Oliver Hildenbrand im Schutzraum

Grünen-Politiker aus Baden-Württemberg aus Israel evakuiert

Fünf Tage lang erlebte der Grünen-Innenexperte Oliver Hildenbrand in Israel iranische Raketenangriffe – bis er das Land über Jordanien verlassen konnte.

Explosion nach Einschlag einer iranischen Rakete in Tel Aviv; der Grünen-Politiker Oliver Hildenbrand erlebte diese Nacht in Schutzräumen in der Metropole.

© IMAGO / Anadolu Agency/Imago/Arnulk Hettrich/Collage STZN

Explosion nach Einschlag einer iranischen Rakete in Tel Aviv; der Grünen-Politiker Oliver Hildenbrand erlebte diese Nacht in Schutzräumen in der Metropole.

Von Franz Feyder

Fünf Nächte hat der Innenexperte der Grünen im Landtag, Oliver Hildenbrand, vom 13. bis 18. Juni in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv im iranischen Bombenhagel zugebracht. Aus der zu Pfingsten schon Tradition gewordenen Israel-Reise mit seinem Lebenspartner wurde plötzlich ein Albtraum: Am 13. Juni griff die israelische Luftwaffe mit Jagdbombern und Drohnen militärische Einrichtungen und Anlagen für den Atombombenbau im Iran an. Das Regime der Mullahs schlug umgehend zurück, feuerte Drohnen und Mittelstrecken auf Israel; besonderen auf Tel Aviv. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht Hildenbrand über erlebte Solidarität, das Ausharren im Schutzraum und seine Evakuierung.

Herr Hildenbrand, nach fünf Nächten im vom Iran bombardierten Israel – wie geht es Ihnen?

Gut. Auch wenn ich in meinem bisherigen Leben noch keine auch nur annähernd vergleichbare Situation erlebt habe. Es fühlte sich surreal an. Mein Partner und ich mussten uns immer wieder vergegenwärtigen, dass das gerade wirklich passiert. Auch wenn uns der Ernst der Lage jederzeit bewusst war. Wir konnten den Raketenbeschuss ja mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören. Für uns war immer klar: Wir nehmen jeden Alarm ernst und befolgen alle Sicherheitshinweise.

Wie wurden Sie überhaupt vor anfliegenden Drohnen und Raketen gewarnt?

Es gibt in Israel ein zuverlässiges Warnsystem, das über Alarm-Apps auf dem Handy und mit Sirenen funktioniert. Überall gibt es schnell erreichbare und gut zugängliche Schutzräume. Und es gibt effektive Raketenabwehrsysteme, die zwar leider nicht alle, aber doch viele Raketen abfangen können. Ich habe viel gelernt, was Krisenvorsorge und Resilienz in einer solchen Ausnahmesituation bedeuten.

Wo haben Sie Schutz gefunden?

Bei uns um die Ecke. In einer Tiefgarage unter einem großen Hotel an der Strandpromenade. Dort war viel Platz und es gab kein Gedränge. In einem Schutzraum unter der Erde fühlten wir uns sicherer als in einem Sicherheitsraum in einem Gebäude. Es war sehr bewegend, was für ein Gefühl von Solidarität und Zusammengehörigkeit dort entstanden ist: Wir haben aufeinander aufgepasst. Wenn wir die junge Frau mit ihrem Hund, die immer in unserer Nähe saß, einmal nicht gesehen haben, dann wurden wir unruhig. Bis wir sie an einem anderen Platz doch entdeckt haben. Genauso haben sich andere Menschen um uns gesorgt.

Wie haben Sie das Ende eines Alarms erlebt?

Jede Nacht wurde ja drei, vier Mal Alarm gegeben. Das ist eine sehr anstrengende und belastende Situation. Nach einem Alarm galt die erste Sorge unseren Freunden. Wir haben uns Nachrichten von Bunker zu Bunker geschickt und uns gegenseitig erkundigt, ob alle wohlauf sind. Fast jedes Mal, wenn wir den Schutzraum verlassen haben, kamen die Nachrichten über Zerstörungen, über Verletzte und Tote, über Leid. Am frühen Montagmorgen schlug eine Rakete zehn Gehminuten von uns entfernt in einem Wohnviertel ein. Dass die Zerstörung am Einschlagsort groß ist, ist klar. Aber tatsächlich lässt die Wucht der Druckwelle noch Straßenzüge weiter Scheiben zersplittern. Splitter, die durch die Welle zu Geschossen werden und Menschen verletzen können.

