Grüne Klimaanlagen: Friedhöfe und ihr Öko-Effekt

dpa/lsw Heilbronn. Ein Baum kühlt wie vier Klimaanlagen - und Bäume sind nicht nur in Parks, sondern vor allem auch auf Friedhöfen zu finden. Wie wichtig die Ruhestätten für hitzegeplagte Großstädter sind, werde nicht immer gesehen, sagen Experten.

Friedhof. Foto: Larissa Loges/Archivbild

Friedhof. Foto: Larissa Loges/Archivbild

Auch die Friedhöfe erreicht die Klimadebatte. Deren Auswirkungen auf das Stadtklima würden häufig unterschätzt, sagte Jens Lüdeke, der zu urbanem Raum und Landschaft forscht, bei der Friedhofskulturellen Tagung der Friedhofsverwalter in Heilbronn. Dabei seien in manchen Städten fast 30 Prozent aller Grünflächen Friedhöfe. „Das sind wichtige Flächen was Anpassung und Vorsorge beim Klimawandel angeht.“ Sie sollten unbedingt erhalten bleiben.

„Die Flächen können besonders der Kühlung dienen, weil sie meistens alten Baumbestand haben.“ Bäume werfen Schatten, Pflanzen speichern Wasser und kühlen dank Verdunstung. Laut Lüdeke hat ein Baum die Ku¨hlungswirkung von vier handelsüblichen Wohnungsklimaanlagen. Außerdem kann Begrünung „auch die lufthygienische Situation verbessern“, hieß es in seinem Vortrag am Donnerstag.

Doch Deutschlands Friedhöfe sind im Wandel, wie der Organisator der Tagung, der Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands (VFD), feststellte. Ein Grund: Die Zahl der Urnenbestattung hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen, so VFD-Sprecher Michael Albrecht. „Dadurch wird weniger Platz benötigt. So einen Urnenplatz können Sie auf 20 mal 20 Zentimeter reduzieren in Extremfall.“

Viele Flächen, die in den 50er Jahren für künftige Sargbestattungen frei gehalten worden waren, werden laut Albrecht von den Kommunen freigegeben und teilweise bebaut. „Mit der Wohnungsraumnot sind die Flächen nun sehr begehrt.“ Aber dadurch werde dann auch das Klima in der Stadt verändert und Wohnqualität eingebüßt - neue Probleme würden geschaffen. Die ökologische Funktion der rund 32 000 Friedhöfe in Deutschland müsste in Zukunft besonders gefördert werden.

Etwa durch die Bepflanzung oder indem Wege nicht asphaltiert, sondern offen gestaltet werden. Ein Problem seien sogenannte pflegefreie Gräber, fügte VFD Bundesvorstand Uwe Brinkmann an. „Früher sollte ein Friedhof immer möglichst grün sein, jetzt schlagen wir uns damit rum, dass die Grabflächen teilweise versiegelt werden.“ Im Extremfall setzten Angehörige, die etwa weit entfernt wohnten und eine Beetpflege selbst nicht stemmen könnten, eine schwarze Granitplatte auf das Grab. „Aus Klimaschutzgründen geht das absolut nicht“, so VFD-Sprecher Albrecht. „Die heizen die ganze Umgebung auf.“

In dem Info-Buch „Grün in der Stadt“ des Bundesbauministeriums heißt es: Flächen, die nicht mehr für Bestattungen genutzt werden, „könnten zur Planung und Entwicklung grüner Freiräume herangezogen werden“. Der Bund will das Potenzial von Friedhöfen untersuchen lassen.

Damit parkähnliche Friedhöfe mit vielen Bäumen und Hecken aber auch in Zukunft einen positiven Effekt auf das Stadtklima haben können, müsse aber vorausschauend geplant werden, so Lüdeke: „Man muss viel stärker auf Bäume setzen, die Zukunft haben in 20, 30, 40 Jahren.“ Also auf mediterrane Pflanzen, die mit Trockenheit und Hitze klar kommen.

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Erstellt:
26. September 2019, 17:48 Uhr

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