Hinter den Kulissen des Krematoriums in Schwäbisch Hall

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Feuerbestattung. Warum das so ist, wie genau diese abläuft und wieso man sich früh mit dem Thema beschäftigen sollte, erklärt Sandra Lutz vom Krematorium am Waldfriedhof in Schwäbisch Hall, wo viele aus der Region verbrannt werden.

Der Raum, in dem die Verbrennungsanlage steht, ist bewusst stimmungsvoll gestaltet. Hier können die Angehörigen die Verstorbenen auch bis zuletzt begleiten, wenn sie das wünschen. Fotos: privat

Der Raum, in dem die Verbrennungsanlage steht, ist bewusst stimmungsvoll gestaltet. Hier können die Angehörigen die Verstorbenen auch bis zuletzt begleiten, wenn sie das wünschen. Fotos: privat

Von Kristin Doberer

Schwäbisch Hall. Ein stimmungsvoll beleuchteter Raum mit Holzvertäfelung, Pflanzen am Rand und gepolsterten Sitzbänken empfängt einen, wenn man das Krematorium am Waldfriedhof in Schwäbisch Hall betritt. Nicht unbedingt das Ambiente, das wohl viele von einem Krematorium im Kopf haben. „Viele stellen sich ein Krematorium anders vor, aber das kann auch offen sein“, sagt die Betreiberin Sandra Lutz. „Das hier ist unser Raum des Abschieds.“ Immer mehr Menschen nämlich halten Trauerfeiern direkt hier in ihren Räumen ab. Viele Verstorbene aus dem Backnanger Raum, die sich für eine Feuerbestattung entschieden haben, kommen in das Krematorium in Schwäbisch Hall. Neben Stuttgart und Schwäbisch Gmünd ist es das nächstgelegene. Seit 2009 führen Sandra und Jochen Lutz das Krematorium am Waldfriedhof bereits. „Damals gab es rund 30 Prozent Feuer- und 70 Prozent Erdbestattungen“, schätzt sie. Mittlerweile habe sich das gedreht, im städtischen Raum liege der Prozentsatz der Feuerbestattungen sogar deutlich über 80 Prozent. Trotzdem gebe es aber zumindest hier in der Region keine langen Wartezeiten, denn die Bestattungskultur habe sich ja nicht über Nacht verändert. „Für gewöhnlich hat man die Urne dann nach drei Tagen zurück.“ Auch haben sie den Betrieb 2015 um eine zweite Einäscherungsanlage erweitert. Die beiden Anlagen werden für gewöhnlich im Zweischichtbetrieb betrieben, theoretisch wären auch drei Schichten möglich. Doch Nachtschicht, so Lutz, versuche sie den Mitarbeitern wenn möglich zu ersparen.

Der Blick auf Feuerbestattungen hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt

Doch warum entscheiden sich mittlerweile so viel mehr Menschen für eine Feuerbestattung? Es gebe verschiedene Gründe, meint Sandra Lutz, die nicht nur mit den Bestattern, sondern immer wieder auch mit den Angehörigen selbst Kontakt hat. So ist eine Erdbestattung meist teurer, durch die Grabpflege gibt es oft jahrelange Folgekosten. Auch brauche eine Erdbestattung mehr Platz auf dem Friedhof – im Gegensatz zum Beispiel zu einem Platz in einem Stelengrab – und außerdem habe sich allgemein der Blick auf Feuerbestattungen verändert. „Früher hat man sich darüber gar nicht so viele Gedanken gemacht. Heute sind die Menschen viel individueller, auch bei der Art ihrer Bestattung“, sagt die Betreiberin des Krematoriums.

Eine große Rolle spiele auch der Aufwand, den die Grabpflege und das Gießen mit sich bringen. Im Gegensatz zu früher bleiben Kinder und Enkel nicht zwingend im Heimatdorf, die Frage danach, wer sich um das Grab kümmern soll, bleibe immer häufiger unbeantwortet. „Vielen ist es außerdem wichtig, dass ihre Angehörigen gerne an sie zurückdenken und das nicht immer mit Arbeit verbinden“, erzählt Sandra Lutz. Auch werden die Menschen immer älter, macht sie auf einen weiteren Umstand aufmerksam. Stirbt zum Beispiel eine Person mit über 90 Jahren, sind deren Kinder häufig auch schon etwas älter und können sich vermutlich keine 20 Jahre lang um die Grabpflege kümmern.

Sandra und Jochen Lutz betreiben seit 2009 das Krematorium am Waldfriedhof in Schwäbisch Hall.

Sandra und Jochen Lutz betreiben seit 2009 das Krematorium am Waldfriedhof in Schwäbisch Hall.

Sobald feststeht, dass es eine Feuerbestattung sein soll, bringt der Bestatter die verstorbene Person mit dem Sarg und meist schon mit allen benötigten Formularen nach Schwäbisch Hall. Dort findet eine zweite Amtsarztuntersuchung statt, um sicherzugehen, dass die Todesursache auch wirklich richtig bestimmt wurde. Dabei gehe es nicht unbedingt um übersehene Straftaten, sondern um Sicherheit und Vollständigkeit, erklärt Sandra Lutz. Stimmt mit den Unterlagen alles, gibt es das Einverständnis der Stadt Schwäbisch Hall, welche alle Einäscherungen vorher prüft. Trotz all dieser Formalitäten sei die Wartezeit für die Angehörigen meist recht kurz. In Schwäbisch Hall bleiben die Verstorbenen im Sarg so lange im Kühlraum, bis es Zeit für die Einäscherung ist. Zum Teil entscheiden sich Angehörige, die Verstorbenen auch auf dem letzten Weg zu begleiten, und sind dabei, wenn der Sarg in die Verbrennungsanlage kommt. Sie begleiten den Sarg dann vom Abschiedsraum über einen mit Laternen geschmückten Weg zu dem Raum mit der Verbrennungsanlage. „Auch wenn keiner dabei sein kann, brennt hier in dem Raum immer eine Kerze. Damit keiner alleine sein muss“, sagt Sandra Lutz mit Blick auf eine Kerze an der Wand. Gesteuert wird die Anlage komplett über ein Display an der Wand.

Etwa eine Stunde dauert es im Durchschnitt, bis der Körper vollständig verbrannt ist. Je nach Körpergröße und Gewicht könne es länger dauern. Sobald die Überreste abgekühlt sind, müssen noch Fremdkörper entfernt werden. Das sind zum Teil Bestandteile des Sargs wie Nägel und Griffe, die nicht verbrannt sind. Zum Teil sind das aber auch Überbleibsel von Operationen wie künstliche Hüftgelenke, Metallplatten oder Schrauben. „Die werden mit einem Magnet aus der Asche geholt und recycelt“, erklärt Lutz. Noch übrig gebliebene Knochen und Zähne werden dann mit der Asche zusammen gemahlen und in eine Aschekapsel gefüllt. Diese geht zurück an den Bestatter, der die Aschekapsel in die von der Familie ausgesuchte Urne packt.

Verwechslungsgefahr gibt es auch bei der Feuerbestattung nicht

Eine Verwechslung könne es übrigens nicht geben, versichert Lutz. Denn vor der Feuerbestattung wird jedem Verstorbenen eine sechsstellige und fortlaufende Nummer zugeordnet, unter welcher die genauen Daten und Personenangaben sowohl beim Krematorium als auch bei der Stadt Schwäbisch Hall gespeichert sind. Diese Nummer wird in einen Schamottstein – einen feuerfesten Identifikationsstein – graviert, der bei der Einäscherung auf den Sarg gelegt wird. Auch danach komme dieser mit in die Urne. „Selbst wenn also zweimal Meier oder Müller an einem Tag kremiert werden, gibt es so keine Verwechslungsgefahr.“ Im Moment sind etwa zehn Personen im Krematorium beschäftigt. Für sie ist die Arbeit mit den Verbrennungsanlagen schon zu einer gewissen Routine geworden. „Trotzdem ist die Würde jedes Einzelnen für uns eine Priorität, jeder wird wertgeschätzt“, sagt Lutz. Auch deshalb lege das Familienunternehmen viel Wert auf eine stimmungsvolle Umgebung. Sie habe vor allem langjährige Mitarbeiter, die sich den Beruf auch gezielt ausgesucht haben. „Sie sagen ganz klar: Wir wollen etwas wirklich Sinnvolles tun.“

Eine Verwechslungsgefahr gibt es nicht, denn ein feuerfester Identifikationsstein bleibt beim Sarg und der Asche.

Eine Verwechslungsgefahr gibt es nicht, denn ein feuerfester Identifikationsstein bleibt beim Sarg und der Asche.

Die Betreiberfamilie des Krematoriums geht bewusst ganz offen damit um, wie eine Einäscherung abläuft. Immer wieder kommen auch Besuchergruppen, die sich die Anlage und die Räume anschauen. „Es ist wichtig, dass man sich mit dem Thema beschäftigt“, sagt Sandra Lutz. „Und dann die Entscheidung für eine Bestattungsform auch klar an die Angehörigen kommuniziert.“ Für die Angehörigen sei es nämlich dann besonders schwierig, eine Entscheidung zu treffen, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten überhaupt keine Wünsche geäußert hat. Vor allem, weil diese schwierige Entscheidung dann sehr schnell und in einer ohnehin von Trauer und Emotionalität geprägten Zeit getroffen werden muss. „Und wenn nach einer Besichtigung dann einer hier rausgeht und sagt, für mich ist das nichts, dann ist das auch wunderbar“, betont sie, schließlich gebe es mittlerweile viele verschiedene Bestattungsformen – und animiert selbst jüngere Menschen dazu, sich mit diesen auseinanderzusetzen.

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Erstellt:
25. November 2023, 16:00 Uhr

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