Hilfe für Jugendliche auch in der Pandemie

Das Team der Mobilen Jugendarbeit hat neue Gesichter, doch die Pandemie erschwert das Kennenlernen. Nur Einzeltreffen können gerade stattfinden und die sind sehr gefragt, immer mehr Jugendliche benötigen Hilfe in der Schule oder bei der Jobsuche.

Ronja Focht (links) und Tatjana Riekert sind das neue Team der Mobilen Jugendarbeit in der Stadt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Ronja Focht (links) und Tatjana Riekert sind das neue Team der Mobilen Jugendarbeit in der Stadt. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Keine Gruppenarbeiten, kein gemeinsames Kochen, Fußballspielen, Tischkickern oder einfach nur zusammensitzen und reden. Viele Aktivitäten, die normalerweise in dem kleinen Raum mit gemütlichen Sofas und Küchenzeile in den Räumen der Mobilen Jugendarbeit stattfinden, sind gerade nicht möglich. Seit Anfang vergangenen Jahres ist Ronja Focht für die mobile Jugendarbeit tätig. Nach einer nur kurzen Überschneidungszeit mit der Vorgängerin wollte sie in Backnang nach dem Studium der Erziehungswissenschaften eigentlich voll in den Beruf starten. Doch dann kam Corona. „Teilweise waren noch kleinere Gruppentreffen möglich. Einige kamen fast jeden Tag zur selben Uhrzeit zum Lernen oder Hausaufgabenmachen“, sagt Focht. „Gerade viele Jüngere tun sich schwer in der Schule. Da helfen wir in eigentlich allen Fächern aus. Die Lehrer im Homeschooling zu fragen, ist oft mit einer größeren Hemmschwelle verbunden“, ergänzt Tatjana Riekert, das zweite neue Gesicht im Team, sie ist seit Oktober 2020 dabei. Aktuell ist aber wieder nur die Einzelfallbetreuung möglich. Die nutzen gerade vor allem ältere Jugendliche für Hilfe bei Bewerbungen, Anträgen und den allgemeinen Alltagsproblemen. Nur eine Gruppe Jungs trifft sich auch weiterhin einmal pro Woche – seit der Pandemie eben online – mit dem Team von der Mobilen Jugendarbeit.

Wie geht es den Jugendlichen in der aktuellen Situation?

„Uns ist natürlich wichtig, dass die Jugendlichen den Anschluss nicht verlieren. Aber vermutlich geht gerade schon der ein oder andere verloren“, sagt Focht. Man müsse einfach versuchen, dass eben nicht zu viele verloren gehen. Einfach werde das sicher nicht. Immer mehr merken die beiden, wie sich die anhaltende Pandemie auf die Jugendlichen auswirkt. „Sie sind gestresst und frustriert, dass noch kein Ende in Sicht ist“, sagt Riekert. Der ständige Wechsel von Homeschooling, Wechsel- und Präsenzunterricht sowie bei den Kontaktbeschränkungen sei schwierig. Vielen würde besonders der Kontakt zu den Freunden fehlen. Wie sehr, ist den beiden bei Rundgängen auf der Straße aufgefallen: „Selbst bei eisigen Temperaturen haben sich Freunde draußen getroffen.“ Viele Jugendliche seien außerdem schon lange nicht mehr so motiviert wie am Beginn der Pandemie. „Ich habe Respekt vor jedem, der sich trotzdem mit uns hinsetzt und wie am Fließband Bewerbungen schreibt“, meint Riekert.

Und obwohl das Team ganz neu ist und anziehende Angebote wie das gemeinsame Fußballspielen oder Kochen gerade nicht gehen, finden immer wieder neue Gesichter zu der Mobilen Jugendarbeit. „In den vergangenen Wochen wurden es immer mehr neue Jugendliche. Zum Beispiel welche, denen gekündigt wurde und die nun einen neuen Job suchen“, sagt Riekert. Zum Teil kommen nun auch vermehrt Jugendliche, die bereits vor einigen Jahren die Hilfe der Mobilen Jugendarbeit in Anspruch genommen haben und nun erneut Hilfe brauchen. „Häufig kommen welche und fragen nach Simone, der früheren Leiterin. Wir müssen dann erst mal erklären, dass sie nicht mehr da ist, wer wir sind, und dann lassen sich viele trotzdem helfen.“ Die Einschränkungen der Coronapandemie machen es den beiden nicht gerade leicht, das neue Team bei den Jugendlichen in Backnang vorzustellen. Gerade auch spontane Besuche und Gespräche fehlen. Zwar kommen auch so einige vorbei und sagen kurz „Hallo“, aber mehr geht dann auch nicht. „Wir können niemand spontan reinholen und bei einem Kaffee kurz quatschen, alles geht nur mit Terminen“, sagt Focht.

