Hilfsorganisationen in Afghanistan vor neuen Schwierigkeiten

dpa Kabul. Internationale Helfer hatten es in Afghanistan nie leicht. Seit die Taliban an der Macht sind und Sanktionen auf ihre Regierung angewendet werden, stehen sie vor neuen Schwierigkeiten.

Zwei afghanische Frauen warten mit ihren Kindern vor einer Klinik für Ernährungsfragen. Foto: Julian Frank/WFP/dpa

Zwei afghanische Frauen warten mit ihren Kindern vor einer Klinik für Ernährungsfragen. Foto: Julian Frank/WFP/dpa

Hilfsorganisationen in Afghanistan stehen seit der Machtübernahme der Taliban vor zahlreichen neuen Herausforderungen.

Vor allem die Sanktionen machten ihnen zu schaffen, sagte die Landesdirektorin des International Rescue Committee (IRC) für Afghanistan, Vicki Aken, der Deutschen Presse-Agentur. Nach bestehenden Regeln könne eine Organisation monatlich 25.000 US-Dollar von einem Bankkonto beheben. IRC mit seinen zahlreichen Projekten brauche allerdings 400.000 US-Dollar die Woche.

Die militant-islamistischen Taliban haben in Afghanistan Mitte August die Macht militärisch übernommen. Gleichzeitig stellten Geberländer die Zahlung von Entwicklungsgeldern ein, Reserven der afghanischen Zentralbank wurden eingefroren. Internationale Überweisungen in das Land über das Swift-System sind ausgesetzt.

Es habe mindestens einen Monat gedauert, um Wege zu finden, Geld in das Land zu bringen und die Mitarbeiter und Aktivitäten finanzieren zu können, sagt Aken. Das Thema sei aber noch nicht vom Tisch, da nicht alle Geldgeber Transaktionen über das internationale Hawala-System akzeptierten. Es müsse eine Lösung für die Bankenkrise geben, auch damit normale Afghaninnen und Afghanen wieder auf ihre Ressourcen zugreifen könnten.

Psychologische Herausforderung

Insgesamt steckten Hilfsorganisationen in einer Zwickmühle. Die Taliban-Regierung sei international nicht anerkannt, aber sie sei die Regierung, mit der die Hilfsorganisationen zusammenarbeiten müssten. Es gälten weiterhin die gleichen Gesetze für Nichtregierungsorganisationen - und diese rängen nun etwa mit der Frage, ob sie weiterhin Steuern in dem Land zahlten oder nicht. Manche Geber sagten, sie sollten keine Steuern zahlen. „Aber vielleicht wirft uns dann die Regierung aus dem Land“, erklärt Aken.

Auch psychologisch sei es herausfordernd für Helfer im Land, weil man mehr tun wolle. Mit der Machtübernahme der Taliban wurden Entwicklungsgelder eingestellt, aktuell gibt es praktisch nur humanitäre Hilfe. Diese sei verschwindend gering im Vergleich zu den Geldern, die davor nach Afghanistan flossen, sagt Aken.

Der Großteil der Gelder sei zuvor über den von der Weltbank verwalteten Afghanistan Reconstruction Trust Fund (ARTF) gekommen, etwa um das gesamte Gesundheitssystem zu finanzieren oder alle Lehrer im Land zu bezahlen. Darüber hinaus habe es groß angelegte Projekte der USA oder etwa Deutschlands gegeben, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. „All das lief unter Entwicklungshilfe und wurde nun temporär oder gänzlich eingestellt“, sagt Aken.

Positive Überraschungen in Bezug auf Frauen

Es habe aber auch Überraschungen gegeben. Bei Treffen mit Offiziellen der neuen Machthaber sei ihr - einer Frau und US-Bürgerin - keine Feindseligkeit entgegengeschlagen, sagt Aken. Aufgrund der für Ausländer verbesserten Sicherheitslage habe sie zudem etwa als erste internationale Mitarbeiterin von IRC seit 2014 in die Provinz Logar reisen können.

Auch dass ihre Stellvertreterin - eine afghanische Frau - bei den Treffen mit lokalen Taliban anwesend war, sei kein Problem gewesen. Mittlerweile könnten auch in allen neun Provinzen, in denen IRC tätig ist, die Mitarbeiterinnen wieder ihrer Arbeit bei IRC nachgehen.

© dpa-infocom, dpa:211203-99-238155/2

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Erstellt:
3. Dezember 2021, 05:18 Uhr

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