Historisches Volksfest wird gestrichen
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird es nächstes Jahr kein Historisches Volksfest geben. Weder Stadt noch die Stadträte wollen für das Fest, das das Königspaar Wilhelm I. und Katharina 1818 aus der Taufe hoben, Geld ausgeben.
© Lichtgut/Leif Piechowski
OB Nopper eröffnete das Historische Volksfest 2022 auf dem Schlossplatz – im kommenden Jahr wird es wohl keine Neuauflage mehr geben.
Von Frank Rothfuß
Stuttgart - Es sieht schlecht aus für den Rummel: Das Historische Volksfest wird wohl den Sparmaßnahmen der Stadt zum Opfer fallen. Weder Stadt noch die größeren Gemeinderatsfraktionen haben in ihren Entwürfen für den Doppelhaushalt für 2026 Geld dafür vorgesehen.
Endgültig ist das noch nicht, schließlich muss der Gemeinderat den Haushalt am 19. Dezember noch beschließen und entscheiden, wie das vorhandene Geld verteilt wird. Und weil man in den zuletzt fetten Jahren mit reichlich Gewerbesteuer sehr freigiebig war, muss man nun mit sinkender Gewerbesteuer wieder sparen. 600 Millionen Euro weniger kann man ausgeben als noch in diesem Jahr. Nun gehen alle schon mal vorsorglich auf die Barrikaden, die Kultur, der Sport, die Sozialverbände, der Tenor ist immer ähnlich: Natürlich seien die eigenen Projekte die wichtigsten und in jedem Falle weiter zu unterstützen.
Und so wie es aussieht, hat das Historische Volksfest dabei keine Lobby. Vielleicht weil das Historische Volksfest immer nur alle vier Jahre auf dem Schlossplatz stattfindet, immer dann, wenn wenn auf dem Wasen das Landwirtschaftliche Hauptfest parallel zum Volksfest aufgebaut wird. Das heißt, die nötige Million muss immer wieder neu beantragt werden. Die SPD sagt in ihrem Entwurf ausdrücklich, sie wolle darauf verzichten. Grüne und CDU erwähnen das Historische Volksfest erst gar nicht, auch der Kämmerer Thomas Fuhrmann hat den Rummel nicht auf seiner Liste. Ein Stadtrat verwies allerdings darauf, dass der OB 100.000 Euro einplant habe, für ein abgespecktes Historisches Volksfest auf dem Wasen.
Das hat Andreas Kroll, Chef der Veranstaltungsgesellschaft in. Stuttgart, erstaunt. Davon habe er noch nichts gehört, er will sich dieser Tage mal bei Fuhrmann auf den neuen Stand bringen lassen. Schließlich müssen seine Leute das Fest organisieren, sollte es doch noch stattfinden. Von einer abgespeckten, heruntergesparten Version rät er indes ab. „Wenn wir den Schlossplatz bespielen, müssen wir dies richtig und angemessen tun.“ Und auf dem Wasen sei mit Volksfest und Landwirtschaftlichem Hauptfest ohnehin kein Platz im nächsten Jahr.
Keine Sorge. Das OB-Büro plant mit den 100 000 Euro anderes. Kein Historisches Volksfest in Sparversion. Oberbürgermeister Frank Nopper lässt ausrichten: „In der aktuellen Haushalts- und Finanzlage können wir uns das Historische Volksfest dieses Mal bedauerlicherweise nicht leisten. Aus meiner Sicht sollten wir jedoch zumindest als kleine Kompensation das Traditionselement im Rahmen des Volksfestumzugs spürbar stärken.“
Das Historische Volksfest wurde 2018 aus der Taufe gehoben. Damals feierte das Volksfest seinen 200. Geburtstag und das Landwirtschaftliche Hauptfest seine 100. Auflage. Um diesem doppelten Jubiläum gerecht zu werden, zog das Volksfest erstmals in seiner Geschichte über den Neckar. Auf den Schlossplatz. Der Ableger in der Innenstadt war nicht nur dafür da, auf alten Karussells zu fahren, Gauklern zuzuschauen und Most zu trinken. Es erinnerte auch an die Wurzeln des Festes, das König Wilhelm I. 1818 gestiftet hat.
Schlimme Zeiten waren das. Die Kriege Napoleons hatten Württemberg verwüstet. Zigtausende Bauernburschen waren gefallen. 1815 brach dann auch noch der Vulkan Tambora in Indonesien aus, seine Asche verdunkelte den Himmel auch in Europa, im Jahr darauf schneite es in Württemberg im Juli, die Ernte verfaulte, die Menschen verhungerten. Zehntausende Schwaben flohen aus dem Land nach Russland und Amerika. 1816 kamen Wilhelm I. und Katharina an die Macht. Sie reformierten das Land und die Landwirtschaft, gründeten die Uni Hohenheim zur Fortbildung der Bauern, nie mehr sollten Menschen verhungern. Und das Königspaar stiftete 1818 das Volksfest auf dem Wasen aus Dankbarkeit, weil man endlich wieder zu essen hatte. Aber auch als Agrarmesse, auf der Neuheiten ausgetauscht wurden und gefachsimpelt wurde.
Das Historische Volksfest war so auch ein Kurs in Landesgeschichte. Und die Menschen kamen zuhauf, eine halbe Million, und liebten es. Und schrieben tausende Mails und Briefe ans Rathaus, alle lobend und mit der Bitte um Wiederholung. Denn gedacht war es als einmalige Sache. Doch weil die Begeisterung so groß war, entschied man sich, alle vier Jahre wieder mit dem Historischen Volksfest auf den Schlossplatz zu kommen. 2022 war es soweit. 600 000 Besucher waren da. Doch 2026 wird es allem Anschein nach nicht mehr stattfinden.
