Hafermilch kommt in Backnang an

Der Verbrauch von Trinkmilch aus Kuheutern sinkt. Gleichzeitig greifen immer mehr Menschen zu Pflanzendrinks. In Backnang gibt es einige Cafés, die ihre Heißgetränke mit Hafer- oder Mandelmilch anbieten, für andere lohnt es sich noch nicht. Selber herstellen geht aber auch.

Auch mit Hafermilch gelingt Bianca Zubke vom Explorer Café ein cremiger Schaum auf dem Cappuccino. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auch mit Hafermilch gelingt Bianca Zubke vom Explorer Café ein cremiger Schaum auf dem Cappuccino. Foto: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang/Weissach im Tal. In Deutschland verliert Kuhmilch zunehmend an Bedeutung. Der Konsum pro Kopf ist auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten, meldet das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) für das Jahr 2021. Die Deutschen steigen zunehmend von der Muttermilch der muhenden Vierbeiner auf pflanzliche Alternativen um. 2021 wurden laut BZfE etwa 296 Millionen Liter Hafermilch nach Deutschland importiert. Das sind etwa 42 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Markt wächst. Auch in Backnang gibt es einige Cafés und Bäckereien, bei denen der Cappuccino mit pflanzlicher Milch erhältlich ist. Das ist nicht nur für Menschen praktisch, die laktoseintolerant sind oder sich aus Gründen des Tier- und Umweltschutzes vegan ernähren möchten. Die vielen Alternativen können auch eine große Palette geschmacklicher Varianten bieten, die den Besuch eines Kaffeehauses bereichern können. In Deutschland am beliebtesten ist dabei die Hafermilch.

Welche Konsistenz und welcher Geschmack einem am ehesten taugt gilt es allerdings auszuprobieren. Von der säuerlichen Sojamilch über die nussige Mandelmilch bis hin zur dezenten Reismilch gibt es da große Unterschiede. Des Weiteren gibt es etwa Drinks, die mit Haselnuss, Erdnuss, Kokosnuss, Dinkel, Buchweizen, Quinoa und Lupinen hergestellt werden. Als Drink werden diese bezeichnet, um das Wort Milch zu vermeiden, welches zu ihrer Bewerbung untersagt ist (siehe Infokasten).

Im Explorer Café in Backnang ist die Kuhmilch noch die Nummer eins

Im Café Explorer in der Marktstraße sind alle Getränke, die man normalerweise mit Kuhmilch bestellt, auch mit Hafer- oder Mandelmilch erhältlich. Sie kosten dann allerdings 80 Cent mehr. Das liegt daran, dass vegane Milch im Handel teurer ist als Kuhmilch. Letztere sei noch die erste Wahl der Kunden, doch besonders in den vergangenen zwei Jahren sei die Nachfrage nach Alternativen gestiegen, berichtet Filialleiterin Luisa Rahic. Dabei sei nicht nur die jüngere Kundschaft interessiert an dem Trend. Kaffeeliebhaber im höheren Alter seien ebenso offen für die Milch aus Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten.

Anders als im Explorer Café ist es im Café Lille Bønne schon eher die jüngere Kundschaft, welche die dort angebotene Hafermilch bevorzugt. Inhaber Jan Sengenberger hat zuvor in einem Café in Hamburg und Ludwigsburg gearbeitet. In Backnang habe er einen Unterschied wahrgenommen: In den Großstädten sei vegane Milch bereits viel begehrter als hier. „Im ländlichen Raum kennen es vielleicht noch nicht so viele Menschen“, vermutet er. Auch im Café Wunderbar und dem Eiscafé Portofino gibt es die pflanzlichen Milchalternativen.

Nicht überall lohnt sich der Verkauf der Sojamilch

Doch nicht in allen Geschäften ist der Trend angekommen. „Es lohnt sich nicht“, erklärt eine Verkäuferin der Bäckerei Bread Man in der Grabenstraße, die in der Vergangenheit bereits zu oft eine Sojamilch wegkippen musste, weil sie nicht leer geworden ist. Auch in der Filiale der Bäckerei Mildenberger in der Uhlandstraße sei die Nachfrage zu gering als dass sich Pflanzendrinks lohnen würden. „Wir haben es noch nicht“, sagt die Frau hinter dem Tresen. Nicht nur eine geringe Nachfrage kann dabei ein Hindernis sein. Beim Tante Emma am Willy-Brandt-Platz heißt es zum Beispiel, dass es keine vegane Milch im Angebot gibt, weil die Kaffeemaschine nur eine Milchleitung hat.

