Halbes Jahrhundert in der Luft: Airbus feiert 50. Geburtstag

dpa Hamburg/Toulouse. Anfangs wurde die Idee belächelt, zunächst wollte niemand so wirklich an den Flugzeugbauer aus Europa glauben. Und ja, zum Start lief nicht alles glatt. Doch 50 Jahre später ist Airbus aus dem Himmel nicht mehr wegzudenken.

Airbus zählt in Deutschland mit mehr als 46.000 Beschäftigten an 27 Standorten zu den größten Arbeitgebern. Foto: Guillaume Horcajuelo/EPA

Airbus zählt in Deutschland mit mehr als 46.000 Beschäftigten an 27 Standorten zu den größten Arbeitgebern. Foto: Guillaume Horcajuelo/EPA

Es war ein Meilenstein der europäischen Industriegeschichte: Vor 50 Jahren schlug in Deutschland und Frankreich die Geburtsstunde des Flugzeugbauers Airbus. Was in den USA als netter Versuch belächelt wurde, entwickelte sich zum Erfolgsmodell.

Heute ist Airbus neben dem US-Konzern Boeing der einzig nennenswerte Hersteller größerer Passagierflugzeuge überhaupt. Und weil der Rivale aus Amerika nach dem Absturz zweier Jets und des Flugverbots für den Typ 737 Max in einer schweren Krise steckt, könnte Airbus ausgerechnet im Jubiläumsjahr zum größten Flugzeugbauer der Welt aufsteigen.

Los ging es eigentlich schon 1965, als die deutschen Firmen Messerschmitt, Bölkow, Dornier-Werke, Hamburger Flugzeugbau und die Vereinigten Flugtechnischen Werke die Arbeitsgemeinschaft Airbus gründeten, um einen Konkurrenten zu den US-Herstellern Boeing und McDonnell Douglas aufzubauen.

Schon der Name Airbus sorgte damals bei einigen für Spott. Das Leitbild der Deutschen war tatsächlich der Bus: gleichzeitiges Ein- und Aussteigen, niedrige Flugpreise, schnelle Taktung. Von diesen Vorstellungen wurde später allerdings so gut wie nichts umgesetzt - Flughäfen und Infrastruktur so umzubauen, das hätte Milliarden gekostet.

Und erst der Zusammenschluss mit der französischen Aérospatiale gilt als das Gründungsdatum von Airbus. Am 29. Mai 1969 setzen Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller und der französische Verkehrsminister Jean Chamant ihre Unterschriften unter den Vertrag, der ganz im Zeichen der europäischen Einigung stand. Die Briten waren kurz zuvor ausgestiegen.

Später schlossen sich dem Projekt noch die Spanier an. Die Arbeit konnte nun beginnen. Hauptstandort war die südfranzösische Stadt Toulouse. Erster Produktionsdirektor wurde der Deutsche Felix Kracht. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ beschrieb ihn 1979 folgendermaßen: „Wie einem gebürtigen Franzosen fällt ihm beim Sprechen die gelbe Gauloise-Zigarette nicht aus dem Mundwinkel.“ Im Airbus-Werk in Toulouse, so hieß es, ginge es nicht um den Pass, sondern um das Können.

Dort wurde am A300 getüftelt - einem Großraumflugzeug für Lang- und Mittelstrecken. Heute gilt es als Meilenstein bei der Internationalisierung des Flugzeugbaus - damals war man weniger überzeugt. Das Magazin „Der Spiegel“ nannte die Maschine „dickleibiger Provinzjet“.

Anfangs fand die Passagiermaschine mit 250 bis 300 Sitzplätzen tatsächlich kaum Abnehmer - und das obwohl Konkurrent Boeing damals in diesem Segment nichts Vergleichbares zu bieten hatte. CSU-Politiker Franz Josef Strauß, der ab 1970 Aufsichtsratsvorsitzender von Airbus war, warb auf seinen Reisen für den Flieger. Der Durchbruch kam aber erst, als ausgerechnet eine US-amerikanische Fluggesellschaft eine Großbestellung in Auftrag gab.

