Parallelen zu Deutschland
Großbritannien: Messergewalt zur nationalen Krise erklärt
Immer wieder kommen in Großbritannien junge Menschen ums Leben, weil jemand ein Messer zückt. Die Londoner Regierung will gegen Messergewalt vorgehen und setzt dabei auf prominente Unterstützung.
Von Markus Brauer
Großbritanniens Regierung will gemeinsam mit Schauspieler Idris Elba gegen Messergewalt vorgehen. Immer wieder kommen dort junge Menschen ums Leben, weil Täter mit einer Klinge zustechen. Premierminister Keir Starmer wolle mit Elba eine gemeinsame Initiative vorstellen, meldete die britische Nachrichtenagentur PA.
An dem Bündnis sollen sich Innenministerin Yvette Cooper, Initiativen sowie Familien von Opfern und junge Betroffene beteiligen. Auch die Beteiligung von Technologieunternehmen, Sportorganisationen, des Gesundheitsdienstes und der Polizei sei geplant.
„Wir müssen die Ursachen angehen“
Die Initiative soll mit Experten herausfinden, warum junge Menschen in Messergewalt verwickelt werden. „Wir müssen die Ursachen von Messergewalt angehen, nicht nur die Symptome“, teilte Elba nach Angaben von PA mit. Der 52-jährige Schauspieler („Luther“) engagiert sich seit Längerem bei dem Thema.
Premier Starmer sprach von einer nationalen Krise. Als Leiter der Staatsanwaltschaft habe er selbst gesehen, welchen verheerenden Einfluss Messerkriminalität auf junge Menschen und ihre Familien habe, erklärte Starmer. „Das ist eine nationale Krise, die wir mit aller Kraft angehen werden.“
Erschreckende Statistik
Die britische Regierung hatte zuletzt zum Beispiel dazu aufgerufen, sogenannte Zombiemesser mit verzierten Klingen und Macheten vor einer Gesetzesänderung freiwillig und straffrei auf den Polizeiwachen abzugeben.
Von April 2023 bis März 2024 gab es in England und Wales rund 50 500 polizeilich erfasste Straftaten mit einem Messer oder einem scharfen Gegenstand. Damit stieg die Zahl der Messerangriffe das dritte Jahr in Folge und auf den höchsten Stand seit 2019/2020.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Noch hat die Messergewalt in Deutschland nicht das Ausmaß wie in Großbritannien erreicht. Noch, muss man sagen. Denn die Statistik ist auch hierzulande eindeutig: Die Zahl der Gewaltdelikte, bei denen ein Messer eingesetzt wird, steigt. Und das in einem erschreckenden Ausmaß und Tempo.
Die Justizminister der Länder erklärten, dass die steigende Zahl an Straftaten mit Messern „von der Bevölkerung zu Recht als eine ernsthafte Bedrohung ihrer Sicherheit empfunden“ werde. Das war im Juni 2019.
Hat die Verwendung von Messern im öffentlichen Raum zugenommen?
Ja, eindeutig! In Deutschland ist zu einem Anstieg von Messerangriffen insbesondere an Bahnhöfen gekommen. Die Bundespolizei registrierte jüngst in ihrem Zuständigkeitsbereich für die Monate Januar bis August 2024 insgesamt 430 Fälle von Messergewalt an Bahnhöfen – im Vergleich zu 777 im gesamten Vorjahr.
Die Zahlen der Bundespolizei bilden indes nur einen Teil der Taten in Deutschland ab. Sie ist für die Sicherung von Bahnhöfen, Flughäfen und Grenzen zuständig. Die Bundespolizei zählte im ersten Halbjahr neben den Gewalttaten mit Messern 197 weitere Fälle, in denen Messer lediglich mitgeführt, aber nicht eingesetzt wurden. Insgesamt registrierten die Beamten den Angaben zufolge dann 467 Vorfälle mit Messern an Bahnanlagen.
Wie viel Fälle von Körperverletzung mit dem Messer gab es im Jahr 2023?
Nach der für alle Bereiche geltenden polizeilichen Kriminalstatistik lag die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen mit Messern im Jahr 2023 bei 8951 Fällen. Dies waren fast 800 Delikte mehr als im Jahr 2022.
Wie reagiert das Bundesinnenministerium?
Nach einer Reihe von Messerattacken in den vergangenen Monaten hat das Bundesinnenministerium konkrete Pläne zur Verschärfung des Waffenrechts insbesondere mit Blick auf Messer vorgelegt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, sie werde im neuen Waffenrecht „den Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter einschränken“. Ausnahmen sollten lediglich für Haushaltsmesser „in geschlossenen Behältnissen nach dem Kauf“ gelten.
Was fordern die Länder?
Diesbezügliche Verschärfungen werden – insbesondere von den unionsregierten – Bundländern schon seit längerem gefordert worden. Von den Kommunen fordert Faeser, mehr „Waffen- und Messerverbotszonen“ durchzusetzen. Messerverbote müssten „konsequent durchgesetzt werden, so wie es die Bundespolizei mit Kontrollen an Bahnhöfen macht“.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte Faesers Pläne als „Symbolpolitik“. Dass weitere Messerverbote „das Problem der Messerkriminalität lösen können, muss bezweifelt werden. Denn das furchtbare Messerattentat in Mannheim wurde beispielsweise mit einem Messer verübt, dessen Mitführung schon nach geltendem Recht verboten war und ist“.
Wie ist die Gesetzeslage?
In Deutschland sind Erwerb und Besitz bestimmter Messer wie Butterfly-Messer schon jetzt verboten. Ein Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Laut Bundesinnenministerium dürfen zudem Messer mit einhändig feststellbarer Klinge, sogenannte Einhandmesser, sowie feststehende Messer mit einer Klingenlänge von über zwölf Zentimetern (künftig sechs Zentimetern) nicht außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks mitgeführt werden. Verstöße können zu einer Geldstrafe führen.
Wie hoch ist das Strafmaß bei Messergewalt?
Der Einsatz eines Messers kann laut Strafgesetzbuch (StGB) mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Als Mindeststrafe sieht Paragraf 224 StGB („Gefährliche Körperverletzung“) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Schon der Versuch, ein Messer einzusetzen, ist demnach strafbar.
Konkret ist in Paragraf 224 auch nicht von Messern als Tatwerkzeug die Rede, stattdessen ist dort unter anderem der Einsatz einer „Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ aufgeführt. Wenn der Täter den möglichen Tod des Opfers billigend in Kauf nehme, kommt zudem eine Strafbarkeit wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Betracht (mit AFP/dpa-Agenturmaterial).