In pflanzlicher Milch ist der natürliche Eiweiß- und Fettgehalt geringer

Viel Auswahl findet sich inzwischen in den Regalen der gängigen Supermarkt- und Drogeriemarktketten. Dort gibt es die gewünschte Pflanzenmilch zumeist im Tetra Pak zu kaufen. Wer sich damit seinen Cappuccino zubereiten möchte, der eine schöne Schaumkrone hat, muss allerdings etwas beachten, wie Explorer-Mitarbeiterin Bianca Zubke erklärt. Denn in pflanzlicher Milch ist natürlicherweise der Eiweiß- und Fettgehalt niedriger als in Kuhmilch. Dadurch lässt sie sich schlechter aufschäumen. Um dem entgegenzuwirken, haben viele Hersteller Baristaversionen ihrer Pflanzendrinks auf den Markt gebracht. Diese schäumen durch den Zusatz von pflanzlichen Ölen besser.

Nicht nur in diesen Baristaprodukten sind Zusatzstoffe beigefügt. Auch bei vielen anderen industriell gefertigten Pflanzendrinks fügen die Produzenten Emulgatoren, Zucker und Co bei. Um auf gesunde Ernährung zu achten, ist daher ein Blick auf die Zutatenliste unabdingbar. Bei Bedarf kann man außerdem Produkte kaufen, denen Kalzium und Vitamine beigefügt sind. Diese sind für den Körper wichtig und normalerweise in Kuhmilch enthalten.

Umweltaspekt ist ein wichtiger Faktor für die Kunden

Für viele ist dann aber doch der Umweltaspekt ein entscheidender Faktor, um bei dem Hafer-Cappuccino-Trend mitzumachen. Denn Pflanzenmilch gilt als tier- und umweltfreundlicher. Es braucht zur Herstellung keine Tiere, der Flächenverbrauch ist geringer und ein regionaler Anbau aller nötigen Rohstoffe ist möglich. Aktuell importiert Deutschland viele dieser Drinks aus dem Ausland, vor allem aus Belgien und Schweden. Und regional? Im Rems-Murr-Kreis ist noch kein Hersteller von pflanzlicher Milch bekannt, teilt das Landratsamt mit. Aber: „Wir wissen, dass die Hohenloher Molkerei, in der auch viele Milchviehhalter aus dem Kreis Mitglied sind, zum Herbst 2022 die Herstellung und Vermarktung eines Haferdrinks plant“, sagt Sprecherin Rojda Firat. Das Rohprodukt komme dabei aber nicht von den Mitgliedern, die in erster Linie Kuhmilch produzieren, sondern werde anderweitig bezogen. Wer Geld sparen und seine Umweltbilanz noch weiter verbessern will kann sich seinen Drink auch einfach selbst herstellen. Dazu ist lediglich ein Mixer notwendig, in dem die gewünschte Basiszutat mit Wasser vermengt und gegebenenfalls noch um weitere Zutaten ergänzt wird. Im Handel gibt es Küchenmaschinen, die extra dafür gedacht sind und die Herstellung von Pflanzendrinks in der heimischen Küche erleichtern können.

Oder man bedient sich zum Beispiel einer Maschine, wie sie im nachhaltigen Einkaufsladen Teekesselchen in Weissach im Tal steht. Jeder darf sie benutzen und seine gewünschte Mischung zusammenmixen. „Die so hergestellte Milch ist auf alle Fälle ein hervorragender Beitrag zum Klimaschutz, da man dafür nur Haferflocken, Wasser und eine Prise Salz benötigt“, sagt Inhaberin Silke Müller-Zimmermann.

Vegane kann normale Milch ersetzen, darf aber nicht so beworben werden

EU-Verordnung Die Bezeichnung „Hafermilch“ ist laut europäischem Gesetzgeber irreführend, da es sich nicht um Milch im klassischen Sinne handelt. Jeweilige Zusammensetzung und Produktion sind gänzlich verschieden. Nach EU-Verordnung ist der Milchbegriff zu Werbezwecken für Hersteller der pflanzlichen Varianten verboten.

Anderes Wort Die Politiker schlagen den Händlern daher den Begriff „Drink“ statt „Milch“ vor. Umgangssprachlich ist der Begriff „Milch“ allerdings nach wie vor üblich.

Weitere Verwendung Aus der von Kühen, Schafen und Ziegen abgezapften Milch lassen sich zahlreiche Produkte wie Joghurt, Käse und Eis herstellen. Zudem ist sie eine Traditionszutat beim Backen. All das lässt sich mit den Pflanzendrinks auch vegan herstellen. Pfannkuchen, Gebäck, Kuchen und cremige Soßen – alles ist möglich. Es sind inzwischen zahlreiche Produkte auf dem Markt, die etwa Joghurt und Sahne nachahmen. Veganer Käse kann zum Beispiel aus Soja und Nährhefe gemacht werden.

Augen auf Dabei gilt: Augen auf bei der Milchauswahl. Mandelmilch verhält sich beim Backen anders als Reismilch. Je nach Rezept eignet sich etwas anderes.

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Erstellt:
15. September 2022, 11:30 Uhr

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