Haftstrafe für Vergewaltiger

Den Kokainrausch seiner 24-jährigen Freundin nutzte ein 33-jähriger Bankkaufmann aus und fiel über sie her. Das Schöffengericht verhängt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Der Angeklagte und sein Opfer, eine 24-jährige Studentin, kannten sich. Vor vier Jahren waren sie aufeinander aufmerksam geworden. .Foto: Sang Hyun Cho/Pixabay

© Sang Hyun Cho auf Pixabay

Der Angeklagte und sein Opfer, eine 24-jährige Studentin, kannten sich. Vor vier Jahren waren sie aufeinander aufmerksam geworden. .Foto: Sang Hyun Cho/Pixabay

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Vor dem Schöffengericht hat sich ein 33-jähriger Bankkaufmann wegen Vergewaltigung zu verantworten. Nach knapp vierstündiger Verhandlung am Amtsgericht in Backnang wird er zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Der Angeklagte und sein Opfer, eine 24-jährige Studentin, kannten sich. Vor vier Jahren waren sie aufeinander aufmerksam geworden. Allerdings sei dies, so sagt er, keine engere Beziehung gewesen, auch wenn man miteinander intim wurde. Vor allem für die Studentin, so erzählt sie, sei der 33-Jährige ein echter Freund gewesen. Nach einer gewissen Beziehungspause sei man sich im Herbst vergangenen Jahres wieder nähergekommen. Allerdings mit einem Unterschied: Er hatte in der Zwischenzeit Ecstasy und Kokain kennen und schätzen gelernt. Seine Freundin zeigte sich gegen ein „mal probieren“ nicht abgeneigt. Und die Erfahrungen seien für sie durchaus positiv gewesen.

Aussagen weichen ab einem gewissen Zeitpunkt voneinander ab

Von Natur eher zurückhaltend, wenn nicht gar verschlossen, erlebte die Studentin den Drogenrausch als lösend. Die Gespräche miteinander liefen flüssiger. Am Wochenende, so sagen beide, haben sie gern dem Drogenkonsum gehuldigt. Bis zu jener verhängnisvollen Nacht im Februar dieses Jahres. Er kam zu ihr, man schniefte gemeinsam das weiße Pulver. Vieles wurde im Gespräch erörtert: sexuelle Vorlieben, aber auch ihr Auslandssemester, das sie seinetwegen gecancelt hatte. Bis zu diesem Punkt gleichen sich die Äußerungen der beiden Beteiligten, dann weichen sie voneinander ab. Um das gleich vorweg mitzuteilen: Nach Angaben eines molekulargenetischen Gutachtens, das während der Verhandlung auszugsweise vorgelesen wird, kam es in jener Februarnacht zu Intimitäten.

Nur wann? Der Angeklagte schildert das so, dass man nach einer entsprechenden Kokaindosis miteinander intim geworden sei, einvernehmlich. Als dann die Stimmung abflaute, habe man erneut zu dem Rauschgift gegriffen. Dieses Mal mit fatalen Folgen: Die Studentin wurde starren Blickes, klagte über Übelkeit. Er habe versucht, ihr mit dem Angebot von Zucker- und Salzwasser zu helfen, fürchtete gar bei seiner Freundin einen Schlaganfall. Er trägt sie ins Bett, schaut regelmäßig nach ihr, wagt es allerdings nicht, den Notarzt zu rufen, so seine Schilderung. Und dass sie ihm, so sagt der Bankkaufmann, nun Vergewaltigung vorwerfe, das komme daher, dass sie halluziniert, das heißt Wahn und Realität verwechselt habe. Und überhaupt: Unter Drogen sei er quasi impotent.

Die Schilderung der Studentin ist anders. Auch sie spricht davon, dass sie zu viel Kokain geschnieft hatte, daraufhin einsilbig wurde, ja gar zusammengebrochen sei. Ihr Freund habe sie daraufhin ins Bett getragen, ihr die Hose ausgezogen. Dann vollzog er den Beischlaf. Dass sie zwischendrin vom Bett fiel, hinderte ihn nicht daran, es erneut zu versuchen. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages duschte sie noch, wies weitere Annäherungsversuche von ihm streng von sich. Daraufhin verließ er die Wohnung. Erst einer Freundin, dann den Eltern hat sie das Vorgefallene gebeichtet, dann ging sie zur Polizei. Zum Teil unter Tränen schildert die Studentin im Gerichtssaal das Geschehen, sie ist seit der Tat in psychologischer Behandlung und nehme Antidepressiva.

Für den Staatsanwalt ist der Fall klar. Die Schilderung der Studentin sei glaubhaft. Von der Vernehmung durch die Polizei bis hin zur Aussage vor dem Schöffengericht habe sie die Ereignisse immer in der gleichen Weise geschildert. Keine Belastungstendenz sei zu erkennen gewesen. Die Wahntheorie des Angeklagten sei abwegig. Der Anklagevertreter fordert drei Jahre und drei Monate Gefängnis.

Aussagen des Angeklagten nahm das Gericht als blass und pauschal wahr

Der Rechtsanwalt der Studentin, der sogenannte Nebenklägervertreter, pflichtet dem Staatsanwalt bei. Weil der Angeklagte von dem molekulargenetischen Gutachten wusste, einen Geschlechtsverkehr also nicht leugnen konnte, habe er die Sache als einvernehmliches Geschehen dargestellt.

Der Rechtsanwalt des Angeklagten fährt schwere Geschütze auf. Für ihn sind die Aussagen der Studentin unglaubwürdig. Er fordert ein aussagepsychologisches Gutachten. Und zeigt im Übrigen Sympathie für die Erklärungen seines Mandanten. In einem weiteren Gutachten möge geklärt werden, dass eine Kokainpsychose – so deutet der Jurist die Übelkeit der Studentin – einen Geschlechtsverkehr verunmögliche. Sein Mandant sei deshalb freizusprechen.

Das Schöffengericht verhängt nach kurzer Beratungszeit die bereits erwähnte Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Und folgt in der Beurteilung der Aussagen von dem Angeklagten sowie der Betroffenen der vorherigen Argumentation des Staatsanwalts. Während die Aussagen der Studentin detailreich und konstant gewesen seien, nehmen sich daneben die Erklärungen des Angeklagten als blass und pauschal aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Artikel

Erstellt:
26. November 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Gesellinnen und Gesellen im Rems-Murr-Kreis werden ausgezeichnet

In dieser Woche hat die Lossprechungsfeier der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr stattgefunden. In der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf sind bei dieser Gelegenheit auch die Auszeichnungen an die besten Junghandwerkerinnen und Junghandwerker verliehen worden.

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.