Analyse des TV-Duells

Harris dominiert Debatte gegen Trump und zeigt: Sie kann Präsidentin

Klarer konnte der Kontrast nicht sein, den Kamala Harris und Donald Trump in der ersten und vermutlichen einzigen Präsidentschaftsdebatte boten. Es war keine gute Nacht für den Ex-Präsidenten, vielleicht gar ein Desaster.

Kamala Harris geht für viele als klarer Sieger aus dem TV-Duell hervor.

© AFP/SAUL LOEB

Kamala Harris geht für viele als klarer Sieger aus dem TV-Duell hervor.

Von Thomas Spang

Kamala Harris musste in der Debatte gegen Donald Trump eine Frage beantworten, die vielen Amerikanern unter den Nägeln brannte: Kann Sie Präsidentin?

Diesen Zweifeln sah sich auch Barack Obama ausgesetzt, der mit seinem „Yes-We-Can“-Wahlkampf 2008 im Verdacht stand, ein Leichtgewicht zu sein. Er besiegelte den Deal mit den Wählern, als er auf der Bühne mit dem Kriegshelden John McCain nicht nur mithalten konnte, sondern in der Debatte brillierte.

Genau das wollten die Amerikaner von der Vizepräsidentin sehen. Mehr als ein Viertel hatte den Meinungsforschern gesagt, sie wüssten nicht genügend über Harris. Im Unterschied zu Trump, zu dem fast jeder eine Meinung hat.

Harris nötigt Trump Handschlag ab

Die zierliche Demokratin behaupte sich nicht nur gegen den schwergewichtigen Rabauken, sie dominierte die Debatte vom ersten Moment an, als sie ihm einen Handschlag abnötigte. Den Unentschiedenen dürfte das ein gutes Gefühl geben. Denn als Führerin der Supermacht USA hätte Harris es in der Welt nicht nur mit Möchtegernautokraten wie Trump zu tun, sondern ruchlosen Herrschern, die Schwäche auszunutzen verstehen.

Ein ums andere Mal bewies sie im Schlagabtausch mit dem verurteilten Straftäter Ihre Instinkte als ehemalige Staatsanwältin. Sie erklärte ihn schuldig für die Abtreibungsverbote in weiten Teilen der USA, den Angriff auf die amerikanische Demokratie und den Schmusekurs gegenüber Diktatoren wie Kim Jong-un, Xi Jinping und Wladimir Putin.

Most awkward handshake of all time pic.twitter.com/GindqB6W4o — The Recount (@therecount) September 11, 2024

Nach diesen 90 Minuten dürfte kaum mehr Zweifel daran bestehen, dass Kamala Harris der Aufgabe im Weißen Haus gewachsen ist. Sie hat den „Commander-in-Chief“-Test bestanden. Das war die höchste Hürde, die sie nehmen musste.

Genau daran war Joe Biden aus Altersgründen bei der ersten Debatte gegen Trump im Juni gescheitert. Die Menschen hatten weniger ein Problem mit seiner Politik als Sorge um seine mentalen und physischen Fähigkeit, die Strapazen des anstrengendsten Jobs der Welt durchzustehen. Deshalb konnte er nicht weitermachen.

Harris besteht auch zweiten Test

Trumps zahllose Lügen in der Debatte waren so wenig neu wie seine konstante Hetze gegen Einwanderer oder die persönlichen Tiefschläge. Dass Harris kaum darauf einging, war weise. Sie nutzte ihre Zeit stattdessen dafür, einen positiven Kontrast zu dem Mann aufzuzeigen, der sich als ewiges Opfer stilisiert und Amerika in den düstersten Farben zeichnet. Und mit einem Programm antritt, das Massendeportationen, politische Verfolgung von Gegnern und Rache verspricht.

Der 78-jährige Klagehals wirkte neben der Kandidatin mit dem gewinnenden Lachen in der Debatte noch gestriger als ohnehin schon. Trump schaute weder Harris an noch direkt in die Kamera. Die Zuschauer erlebten einen brabbelnden Alten, der mit grimmigem Blick sonderbare Dinge von sich gab.

Kaum vorstellbar, dass Nicht-Parteigänger sich nach diesem Auftritt lieber mit ihm zum Bier verabreden wollten, als mit Harris. Das war der zweite Test, den die Vizepräsidentin bestehen musste. Fühlen sich die Wähler bei der Vorstellung wohl, sie als Präsidentin täglich im Fernsehen oder den sozialen Medien zu sehen.

Harris lächelt Trumps Angriffe gegen sie weg

Trump versuchte es wenig kunstvoll, sie als Frau zu karikieren, die keiner ernst nimmt, als Schwarze, die ihre Hautfarbe benutzt, um aufzusteigen. Mit einem kühlen Lächeln ließ Harris all das an sich abperlen. Sie vermied es geschickt, sich von Trump in die tiefsten Niederungen zerren zu lassen. Mit Schlamm warf nur einer, der damit einmal mehr bewies, dem Amt nicht gewachsen zu sein.

Wie übrigens auch seine wirren Antworten über Einwanderer, die angeblich die Hunde braver Amerikaner aufessen oder die fortgesetzte Leugnung seiner Wahlniederlage ernste Fragen zu seiner Amtstüchtigkeit aufwerfen. Harris attestierte ihm fast mitleidig, Mühe zu haben, mit der Realität klarzukommen. Und erinnerte ihn dann daran, dass ihn 81 Millionen Menschen gefeuert hätten.

Trump verkörpert Negativität

Schließlich ging es in der Debatte auch darum, wer glaubwürdig eine Veränderung bringen kann. Die Amerikaner wünschen sich das. Wechsel verbinden sie mit Trump, aber nicht unbedingt zum Besseren. Wie auch dieser denkwürdige Abend wieder bewies, an dem es Harris gelang, die Wahl zu einem Referendum über den Ex-Präsidenten zu machen.

Trump verkörperte auf der Bühne die Negativität, die das Klima in den USA so vergiftet hat. Harris setzt dem amerikanischen Optimismus entgegen. Sie verspricht Veränderung durch einen Generationswechsel. Davon zeugte die coole Selbstverständlichkeit, mit der sie den historischen Charakter ihrer Kandidatur herunterspielte. Harris braucht nicht zu betonen, dass sie die erste Frau und Schwarze im Weißen Haus wäre.

Die Amerikaner konnten all das während der 90 Minuten von Philadelphia spüren. Und sich wie Taylor Swift am Ende der Debatte vorstellen, dass diese Kandidatin es schaffen könnte. Kamala kann Präsidentin.

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Erstellt:
11. September 2024, 06:46 Uhr
Aktualisiert:
11. September 2024, 09:49 Uhr

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