Grabplatten von Moos und Flechten befreit
Zum Volkstrauertag ist die Erinnerungsstätte für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs zwischen der alten Friedhofskapelle und der Aussegnungshalle auf dem Backnanger Stadtfriedhof wieder gereinigt worden. Der Steinmetzbetrieb Groß kümmert sich rührig um den Erhalt.

© Alexander Becher
Sind die Platten gereinigt, so ist die Inschrift für einige Zeit wieder gut zu lesen.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Das Gedenken an all die Millionen Menschen, die in den Kriegen der Vergangenheit ihr Leben lassen mussten, steht im Mittelpunkt des Volkstrauertags, den wir morgen begehen. Neben der Trauer soll der Gedenktag gleichzeitig ein Symbol für Frieden und Versöhnung sein. Ein Ort, an dem das Gedenken an die Kriegstoten permanent gepflegt wird, ist auf dem Backnanger Stadtfriedhof unter anderem das symbolische Gräberfeld zwischen der alten Friedhofskapelle und der Aussegnungshalle. Auf knapp 60 Grabplatten stehen die Namen vieler Gefallener und Vermisster aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Viele Backnanger Bürger haben sich in der Vergangenheit um die Pflege des Gedenkortes gekümmert. So etwa in den Anfangsjahren nach dem letzten Weltenbrand die Friedhofsaufseher Franz Gold und Erich Barthau sowie deren Nachfolger. Und seit den 60er-Jahren kümmert sich mit viel Engagement der Steinmetzbetrieb Groß um das Gedenkfeld, immer in Absprache mit den aktuellen Friedhofsaufsehern. Anfangs packte Seniorchef Gerhard Groß mit an, heute Firmenchef Axel Groß. Letzterer erklärt sein ehrenamtliches Engagement so: „Im beruflichen Selbstverständnis als Steinmetz gegenüber Denkmälern und im persönlich empfundenen Respekt gegenüber den Kriegsopfern freue ich mich, einen Beitrag leisten zu können.“ Groß führt die Reinigung auf eigene Kosten aus und erhält kein Geld dafür.
Die alten Inschriften sind
nach der Reinigung wieder gut lesbar
So wurden die Steinplatten dieser Tage wieder gereinigt. Dies war nötig, weil Flechten und Moose und andere Ablagerungen die Inschriften nach einigen Jahren überdecken, sie sind dann nur schwerlich lesbar. Den Hochdruckreiniger muss Axel Groß mit viel Vorsicht bedienen, denn Regen, Frost und Witterung haben die 58 Muschelkalkplatten über all die Jahre angegriffen. Die Schrift wird vor allem dann wieder gut lesbar, wenn zusätzlich der Hintergrund mit Farbe gestrichen und dadurch der Kontrast erhöht wird. Doch das ist mühselige Handarbeit, die viel Zeit beansprucht und nur wenige Jahre anhält.
Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha gibt zu bedenken, dass die Platten schon mehrfach „saniert“ worden sind, dass es aber keine wirklich dauerhafte Methode gebe. Auch Axel Groß erinnert daran, dass es schon Überlegungen gab, Metallbuchstaben auf den Platten anzubringen. Aber dies wurde einhellig verworfen, da dies nicht zum Stil der Tafeln passen und auch nicht dem Zeitgeist entsprechen würde, der vorherrschte, als die Anlage angelegt wurde. Und so ist weiterhin Handarbeit angesagt. In der Vergangenheit haben auch andere Gruppen immer wieder mitgeholfen, die Anlage zu pflegen. So etwa im Jahr 2009 die katholische Jugend im Rahmen ihrer 24-Stunden-Aktion sowie die Pfadfinder.
Im nächsten Jahr jährt sich zum 100. Mal die erste offizielle Feierstunde zum Volkstrauertag. Ursprünglich war er vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Gedenken an die vielen Millionen Opfer des Ersten Weltkrieges eingeführt worden. Rund 9,4 Millionen Menschen starben damals binnen vier Jahren auf den Schlachtfeldern, eine ganze Generation junger Männer wurde ausgelöscht.
Am morgigen Sonntag wird in vielen Gemeinden landauf, landab auf den Friedhöfen der Kriegsopfer gedacht. Zudem gilt Trauerbeflaggung.

© Alexander Becher
Steinmetz Axel Groß führt die Tradition seines Vaters Gerhard fort, sich um das symbolische Gräberfeld zu kümmern. Fotos: A. Becher
Gräber In der südöstlichen Ecke des Backnanger Stadtfriedhofs gibt es einen weiteren Ort des Gedenkens. Im Gegensatz zum symbolischen Gräberfeld sind hier tatsächlich Opfer des Zweiten Weltkriegs begraben. In zwei Reihen stehen die Grabsteine mit Dutzenden Namen. Gedacht wird dabei Soldaten, die im Umkreis gefallen sind, und den Opfern der Luftangriffe.
Soldaten Nach heutigem Kenntnisstand sind zwischen 1939 und 1945 mindestens 933 Soldaten aus Backnang und den Stadtteilen den militärischen Auseinandersetzungen oder deren unmittelbaren Folgen zum Opfer gefallen. 647 Soldaten starben durch direkte Kampfhandlungen oder erlagen Verwundungen oder Krankheiten. Und 202 Soldaten sind bis heute vermisst und wurden zum Teil erst lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für tot erklärt. 84 Soldaten starben in der Gefangenschaft oder an deren Folgen.
Aussegnungshalle Auf insgesamt 14 Tafeln vor der Aussegnungshalle sind die Namen aller Backnanger Gefallenen des Ersten Weltkriegs aufgelistet. Weil die ursprünglichen Bronzetafeln im Mai 2018 mit brachialer Gewalt aus ihren Verankerungen gerissen und gestohlen wurden, mussten sie ersetzt werden. Von den zwölf Haupttafeln sind zehn bereits installiert, die restlichen zwei folgen in den nächsten Wochen. Jede dieser Steintafeln, die vom Backnanger Steinmetzbetrieb Wenzler und Vogt gefertigt werden, ist 1,70 Meter hoch.
Zivilpersonen Bei Luftangriffen in den Jahren 1944 und 1945 starben mindestens 43 Zivilpersonen, wobei der schwerste Luftangriff am 15. April 1945 allein 25 Todesopfer forderte.
Zwangsarbeiter Von den 1500 Zwangsarbeitern, die in den Fabriken und in der Landwirtschaft arbeiten mussten, kamen ebenfalls mindestens 30 ums Leben. Auch von ihnen sind einige in diesem Friedhofsbereich bestattet.
NS-Opfer Mindestens 38 Personen wurden Opfer der NS-Gewaltherrschaft.