Frauenfeindlichkeit im Netz

Hass auf die Hälfte der Menschheit

Von abschätzigen Kommentaren bis zu Telegramgruppen, in denen Vergewaltigungsvideos gezeigt werden: Frauenhass hat viele Facetten. Man muss ihm entgegentreten, so unsere Kolumnistin.

Misogynie muss man etwas entgegensetzen. 
Foto: imago/MiS/Bernd Feil/M.i.S.

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Misogynie muss man etwas entgegensetzen. Foto: imago/MiS/Bernd Feil/M.i.S.

Von Kathrin Zinser

Sollte man diesem Kommentar, der uns kürzlich erreichte, überhaupt eine einzige Zeile widmen? Ein Leser schrieb: „Eines mal klar und richtig gestellt bei all unseren scheinheiligen Frauen: Keine Frau auf der Welt empfindet irgendetwas vom Mann als sexuelle Belästigung nach Strafgesetzbüchern, egal was, wenn es der Richtige oder ein total gut aussehender Mann ist!“ Unglaublich. Ein Mann meint, pauschal für alle Frauen sprechen zu können und leugnet nebenbei die Realität sexueller Belästigung.

 

Nach 17 Minuten bei sexistischen Inhalten

Ja, man muss solche Kommentare thematisieren, auch wenn sie absurd erscheinen. Denn sie sind nur die Spitze des Eisbergs an Frauenfeindlichkeit, die in all ihren Facetten in unserer Gesellschaft grassiert. Etwa im Internet: Jugendliche, die nach harmlosen Dingen wie Fitness- und Ernährungstipps suchen, landen auf TikTok im Schnitt nach 17 Minuten auf sexistischen Inhalten, heißt es in der ARD-Doku „Shut Up, Bitch! Der Kampf um Männlichkeit”. Influencer wie Andrew Tate verherrlichen Gewalt gegen Frauen, und Millionen Menschen feiern sie dafür.

Die Anhänger der sogenannten Manosphere sind überzeugt, dass Feminismus und Gleichberechtigung der Grund allen Übels sind – Schuld daran, dass sie als Männer sich als Verlierer fühlen. In einer komplexen Realität eine scheinbar einfache Lösung. Gepaart ist der Hass auf Frauen oft mit rechten politischen Einstellungen, mit der Vorstellung: „Echte Männer sind rechts“, wie es AfD-Politiker Maximilian Krah formuliert. Männlichkeit verstanden als Dominanz und Härte. Frauen gehören demnach an den Herd, haben zu gebären und zu gehorchen.

Betäubt und vergewaltigt

Eine der wohl schlimmsten Ausprägungen der Misogynie haben Reporterinnen des Reportage-Formats STRG_F aufgedeckt: Sie dokumentierten, wie sich Nutzer in Telegram-Gruppen darüber austauschen, wie sie Frauen betäuben, missbrauchen und vergewaltigen können. Aufnahmen davon werden geteilt, die Rede ist von der eigenen Schwester, Mutter oder Partnerin. Man muss betonen: Natürlich liegen Welten zwischen dem Zitat des Lesers und Straftaten wie diesen. Und doch kann man die Geringschätzung der Hälfte der Menschheit in beidem erkennen.

Auch deshalb wirkte die Aufforderung von Bundeskanzler Friedrich Merz, „Fragen Sie mal Ihre Töchter“, in der Stadtbilddebatte wie ein Ablenkungsmanöver. Denn: Alle vier Minuten erlebt eine Frau laut Bundesinnenministerium Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Der Täter ist selten der Fremde aus dem Park, viel häufiger kommt er aus dem sozialen Umfeld der Mädchen und Frauen. Und ja, es gibt Kulturen, in denen Werte wie Gleichberechtigung viel weniger gelten als hierzulande. Doch wer das Problem pauschal an der Nationalität festmacht, wird es nicht lösen.

Eine neue Männlichkeit

Wir alle müssen genauer hinschauen, Frauenfeindlichkeit entschiedener entgegentreten. Es braucht mehr Prävention und Wertevermittlung sowie härtere Strafen bei Gewalt gegen Frauen online wie offline. Und es braucht eine Definition von Männlichkeit, die auf Respekt, Empathie und Solidarität basiert – auf Werten von wahrer Stärke.

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Erstellt:
24. November 2025, 14:44 Uhr
Aktualisiert:
24. November 2025, 16:13 Uhr

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