Grünes Licht für verlängerte Betreuung

Gemeinderat beschließt flexible Nachmittagsbetreuung an der Sulzbacher Schule – Abmangel steigt auf 24000 Euro

Symbolfoto: AdobeStock/R. Kneschke

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Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Kaum aus der öffentlichen Gemeinderatssitzung draußen, bricht vor der Türe der Jubel aus: „Juhu, endlich geschafft!“ Fünf Frauen aus dem Elternbeirat der Gemeinschaftsschule verlassen in Feierlaune das Rathaus – fehlen nur noch die knallenden Sektkorken. Jahrelang hatte man sich für verlängerte Betreuungszeiten in der Sulzbacher Schule eingesetzt – in seiner jüngsten Sitzung nun hat der Gemeinderat mit zwei Enthaltungen grünes Licht gegeben. Wobei die Enthaltungen eher die Höhe der Elternbeiträge kritisierten. Kämmerer Sven Wohlfarth stellte die Planung vor.

Zusätzlich zur verlässlichen Grundschule, die nach Förderrichtlinien nur am Vormittag und nur für Grundschüler angeboten werde, soll eine sogenannte flexible Nachmittagsbetreuung in direktem Anschluss und bis 17 Uhr die Betreuung gewährleisten. Da hier die Einschränkungen der Förderrichtlinien nicht gelten, könnten auch Schüler der Klassen fünf und sechs aufgenommen werden. Möglichst jedoch aus Kapazitätsgründen nur an denjenigen Tagen, an denen keine Ganztagesbetreuung durch die Gemeinschaftsschule stattfindet (derzeit also nur am Mittwoch und Freitag). Über alle Klassen hinweg hatten die Eltern bei einer Umfrage im vergangenen Jahr Bedarf angemeldet. „Es sind 42 Schüler angemeldet“, erläutert Wohlfarth die aktuelle Auslastung der verlässlichen Grundschule, „es sind aber nur maximal 20 bis 25 gleichzeitig anwesend“.

Die Betreuungsangebote sollen unabhängig voneinander buchbar sein. Es soll also möglich sein, das Kind nur vormittags oder nur nachmittags in die Betreuung zu schicken, aber auch sowohl als auch. Ebenfalls muss man sich entscheiden, an wie vielen Tage in der Woche das Angebot genutzt werden soll. Je nachdem summieren sich die Elternbeiträge, wobei mit steigender Kinderzahl die einzelnen Beträge sinken.

Einigen Gemeinderäten ist die Belastung der Familien zu groß

Knackpunkt war und ist die Finanzierung des Personals: Statt derzeit rund 10000 Euro jährlich, wird der Gemeinde durch die zusätzliche Betreuung ein Abmangel von mindestens 24000 Euro entstehen. Derzeit sind zwei der drei Mitarbeiterinnen auf geringfügiger Basis eingestellt, hier entstehen also seither keine Lohnnebenkosten. Bei sozialversicherten Beschäftigten und Tariferhöhung könnten es ohne Weiteres auch 10000 Euro Defizit mehr werden. „Und das sind ja nur die laufenden Betriebskosten“, gibt Bürgermeister Dieter Zahn zu bedenken, „nach den Vorschriften der doppischen Haushaltsführung müssten wir sogar vollkostendeckend wirtschaften“.

Um auch nur die laufenden Kosten zu decken, müsste von den Eltern (mit einem Kind) eine monatliche Gebühr zwischen 61 Euro (ein voller Betreuungstag pro Woche) und 224 Euro (vier bis fünf Tage pro Woche) verlangt werden. Auch in anderen Gemeinden würden den Eltern zwischen 190 und 224 Euro monatlich berechnet. „Davon kann ja im berechtigten Einzelfall abgewichen werden“, stellt der Rathauschef eine Härtefallregelung in Aussicht.

Einigen Gemeinderäten erscheint diese finanzielle Belastung für Familien zu groß. Vorgesehen und zur Abstimmung gebracht wurde daher erst einmal ein Gebührenkatalog, der bei einem Kind zwischen 34 und 125 Euro monatlich liegt. Geschwisterkinder liegen noch darunter. Zur möglichen Finanzierung hat sich allerdings Gemeinderat Alexander Hübner schlau gemacht: „Es gibt neuerdings ein Landesprogramm, das auch für die Nachmittagsbetreuung Zuschüsse gewährt.“ Die Antragsunterlagen hat er gleich mitgebracht. „Das muss man dann beim Regierungspräsidium einreichen.“

Abschließend stellt resigniert Edelgard Löffler fest: „Das ist ein Trauerspiel: In anderen Bundesländern wird (wählerwirksam) Betreuung umsonst angeboten. Das zahlen wir im Länderfinanzausgleich mit und müssen es dann (unter Vorwürfen) bei unseren Eltern abkassieren.“ Es wird beschlossen, dass die Verwaltung sich auf die Suche nach Personal machen und ein Betreuungs-ABC erstellen soll. Starten soll das neue Angebot nach den Sommerferien.

Fast zu spät für manche der kämpferischen Mütter draußen vor der Tür. „Wenn ich denke, was ich in den letzten vier Jahren hätte mehr verdienen können, wenn ich die Vollzeitangebote hätte nutzen können“, schüttelt die alleinerziehende Elternbeiratsvorsitzende Tamara Lutz den Kopf. So musste sie täglich um 14 Uhr auf der Matte stehen, wenn ihr Grundschulkind aus der Betreuung entlassen wurde. „Das fehlt mir ja später auch an der Pension.“ Katrin Badmann liebt ihr Kind, aber auch ihren Beruf, in den sie viel investiert hat: „Ich bin wirklich gerne Mutter. Aber wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitzen müsste, wäre ich unerträglich.“ So genießt sie zufrieden die gemeinsame Freizeit mit der Familie nach Feierabend.

„Baden-Württemberg ist da echt altmodisch“, stellt Beiratsvize Evelin Hübner fest, „in unserem Nachbarland Frankreich ist Ganztagesschule seit Jahrzehnten normal“. Auch Kristina Heller findet, dass jede Frau die Möglichkeit haben sollte, selbst zu bestimmen: „Da ist ja jede anders.“ Sie hat heute Abend ihre beiden Kinder zwangsläufig mit in die Gemeinderatssitzung gebracht – Papa hatte einen Termin. Die toben jetzt übermütig vor dem Rathaus. Ihre Tochter freut sich riesig, dass ihre beste Freundin, die auch dabei ist, nun doch mit ihr in Sulzbach eingeschult wird. „Jetzt kann ich sie ja in Unterweissach wieder abmelden“, ist deren Mutter Katja Willett-Hegemann erleichtert. Für die professionelle IT-Fachfrau wäre Teilzeitarbeit nie infrage gekommen und zu den geforderten Betreuungsgebühren merkt sie an: „Das ist hier doch human. Auf meinen Geschäftsreisen hab‘ ich 400 Dollar in den USA und 200 Pfund in Großbritannien gezahlt. In der Woche!“ Je nach Land also 1000 bis 1500 Euro monatlich. Überhaupt: „Die Gebühren sollten nach Einkommen gestaffelt sein“, ist man sich weitgehend einig.

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Erstellt:
24. Februar 2020, 16:00 Uhr

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