Herrmann: Abschiebestopp wird auf keinen Fall verlängert

dpa München/Berlin. Ende des Jahres endet der Abschiebestopp für Syrien. Obwohl die Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland weiter als prekär gilt, dürfte die bisherige Praxis in Deutschland auslaufen. Die Innenminister der Union wollen eine Neubewertung der Lage.

„Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben. Darüber sind sich die Innenminister der Union einig“, sagt Joachim Herrmann. Foto: Sven Hoppe/dpa

„Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben. Darüber sind sich die Innenminister der Union einig“, sagt Joachim Herrmann. Foto: Sven Hoppe/dpa

Der Ende des Jahres auslaufende Abschiebestopp für Syrien soll nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) nicht verlängert werden.

„Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben. Darüber sind sich die Innenminister der Union einig“, sagte Herrmann, der auch Sprecher der Unions-Ressortchefs ist, der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn der Innenministerkonferenz an diesem Mittwochabend.

Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hält die Debatte über die Frage einer Abschiebung von Mehrfach-Straftätern auch nach Syrien für notwendig. „Die Koalition in Brandenburg ist sich einig, dass vollziehbar ausreisepflichtige Intensivtäter prioritär abgeschoben werden sollen“, sagte er der dpa in Potsdam.

Herrmann und Stübgen stützen damit den Kurs von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser hatte angekündigt, er wolle bei der Innenministerkonferenz dafür eintreten, dass künftig zumindest bei Straftätern und Gefährdern in jedem Einzelfall geprüft werde, ob Abschiebungen nach Syrien möglich seien. Dies lehnen die SPD-Innenminister aber ab. Bislang gilt wegen der humanitären Lage in Syrien ein Abschiebestopp für Geflüchtete.

Dass die SPD weiterhin jede Debatte darüber ablehne, selbst bei schweren Straftätern und islamistischen Gefährdern eine Abschiebung nach Syrien ernsthaft zu prüfen, sei „sicherheitspolitisch unverantwortlich“, betonte Herrmann. Die Innenpolitiker seien es den Menschen und der inneren Sicherheit in Deutschland schuldig, alle Möglichkeiten einer Rückführung von Straftätern zu prüfen und zu ergreifen. „Die SPD macht es sich hier viel zu einfach. Das schadet der Sicherheitslage in unserem Land.“

„Allein in Bayern gibt es derzeit mehr als 70 schwere Straftäter und zehn Gefährder aus Syrien, die nicht abgeschoben werden können“, sagte Herrmann. Darunter sei etwa ein 34-Jähriger Syrier, der wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt sei.

„In besonderer Verantwortung sehe ich dabei auch das Auswärtige Amt, das einerseits in seinem Lagebericht das Bild eines komplett unsicheren Landes zeichnet“, andererseits aber syrische Flüchtlinge Heimaturlaube in Syrien machen und unbeschadet wieder zurückkehren lasse, sagte Herrmann. Er fordere das Auswärtigen Amt auf, stärker nach der Lage in verschiedenen Gebieten Syriens zu differenzieren. „Nach meiner Wahrnehmung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten insgesamt weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis dschihadistischer Gruppen befinden.“

Zudem sei es offensichtlich, dass andere EU-Länder wie Schweden oder Dänemark und auch die EU-Behörden längst zu viel differenzierteren Lageeinschätzungen kämen als das Auswärtige Amt. „Völlig unverständlich ist für mich, warum regimetreue syrische Straftäter nicht in ein vom Regime beherrschtes Gebiet zurückkehren können, ohne in Lebensgefahr zu geraten“, sagte Herrmann. Genauso könnten syrische Straftäter mit kurdischer Volkszugehörigkeit in kurdisch kontrollierte Regionen zurückgeschickt werden. „Hier verweigert das Auswärtige Amt jegliche differenzierte Betrachtung.“

Eine Abschiebung von sogenannten Gefährdern nach Syrien ist laut einem Rechtsgutachten weiterhin praktisch unmöglich. „Besonders schwierig wären Rückführungen islamistischer Gefährder, denen besonders häufig Folter oder unmenschliche Behandlung drohen“, heißt es in dem Gutachten des Völkerrechtlers Daniel Thym, das der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) angefordert hatte. Für Syrer, die in Deutschland viele Straftaten begangen haben, gilt dies nach Ansicht von Thym aber nicht so uneingeschränkt, wenn sie etwa in die Hauptstadt Damaskus abgeschoben werden können.

© dpa-infocom, dpa:201209-99-622632/2

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Erstellt:
9. Dezember 2020, 05:36 Uhr

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