Im Jahr 1979 schlossen sich die Briten Airbus nun doch an - heute hat Airbus fast seinen gesamten Tragflächenbau in Großbritannien gebündelt. Airbus setzte im Laufe der Jahrzehnte wieder technische Akzente, die zwar zunächst umstritten waren, sich aber am Markt durchsetzten. Dazu gehört auch die „fly-by-wire“-Technik bei Passagierflugzeugen. Diese elektronische Flugsteuerung ist heute Standard in modernen Cockpits.

Im Jahr 2000 legten Deutschland, Frankreich und Spanien den größten Teil ihrer Geschäfte in der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrt zusammen - es entstand Europas größter Luftfahrt- und Rüstungskonzern. Das neue Unternehmen hieß Aeronautic Defense and Space Company - kurz EADS. EADS brachte es allerdings nie zu einer starken Marke und wurde schließlich radikal umgebaut und nach seiner wichtigsten Tochter benannt: Airbus.

In Deutschland hat Airbus sein weltweit zweitgrößtes Werk. In Hamburg-Finkenwerder arbeiten mehr als 13.000 Mitarbeiter am Bau von Verkehrsflugzeugen mit. Dort will Airbus an diesem Mittwoch seine Geburtsstunde auch mit den Mitarbeitern feiern. In Finkenwerder werden zum Beispiel für den Riesen-Jet A380 Teile des Rumpfs produziert sowie die Kabine ausgestattet. Mehr als die Hälfte aller jährlich produzierten Maschinen der A320-Familie stammt aus Hamburg. Insgesamt zählt Airbus in Deutschland mit mehr als 46.000 Beschäftigten an 27 Standorten zu den größten Arbeitgebern.

Auch wenn die Geschichte der Airbus-Gründungsfirmen viel weiter zurückreicht, ist der Konzern selbst nicht einmal halb so alt wie sein Rivale Boeing, der 2016 sein 100-jähriges Bestehen feierte. Doch kurz nach der Jahrtausendwende sammelte Airbus erstmals mehr Bestellungen ein als der US-Konzern. Und im Jahr 2018 rückten die Europäer mit 800 ausgelieferten Verkehrsjets auf nur sechs Maschinen an Boeing heran.

Zu diesem Aufstieg trugen am wenigsten die Riesenflieger vom Typ A380 bei. Bei dem doppelstöckigen Flugzeug, das Anfang des Jahrtausends Boeings Jumbo als weltgrößten Passagierjet ablöste, hatte sich Airbus vielmehr böse verrechnet: Mangels neuer Bestellungen kündigte die Konzernspitze im Februar das Ende der Produktion für das Jahr 2021 an.

Zum wahren Verkaufsschlager entwickelten sich die seit den 1980er Jahren gebauten Mittelstreckenjets der A320-Reihe. Ihre Neuauflage A320neo mit größeren, sparsameren Triebwerken jagte der Boeing 737 sogar die Vorherrschaft in dem absatzstärksten Flugzeugsegment ab - die Produktion ist auf Jahre hinweg ausgebucht. Boeing zog mit einer Modernisierung seines Modells nach - doch der Schritt geriet zum Desaster. Zwei Maschinen stürzten ab, 346 Menschen starben, mitverantwortlich soll eine Cockpit-Software sein. Seit Mitte März gilt ein weltweites Flugverbot, die Auslieferungen sind gestoppt, die Produktion gedrosselt.

Beim Rivalen aus Europa zeigt sich dennoch keine Schadenfreude. „Ich bin niemand, der sagt: Das kann uns nicht passieren“, sagte der langjährige Airbus-Chef Tom Enders, kurz bevor er die Konzernführung im April an den Franzosen Guillaume Faury übergab. Enders hinterließ seinem Nachfolger allerdings auch eine Menge Arbeit: Korruptionsermittlungen in Großbritannien und Frankreich haben den Konzern in letzter Zeit schwer unter Druck gesetzt.

Letztlich könnte Airbus 2019 erstmals mehr Flugzeuge ausliefern als Boeing. Es wäre ein Sieg mit fadem Beigeschmack. Doch die Europäer hätten trotz Pleiten, Pech und Pannen um den A380 und den verfeuerten Milliarden für den Militärtransporter A400M das Ziel erreicht, im Flugzeuggeschäft an der Weltspitze zu sein.

Zum Artikel

Erstellt:
28. Mai 2019, 15:09 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen