Felix Banaszak
Grüne in Ostdeutschland: Wenn eine Partei zur Mutprobe wird
In Ostdeutschland fürchten die Grünen um ihre Existenz – und sehen sich zugleich immer häufiger bedroht. Ist das zu retten? Unterwegs vor Ort mit Grünen-Parteichef Felix Banaszak.

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Grünen-Parteichef Felix Banaszak reist in diesen Tagen durch Ostdeutschland. (Archivbild)
Von Rebekka Wiese
Der Mann sagt kein Wort. Eigentlich guckt er nur. Aber er geht auch nicht weg. Seine Haare sind fast kahlgeschoren, die Arme tätowiert, seine Augen liegen hinter einer rot getönten Brille. Felix Banaszak schaut den Mann möglichst wenig an. Was nicht so einfach ist. Denn der hat sich direkt neben dem Grünen-Parteichef aufgebaut. Da steht er nun, er schweigt und schaut. Und wirkt genau deshalb bedrohlich.
Es ist Dienstagmittag in Altenburg, einer Stadt ganz im Osten Thüringens, ein Ort mit vielen Altbauten und Kopfsteingassen. Auf dem Marktplatz von Altenburg ist der Grünen-Bundesvorsitzende Banaszak an diesem Tag mit dem Oberbürgermeister der Stadt verabredet, dem CDU-Politiker André Neumann. Banaszak will mit ihm über die Polarisierung der Gesellschaft sprechen. Und es ist kein Zufall, dass er sich dafür eine Stadt wie Altenburg ausgesucht hat – auch wenn er hier damit rechnen muss, auch unangenehme Begegnungen zu haben. Wie mit dem Mann mit der rot getönten Brille.
2,5 Prozent für die Grünen, 46 Prozent für die AfD
Banaszak reist in diesen Tagen durch Ostdeutschland – dorthin, wo die Grünen zunehmend um ihre Existenz fürchten. Im Wahlkreis, zu dem Altenburg gehört, bekam die Partei bei der Bundestagswahl in diesem Jahr 2,5 Prozent der Stimmen. Die AfD, deren Landesverband in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, schaffte es auf 46 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2024 flogen die Grünen in Brandenburg und Thüringen nicht nur aus den Regierungen, sondern auch aus den Parlamenten.
Einige Grüne fürchten in Thüringen aber um mehr als die Zukunft ihrer Partei. Vergangene Woche wurde ein Brandbrief der Grünen-Kommunalpolitiker Felix Kalbe und Matthias Kaiser aus Gotha öffentlich. Grünen-Mitglied im ländlichen Thüringen zu sein, sei gefährlich geworden, schreiben sie. Sie schildern Ausgrenzung, Bedrohungen und Angriffe – zum Beispiel auf ein Parteimitglied, das kürzlich als „grüne Sau“ beschimpft und geschlagen worden sei.
„Nicht daran gewöhnen, dass Engagement zur Mutprobe wird“
Der Brandbrief sorgt dafür, dass Banaszaks Reise nun viel Aufmerksamkeit bekommt. Doch der Grünen-Chef scheint sich nicht darüber zu freuen. „Wir können uns doch nicht daran gewöhnen, dass demokratisches Engagement zur Mutprobe wird“, sagt Banaszak in Altenburg, als er später mit Neumann, dem Altenburger Oberbürgermeister, im Rathaus sitzt.
Die meisten Menschen in Altenburg scheinen Banaszak nicht zu kennen. Während er mit dem Oberbürgermeister auf dem Marktplatz steht, tritt ein Passant ein paar Schritte heran, der gerade eine Bratwurst isst, die Kameras haben ihn neugierig gemacht. Und klar, den Oberbürgermeister erkennt er sofort. Den habe er selbst gewählt, sagt er – obwohl er bei der Bundestagswahl für die AfD gestimmt habe. Vom Grünen-Chef hat er noch nie gehört. Er hält nicht viel von der Partei. „Das mit dem Klima ist mir zu viel“, sagt er. Womit er vermutlich auf den Punkt bringt, was hier viele denken.
Problem erkannt – doch die Lösung fehlt
Auch Neumann, der in Thüringen als eine der liberalsten Stimmen der CDU gilt, spricht später mit Banaszak über diese Erfahrung. Der Landkreis um Altenburg gehört zu einem der strukturschwächsten Regionen Deutschlands. „Wer die Vorteile der vergangenen Jahrzehnte kaum erlebt hat, dem kann man nicht einfach erzählen, dass jetzt aber mal Zeit für Klimaschutz sei“, sagt Neumann. Banaszak nickt. Das ist bei der Partei inzwischen angekommen. Nur eine Lösung scheint sie noch nicht gefunden zu haben.
Nach Altenburg geht es für Banaszak nach Gera, der drittgrößten Stadt Thüringens, die unter starker Abwanderung leidet. Banaszak hat in eine Kneipe eingeladen, jeder darf kommen und fragen. Der Abend ist überraschend gut besucht, der Raum voll belegt. Anschließend steht Banaszak mit Leuten zusammen, Grüne aus anderen Thüringer Kreisverbänden sind angereist. Darunter ist Felix Kalbe, der Kommunalpolitiker, der den Brandbrief geschrieben hat. Er macht sich keine Illusionen darüber, was so eine Veranstaltung bewirken kann. Aber er sagt auch: „Die Leute müssen uns ja nicht gleich wählen. Es hilft ja schon, wenn sie uns nicht mehr als ihren Feind sehen.“