Guerilla-Marketing gibt Rätsel auf

Mit Guerilla-Marketing will die Brauerei Wulle an ihre historische Heimat erinnern. Doch das riesige Banner beim Hotel Le Meridien verschwindet über Nacht – und löst eine kuriose Spurensuche aus.

Das Banner am Wulle-Steg beim Hotel Le Meridien war nach vier Tagen plötzlich verschwunden.

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Das Banner am Wulle-Steg beim Hotel Le Meridien war nach vier Tagen plötzlich verschwunden.

Von Uwe Bogen

Stuttgart - Schon vor mehr als 100 Jahren verstand die Brauerei Wulle nicht nur etwas von Bier, sondern auch von Werbung. „Wir wollen Wulle“ – so lautete der legendäre Slogan, der ganz Stuttgart erfasste. Nun sorgt die Traditionsmarke erneut für Gesprächsstoff – diesmal mit einer Guerilla-Marketing-Aktion mitten in Stuttgart. Vier Tage lang hing über dem Wulle-Steg über der Willy-Brandt-Straße beim Hotel Le Méridien ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Wulle“ und einem überdimensionalen Maßkrug. Der Besitzer des Stegs – das Hotel – hatte die Aktion genehmigt. Doch über Nacht verschwand das auffällige, rote Transparent plötzlich – und niemand wusste, wer es entfernt hatte.

Die Brauerei selbst war ratlos. Hatten nächtliche Randalierer das Banner zerstört? War die Stadt beteiligt? Oder gar die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, die derzeit das Cannstatter Volksfest organisiert – auf dem es ein Wulle-Zelt gibt, das von Göckelesmaier?

Wulle-Banner überdeckt – Stadt lässt es entfernen

Unsere Redaktion hat nachgefragt. Stefanie Hirrle, Sprecherin von in.Stuttgart, erklärt: „Zweimal im Jahr beantragen wir bei der Stadt die Genehmigung für unsere Werbebanner an diesem Steg – zum Frühlingsfest und zum Volksfest, was uns jeweils Geld kostet. Unser jüngster, bezahlter Banner hing bereits, als Mitarbeitenden auffiel, dass es von Wulle überdeckt worden war.“ Dies löste bei den Volksfest-Veranstaltern alles andere als Begeisterung aus. Daraufhin habe man die Straßenverkehrsbehörde informiert, die wiederum den städtischen Vollzugsdienst einschaltete, so Hirrle. Dieser ließ das Wulle-Banner schließlich entfernen. In.Stuttgart wisse deshalb nicht, wo es sich derzeit befinde.

„Wulle ins Gedächtnis rufen“: Brauerei überrascht von Stadt

„Uns ging es ausschließlich darum, dass unsere genehmigte und bezahlte Werbung wieder sichtbar wird“, betont Hirrle. „Gegen die Wulle-Aktion selbst haben wir nichts – das Timing war einfach unglücklich.“Ganz anders sieht es die Brauerei Schwabenbräu/Dinkelacker, zu der Wulle gehört. Marketingleiter Felix Durchdewald zeigt sich überrascht, dass die Stadt nicht direkt Kontakt mit der Brauerei aufgenommen hat. „Wir wollten mit der Aktion den historischen Bezug unserer Marke zum Standort Le Méridien hervorheben“, erklärt er. „Schließlich stand hier einst die Wulle-Brauerei. Außerdem wollten wir den Menschen auf dem Weg zum Cannstatter Volksfest Wulle ins Gedächtnis rufen – und sie einladen, im Göckelesmaier-Festzelt vorbeizuschauen.“

Die Brauerei wähle den Weg des Guerilla-Marketings immer wieder, sagt Durchdewald,, um damit „die Kreativität und das Unkonventionelle der Marke Wulle“ zu unterstreichen. Dass das Banner ohne Vorwarnung verschwand, verwundere ihn: „Bis heute wurden wir von keiner städtischen Stelle offiziell darüber informiert.“

Die Aktion knüpft an ein Stück Stuttgarter Biergeschichte an

Die Aktion knüpft an ein Stück Stuttgarter Biergeschichte an: 1859 gründete der Tübinger Brauer Ernst Immanuel Wulle seine Brauerei an der Neckarstraße 60/62 – dort, wo sich heute das Hotel Le Méridien befindet. Wulle machte Stuttgart zu einem Zentrum der Bierkultur, veranstaltete legendäre Tanzabende und prägte das gesellschaftliche Leben im Friedrichsbau mit.

1971 übernahm Dinkelacker die Marke, das Gebäude an der Neckarstraße (heute Willy-Brandt-Straße) wurde abgerissen – die Brauerei verschwand, doch die Erinnerung blieb. Erst 2008 wurde die Marke an der Tübinger Straße wiederbelebt und das traditionelle Bier neu gebraut: Wulle kehrte in der markanten Bügelflasche auf den Markt zurück – und das mit großem Erfolg.

Mit dem verschwundenen Banner zeigt Wulle nun, dass sich Tradition und modernes Marketing nicht ausschließen. Die einen ärgert das unautorisierte Plakat, die anderen schmunzeln über den Mut zur Überraschung. Und wie früher gilt auch heute: Wulle sorgt für Gesprächsstoff – damals mit Sprüchen, heute mit Guerilla-Aktionen.

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Erstellt:
7. Oktober 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
7. Oktober 2025, 23:58 Uhr

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