Handwerker sichern bröckelnde Fassade

Das Haus Marktstraße 15 in Backnang ist in keinem guten Zustand und soll abgerissen werden – Gebäudebegehung offenbart Risiken

In den vergangenen Tagen haben Handwerker lose Teile an der Fassade des Gebäudes Marktstraße 15 in Backnang repariert und gesichert. Bei den Arbeiten handelt es sich jedoch nicht um eine Sanierung. Vielmehr wurde lediglich die Verkehrssicherheit wieder hergestellt. Geplant ist, in derzeit noch unbestimmter Zukunft die gesamte Häuserzeile von der Wassergasse bis zum Burgel-Parkplatz abzureißen und neu zu bauen.

Die Stadt plant, in den nächsten Jahren die gesamte Häuserzeile zwischen Wassergasse und Burgel-Parkplatz abzureißen. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Stadt plant, in den nächsten Jahren die gesamte Häuserzeile zwischen Wassergasse und Burgel-Parkplatz abzureißen. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Einmal im Jahr unternehmen die Verantwortlichen der Stadt eine Gebäudebegehung. Dann schauen sie mit fachmännischem Blick, wo bei den städtischen Gebäuden etwas im Argen liegt. In diesem Jahr wurden sie beim Gebäude Marktstraße 15 fündig. Mehr als das. Es drohte eine Gefährdung der Passanten durch lose Teile an der Gebäudefassade.

Für Siegfried Janocha, Backnangs Erster Bürgermeister, war es keine Frage: Handwerker mussten hier nach dem Rechten schauen und die ärgsten Schäden beseitigen. Eine Woche lang haben der Backnanger Zimmerermeister René Feinauer und seine Mitarbeiter genau das getan: Fassadenplatten wurden abgetragen und morsche Balken notdürftig ersetzt. Janocha legt Wert darauf, dass es sich dabei nicht um eine groß angelegte Generalsanierung handelte, sondern nur um eine einfache Reparatur. Denn das Haus soll samt sechs benachbarter Häuser abgerissen werden. „Wir müssen wegen herabfallender Platten unserer Verkehrssicherungspflicht nachkommen.“ Zudem sei die Standfestigkeit des Gebäudes gefährdet gewesen, da einige Balken des Fachwerks in einem sehr schlechten Zustand waren.

EBM Janocha: „Städtebaulich muss sich in diesem Quartier etwas tun“

Aber die Reparatur soll bloß ein Zwischenschritt sein. „Städtebaulich muss sich in diesem Quartier etwas tun“, begründete Janocha die Abrisspläne. Und nachdem die Stadt in der Vergangenheit „eins ums andere Gebäude“ gekauft hat, scheint sie alle Karten selbst in der Hand zu haben. Die vordere Reihe, also die Häuser Marktstraße 13, 15, 17 und 19, vom Burgel-Parkplatz bis zur Wassergasse, sind bereits im Eigentum der Stadt. Aber von den drei Gebäuden in zweiter Reihe, die zum Teil noch auf der alten Stadtmauer stehen, gehört der Stadt erst eines. Allerdings laufen die Verhandlungen zum Kauf der restlichen Gebäude.

Notdürftig saniert wurde jetzt also das Haus Marktstraße 15, in dem bis in die 50er-Jahre die Bäckerei Uebelmesser die Backnanger mit Backwaren versorgte und das derzeit ein Nagelstudio beherbergt. Wie immer in solchen Fällen wurden die Arbeiten mehr und mehr, je mehr Platten die Handwerker von der Fassade lösten. „Aus einer kleinen Geschichte wurde jetzt doch etwas Größeres“, so Janocha, die Kosten werden sich wohl auf einen fünfstelligen Betrag summieren.

Auch René Feinauer bestätigte die typische Entwicklung, wenn man bei einem alten Gebäude etwas genauer hinsieht. Und trotzdem würde er es bedauern, wenn die Häuserzeile der Abrissbirne zum Opfer fällt. Er attestiert den vier Gebäuden entlang der Marktstraße einen besonderen Charme. Den entdeckt man aber erst auf den zweiten Blick.

In der Tat. Die Risse im Putz, die bröckelnde Fassade, die maroden Balken oder die zerbrochenen Schiefertafeln, all dies ist vordergründig alles andere als attraktiv. Aber auf der anderen Seite haben die Häuser auch Charakter. Die schrägen Wände mit den schiefen Fenstern, das verborgene Fachwerk, dort ein Vorsprung und da eine Ecke. Kommt die Fantasie des Betrachters erst einmal in Schwung, dann kann er in dem baulichen Erbe jede Menge Potenzial entdecken. Aber ist eine Sanierung angesichts des fortgeschrittenen Zerfalls überhaupt noch möglich? Für Feinauer keine Frage: „Das Haus Marktstraße 15 ist kein hoffnungsloser Fall. Klar, es ist viel Arbeit, und das würde auch einiges kosten.“ Ein Abriss ist auf den ersten Blick die einfachste Lösung. Aber Feinauer fragt, was nach einem solchen Kahlschlag folgt. Er befürchtet, dass dann auch hier 08-15-Gebäude entstehen werden, „die gesamte Häuserzeile von einem Architekten aus einer Hand“. Von der Kleinteiligkeit, die jetzt den Charme des Straßenstücks ausmacht, werde dann nichts mehr zu finden sein. Frühere Bausünden und manch aktuelles Projekt bestärken den Zimmerermeister in dieser Einschätzung.

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Erstellt:
27. Februar 2019, 06:00 Uhr

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