In drei Stufen gegen Grabsteine aus Kinderarbeit

dpa/lsw Stuttgart. In Steinbrüchen sollen weltweit Hunderttausende von Kindern arbeiten. Oft werden dort Grabsteine für den Westen bearbeitet. Bislang ist der Versuch gescheitert, diese Steine von Friedhöfen zu verbannen. Nun gibt es einen neuen Anlauf. Aber zufrieden sind die Experten nicht.

Grabsteine stehen auf einem Friedhof. Foto: picture alliance / dpa/Archivbild

Grabsteine stehen auf einem Friedhof. Foto: picture alliance / dpa/Archivbild

Neuer Anlauf im Kampf gegen Grabsteine aus Kinderarbeit auf baden-württembergischen Friedhöfen: Ein mehrstufiges Verfahren zum Nachweis der Herkunft soll Friedhofsträgern und Steinmetzen mehr Rechtssicherheit geben - und illegale Steinarbeiten von den Grabfeldern verbannen. Die Fraktionen von CDU und Grünen haben nach Angaben von Donnerstag einen Entwurf in den Landtag eingebracht, mit dem das bisherige Bestattungsgesetz geändert werden soll.

Denn die Gesetzesnovelle der damaligen grün-roten Landesregierung von 2012 war in den vergangenen Jahren ins Leere gelaufen: Demnach sollte das Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit in die Friedhofssatzung aufgenommen werden können. Gerichte kassierten die schon vorgenommenen Satzungsänderungen der Kommunen allerdings wieder ein, weil es kein anerkanntes Zertifikat für Grabsteine gebe, die ohne die Arbeit von Kindern hergestellt wurden. Daher könne Steinmetzen der Nachweis nicht zugemutet werden. Somit steht es den Steinmetzen in Baden-Württemberg bislang weiter frei, ob sie ihre Steine zertifizieren lassen.

„In der Praxis hat die bisherige Regelung wenig Wirkung gezeigt“, sagt der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Teufel. Für die Kommunen und Religionsgemeinschaften im Südwesten gibt es deshalb derzeit keine Möglichkeiten mehr, vor allem aus Asien stammende Grabsteine aus Kinderarbeit explizit zu verbieten.

„In den Steinbrüchen und Ziegeleien arbeiten Zehntausende von Kindern, oft unter Zwang, ohne Arbeitsschutz und unter ausbeuterischen Bedingungen“, sagt Josha Frey, der europapolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. „Wenn wir hierzulande in einem würdigen Rahmen unserer Verstorbenen gedenken, darf dies nicht auf Kosten dieser Kinder gehen“, fordert er.

Nach dem vorgeschlagenen Verfahren gelten Steine, die nachweislich aus dem Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz stammen, als frei von Kinderarbeit. Bei Steinen aus anderen Herkunftsländern muss dies durch bewährte Gütesiegel nachgewiesen werden. Fehlt einem Steinmetz ein solches Zertifikat, muss er versichern, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die Grabsteine und Grabeinfassungen etwa aus China, Indien, den Philippinen oder Vietnam mit Kinderarbeit hergestellt wurden. Einen ähnlichen Absatz gibt es bereits in Hessen und Bayern.

Der Kinderrechtsexperte Benjamin Pütter (Kindermissionswerk „Die Sternsinger“) besucht und begutachtet Steinbrüche vor allem in Indien seit 20 Jahren. Mit dem neuen Anlauf der baden-württembergischen Fraktionen ist er unzufrieden. Eine „Nebelkerze“ sei das, kritisiert er. Der Gesetzgeber müsse nicht vorschlagen, sondern vielmehr vorschreiben, dass die Kommunen ihre Friedhofssatzungen anpassen müssen. Im Entwurf sei aber nur die Rede davon, dass Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen ein Verbot festgelegen könnten. „Nur wenige Kommunen werden sich daran halten, solange sie nicht müssen“, sagte Pütter. Lösungen auf freiwilliger Basis nützten nichts.

Pütter rät dem Land dazu, sich an der strengen nordrhein-westfälischen Zertifizierungspflicht für bestimmte Länder zu orientieren. Zwischen Rhein und Ruhr müssen Grabmäler und Grabeinfassungen aus Naturstein, die aus China, Indien, den Philippinen oder Vietnam importiert werden, als kinderarbeitsfrei zertifiziert werden. Verstöße dagegen werden mit bis zu 3000 Euro Geldbuße geahndet.

Die meisten Natursteine, die in Europa verbaut werden, stammen nach Angaben der Organisation Fair Stone aus Asien. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden weltweit mehr als eine Million Kinder in Bergwerken oder Steinbrüchen ausgebeutet. Durch die Billig-Produktion verzerrt sich der Wettbewerb erheblich: Nach Angaben Pütters kostet in Deutschland der Stein aus Entwicklungsländern nur halb so viel wie der aus Europa.

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Erstellt:
19. November 2020, 11:50 Uhr

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