Hanfpflanzen im Garten und Widerstand gegen Polizisten

58-Jähriger wird vom Amtsgericht Backnang wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln und Widerstands zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Symbolfoto: Okanakdeniz/Stock-Adobe

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Jutta Rieger-Ehrmann

ASPACH/Backnang. Der Verurteilte muss aber nicht zum Freiheitsentzug hinter Gitter einziehen, denn das Backnanger Amtsgericht verhängte die ausgesprochene Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung. Was war geschehen? Es war am 19. Juni vergangenen Jahres gegen 3.15 Uhr, als eine Polizeistreife wegen Ruhestörung nach Aspach gerufen wurde. Der Beschuldigte ist zu diesem Zeitpunkt 58 Jahre alt. In seiner Erinnerung sind mitten in der Nacht mehrere Polizisten in seine Wohnung eingedrungen, hätten eine „Mordssauerei“ veranstaltet, ihm die Arme verschränkt, Handschellen angelegt und ihn aufs Sofa geworfen, wobei er an den Handgelenken verletzt wurde, so seine Schilderung vor Gericht.

Beamte entdecken durch Zufall

fünf Cannabispflanzen im Garten

Dabei habe er nur in dieser sehr heißen Nacht und aus Sorge um seinen erkrankten Vater im Garten ein bisschen Mundharmonika gespielt. Zu den Anklagepunkten sagt er anfänglich: Die fünf Cannabispflanzen gehören ihm eigentlich gar nicht, die wenigen Gramm Marihuana habe er geschenkt bekommen wie auch die Dreizackangelhaken, die er von einem griechischen Fischer für das Angeln von Calamares erhalten haben will. Die einzelnen Patronen Munition, die er in einer Schublade aufbewahrt hatte, habe er vor vielen Jahren zusammen mit seinem Bruder in einer verlassenen Jagdhütte gefunden und ganz vergessen. Eine Waffe habe er nicht. Im Verlauf der Anhörung gibt er zu, dass er eine Kamera eingeschaltet hat, als die Polizisten bei ihm erschienen, da er sich bedroht fühlte. An Beleidigungen und Drohungen könne er sich nicht mehr erinnern. Auch nicht an den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und die Tritte gegen Polizeibeamte. Er habe nur gesagt: „Bitte greifen Sie mich nicht an, verlassen Sie mein Haus!“ Er habe Angst um Leib und Leben gehabt.

Die Zeugenaussagen der beiden Polizeibeamten ergeben ein etwas anderes, differenzierteres Bild, ja beinahe ein unglückliches Zusammentreffen verschiedener Umstände kann man aus den Aussagen heraushören. Die erste Streife fand den 58-Jährigen im Garten liegend vor, im Radio lief ein Song der Hard-Rock-Band ACDC. Der Angeklagte sei sehr redselig gewesen, habe die Polizei zuerst gar nicht als solche erkannt und habe die Beamten sogar zu ihrem Auto begleiten wollen. Erst dabei entdeckten sie die fünf Cannabispflanzen.

Daraufhin wurde eine Hausdurchsuchung veranlasst und eine zweite Streife angefordert, die dann die Terrassen- beziehungsweise Wohnungstür mit einem Geißfuß öffnete, da sie zugeworfen wurde, so der Zeuge. Eine dritte Streife wurde gerufen. Beim Versuch, dem Angeklagten die Kamera abzunehmen, kam es zur Gegenwehr, woraufhin ihm Handschellen angelegt wurden. Dabei fielen Beleidigungen wie „Scheißbullen“, „Pappnasen“, „Fickt euch“ und dergleichen mehr. Auch die Worte „Ich erschieß euch alle!“ waren zu hören.

Dies bestätigt auch die zweite Zeugin, die als Beamtin der Unterstützungsstreife im Einsatz war, ergänzt jedoch ihre Aussage durch die gegen sie gerichteten sexistischen Beleidigungen und die Tritte, von denen sie Hämatome zurückbehalten hat. Insgesamt habe der Beschuldigte einen alkoholisierten Eindruck gemacht und war „nicht ganz da“. Einen Alkoholtest hat er abgelehnt. Er habe sich auch noch nicht entschuldigt, wie von ihm behauptet wird. „Entschuldigen Sie sich halt“, so der Richter. Dies geschieht dann auch, ebenso der Verzicht auf die beschlagnahmten Gegenstände.

Plädoyers von Anklage und Verteidigung liegen nicht weit auseinander

Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, berichtet der Beschuldigte: Er habe als Optiker gearbeitet, war dann arbeitslos und einige Zeit in einer anderen Branche tätig. Mit seiner Ex-Partnerin habe er das Haus in Aspach gebaut. Nach der Trennung heiratete er in Amerika, von dieser Frau sei er jedoch ebenfalls getrennt. Kinder habe er keine. Seine Einnahmequelle sei seine vermietete Wohnung, er hatte dabei aber sehr großen Ärger mit seinen Mietern. Ein Antrag auf Sozialleistungen wurde gestellt.

Zum Haschisch sei er durch einen Freund gekommen, der es ihm nach einer Chemobehandlung als „Eigentherapie“ empfohlen habe, worauf die Beschwerden auch besser wurden. Gesundheitlich und finanziell gehe es ihm sehr schlecht, antwortet er auf Nachfrage des Richters. „Ich komme nicht mehr klar“, bekennt er.

Die Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers liegen nicht weit auseinander. Beide sehen den Sachverhalt als erwiesen an, was die beschlagnahmten Gegenstände angeht, auch die Beleidigungen und die Inkaufnahme der Trittverletzungen werden konstatiert. Der Angeklagte gesteht letztlich die wesentlichen Punkte ein: „Dumm gelaufen!“ Was den Widerstand betrifft, gehen die Ansichten auseinander.

„Wie soll es jetzt mit Ihnen weitergehen?“, so die Frage des Richters. Der mittlerweile fast 59-Jährige räumt ein, dass er Unterstützung brauche, auch seine Krankenversicherung hat er dem Bemühen eines früheren Bewährungshelfers zu verdanken, mit einer Psychotherapie ist er ebenfalls einverstanden. Sein letztes Wort gilt der verletzten Polizistin, es tue ihm leid.

Trotz diverser Vorstrafen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Beleidigungen ergeht nach gut zweistündiger Verhandlung das folgende Urteil: sechs Monate auf Bewährung bei einer Bewährungszeit von zwei Jahren und sechs Monaten, zusammen mit einem Bewährungshelfer. Als Auflage wird ihm eine Psychotherapie auferlegt. Zudem muss der Verurteilte die Kosten des Verfahrens tragen sowie eine Geldstrafe von 500 Euro an die Bewährungshilfe in kleinen Raten zahlen. „Es hat wohl in dieser Nacht eins das andere ergeben. Sie sind kein Schwerverbrecher, aber auch kein unbeschriebenes Blatt“, betont der Richter abschließend. Der Verurteilte bedankt sich. Es werden keine Rechtsmittel eingelegt. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

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Erstellt:
17. Januar 2022, 06:00 Uhr

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