Das sei zum einen sehr schwierig, Termine einhalten sei für manche ihrer Besucher schwer, das Terminetakten sei ein zusätzlicher Aufwand. „Und zwischen allen Einzelterminen müssen wir ja Desinfizieren, wir sind einfach nicht mehr so flexibel“, sagt Riekert. Manchen habe das An-Termine-Halten aber auch ganz gut getan, „einige haben sich dran gewöhnt und wurden sogar pünktlicher“, sagt Focht. Denn bei den eng getakteten Einzelterminen war ein Verschieben, wenn man mal eine Stunde später kommt, schlicht nicht möglich. Trotz allem haben die fixen Termine aber auch einen Vorteil, denn die Jugendlichen wissen dann: Bei wichtigen Themen hat da jemand Zeit nur für mich. In abgeschwächter Form wollen sie das deshalb auch nach Ende der Einschränkungen beibehalten.

Sobald es wieder möglich ist, haben sie nämlich schon einige weitere Sachen geplant. Zum einen soll natürlich das Fußballspielen wieder losgehen, aber auch hoffen sie, dass die Gruppen- und Cliquentreffen bald wieder stattfinden können. Für die Sommerferien sind außerdem ein Ferienprogramm und verschiedene kreative und sportliche Aktivitäten, die auch draußen gut stattfinden können, geplant. „Wir haben verschiedene Coronakonzepte schon fertig, je nachdem, was erlaubt wird und was nicht“, sagt Riekert. Auch Material für DIY-Projekte stehe zum Beispiel schon bereit. Das sei wichtig für die Motivation im Team, meint Focht. „Wir müssen einfach mit einer positiven Einstellung planen.“ Auch wollen sie sich als neues Team der Mobilen Jugendarbeit in den Schulen vorstellen. „Wir wollen den Jugendlichen jetzt zeigen: Wir sind da, egal wie heikel die Themen sind“, meint Focht. „Aber es wird wohl dauern, bis wir wieder den Stellenwert wie vor der Pandemie bei den Jugendlichen haben.“ Außerdem wollen sie in den sozialen Medien noch präsenter werden, bereits jetzt erreichen sie immer mehr Anfragen über Instagram. Und die beiden sind sich sicher: Auch wenn die Pandemie mal vorbei ist, wird die Mobile Jugendarbeit benötigt werden, vielleicht sogar stärker als zuvor.

Die Mobile Jugendarbeit in Backnang

Mobile Jugendarbeit als Teil der Jugendhilfe soll benachteiligte junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren erreichen. In Backnang ist sie Teil des Vereins Kinder- und Jugendhilfe. Parteilich sind die Mitarbeiter immer für die Jugendlichen, auch setzen sie sich für deren Themen bei der Stadt ein, wenn es Probleme oder Vorschläge gibt.

Die Mobile Jugendarbeit arbeitet auf der Basis von Freiwilligkeit und Vertrauen. Die Mitarbeiter haben eine Schweigepflicht und viele Kooperationen mit weiteren Hilfsangeboten. So vermitteln sie bei Problemen an die genau passenden Beratungsangebote wie zum Beispiel an die Suchtberatung. In ihrer Tätigkeit sind die Mitarbeiterinnen auch mehrmals pro Woche auf der Straße und treffen die Jugendlichen an deren Treffpunkten. Gerade als neues und teilweise unbekanntes Team möchten sie sich von dem neuen Streetworkprojekt „Bbro“ abgrenzen. Dieses läuft auf eine begrenzte Zeit, während die Mobile Jugendarbeit ein dauerhaftes Angebot für Jugendliche ist.

Mehr Informationen zur mobilen Jugendarbeit Backnang gibt es unter www.famfutur-bk.de/jugendhilfeangebote. Außerdem ist die Kontaktaufnahme telefonisch unter 07191/980567, per Mail an r.focht@kinderundjugendhilfe-bk.de oder über den Instagram-Kanal mobile_jugendarbeit_backnang möglich.

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Erstellt:
7. Mai 2021, 06:00 Uhr

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