Besteht die Gefahr, dass man sich mit der Zeit an so ein Leben im Bombenhagel gewöhnt?

Es stellt sich schnell eine gewisse Routine ein. Man weiß, was zu tun ist, wenn der Alarm losgeht: Nämlich, sich möglichst schnell auf den Weg zum Schutzraum machen. Spätestens wenn die Sirenen heulen, müssen die Schritte noch schneller werden. Tagsüber versuchen die Menschen einfach, ein bisschen zu leben. Am Strand entlang spazieren, in einem Café sitzen, ein paar Besorgungen machen. Man geht nicht weit weg und weiß immer, wo der nächste Schutzraum ist. Diese Stimmung kann man sich wohl nur schwer vorstellen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Mich hat die Atmosphäre ein bisschen an die Phase der Corona-Pandemie erinnert, in der die ersten vorsichtigen Öffnungsschritte möglich waren. Man tapst sich ein wenig ins normale Leben zurück.

Was macht das mit den Menschen?

Die Menschen in Israel sind das Leben unter solchen verschärften Bedingungen ja leider gewohnt. Doch die Ereignisse der vergangenen Tage haben trotzdem eine neue Qualität. Israel steht so stark unter Beschuss wie selten zuvor. Der Iran bombardiert Israels Bevölkerung. Die iranischen Raketen treffen Wohngebiete und andere zivile Infrastruktur. Das iranische Regime droht dem jüdischen Staat seit Jahrzehnten unverhohlen mit Auslöschung und Vernichtung. Der Weg zur Nuklearbewaffnung ist der Weg in die Apokalypse. Es geht um Israels Sicherheit und Existenz.

Wie haben Sie in Israel den Alltag zwischen den Bombennächten erlebt?

Die Menschen müssen auch Terroranschläge im ganzen Land befürchten. Der mörderische Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 hat die Menschen stark geprägt. Wir dürfen nicht vergessen: Der Iran ist ein weltweit führender Terror-Exporteur und Terror-Finanzierer. Bis heute hat das Mullah-Regime Terrororganisationen wie die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon oder die Huthi im Jemen finanziert und militärisch ausgestattet. Insofern: Die Menschen sind sehr angespannt und wachsam.

Wie äußert sich das?

Die große Anspannung ist bei den Menschen überall zu spüren. Die aktuelle Lage ist körperlich und mental für alle extrem anstrengend. Was mich dennoch beeindruckt hat, ist dieses verbindende Gefühl der Solidarität, ein Bemühen um gegenseitige Rücksichtnahme und die ausgeprägte Hilfsbereitschaft. Im Schutzraum kommen auf und unter der Erde ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Ob jung oder alt, arm oder reich, religiös oder säkular. Alle erleben die gleiche Situation zur selben Zeit. Denn die Bedrohung von außen ist für alle da unten dieselbe. Beim Verlassen des Schutzraum hieß es zum Abschied: „Bis in ein paar Stunden. Passt auf Euch auf!“

Wie sind Sie dann wieder nach Deutschland gekommen?

Mein Partner und ich hatten uns schon vor der Reise auf der Webseite des Auswärtigen Amtes als Israelreisende registriert. Deshalb bekamen wir zum vergangenen Wochenbeginn einen sogenannten Landsleutebrief. Mit ihm hat die Deutsche Botschaft den Registrierten einen Charterflug aus Jordanien zur Mitte der Woche in Aussicht gestellt. Ein Freund unserer Vermieterin hat uns dann am Mittwoch in den frühen Morgenstunden von Tel Aviv zu einem der nördlichen Grenzübergänge nach Jordanien gefahren. Die Ausreise aus Israel und die Einreise nach Jordanien waren glücklicherweise unkompliziert. Mit einem Taxi fuhren wir von der Grenze weiter zum Flughafen nach Amman. Dort nahmen uns Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Empfang. Am Nachmittag ging dann der Sonderflug von Amman nach Frankfurt und dann zurück nach Stuttgart.

Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie jetzt die Ereignisse in Israel?

Unsere Freunde vor Ort haben sich sehr fürsorglich und wirklich rührend um uns gekümmert. Sie haben sich fast mehr Sorgen um uns als um sich selbst gemacht. Auch deshalb ist es schmerzlich zu wissen: Wir sind jetzt raus. Aber sie sind weiterhin mittendrin.

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Erstellt:
24. Juni 2025, 07:14 Uhr
Aktualisiert:
24. Juni 2025, 10:11 Uhr

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