehe, wolle er eine „rationale Erklärung“ und transparente Auskünfte. „Ich kann jeden Einzelnen verstehen, der sich massiv ärgert“, wenn er im Dunkeln tappt.

Sieben Tage die Woche rund um die Uhr Arbeit an Verbesserungen

Allerdings: Go-Ahead habe von Anfang an der Bahn jene „Daten geliefert“, die als Grundlage für Bahnsteiganzeigen und -durchsagen dienen. „Wir haben die Pflicht, das durchzugeben, wenn sich Verspätungen ankündigen.“ Anfangs seien diese Infos bei der Bahn aber nicht reibungsfrei verarbeitet worden. Diese Kritik „haben wir deutlich adressiert“. Mittlerweile zeichne sich Besserung ab. Störungen gibt es immer wieder bei den Toilettentüren. Grund: Hinter den Türöffnern stecke eine „hochsensible Sensorik“, man müsse die „nur antippen“. Es gebe jetzt entsprechende Warnschilder.

Eher ein Randproblem sind überlaute Durchsagen in den Zügen. Ein Fahrgast meinte mal, den Pegel habe wohl ein Techno-DJ eingestellt. Bethkenhagen: Das habe man mittlerweile runtergeregelt. Der Trend sei positiv, sagt Bethkenhagen. „Fast 90 Prozent“ der Züge sind entweder pünktlich oder wenigstens nicht mehr als sechs Minuten verspätet – „das ist noch nicht das, wo wir hinwollen“, aber der Betrieb laufe mittlerweile zumindest „deutlich stabiler“ als anfangs. Go-Ahead arbeite sieben Tage die Woche rund um die Uhr an Verbesserungen. Zwischenfazit: Es besteht Hoffnung, dass die Geburtswehen sich nicht chronifizieren. Klar ist aber auch: Wenn an manchen Tagen drei bis fünf Prozent der geplanten Zugkilometer nicht gefahren werden und in der Regel nur etwa 40 bis 50 Prozent der Züge auf die Minute pünktlich fahren, gibt es noch viel Luft nach oben.

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Erstellt:
21. August 2019, 06:00 Uhr

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