Höchster Gewerbesteuersatz im Landkreis

Steuererhöhung würde Backnang zwar 1,3 Millionen Euro Mehreinnahmen bescheren, aber auch einen traurigen Spitzenplatz

Die Backnanger Stadtverwaltung hat dem Gemeinderat vorgeschlagen, die Grundsteuern A und B sowie die Gewerbesteuer im nächsten Jahr zu erhöhen. Demnach sollen die Hebesätze von derzeit 385 auf 420 Punkte bei den Grundsteuern steigen. Die Gewerbesteuer würde mit 400 Punkten gar den kreisweit höchsten Wert erklimmen. Der Stadtsäckel dürfte sich über Mehreinnahmen von 1,3 Millionen Euro freuen.

Bei den Steuersätzen gibt es große Unterschiede. Wenn Backnang die Grundsteuer B zum Beispiel auf 420 Punkte anhebt, ist es noch nicht Spitzenreiter. Bei der Erhöhung der Gewerbesteuer auf 400 Punkte sieht es anders aus. So viel verlangte zumindest im aktuellen Jahr keine andere Kommune. Ob einige Gemeinden 2020 nachziehen, steht derzeit noch nicht fest. Grafik: BKZ/J. Bauer

Bei den Steuersätzen gibt es große Unterschiede. Wenn Backnang die Grundsteuer B zum Beispiel auf 420 Punkte anhebt, ist es noch nicht Spitzenreiter. Bei der Erhöhung der Gewerbesteuer auf 400 Punkte sieht es anders aus. So viel verlangte zumindest im aktuellen Jahr keine andere Kommune. Ob einige Gemeinden 2020 nachziehen, steht derzeit noch nicht fest. Grafik: BKZ/J. Bauer

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Steuererhöhung würde laut den Berechnungen von Kämmerer Alexander Zipf Mehreinnahmen von 1,3 Millionen Euro in den Stadtsäckel spülen. Eine beachtliche Summe zwar, aber gleichzeitig auch ein sehr unpopulärer Schritt. Oberbürgermeister Frank Nopper verteidigte die Erhöhung trotzdem. Er begründete sie unlängst bei der Einbringung des Haushalts im Gemeinderat damit, „dass wir ohne die Anhebung der Steuersätze die ständig steigenden laufenden Ausgaben nicht mehr ausgleichen können“. Nopper erinnerte die Stadträte zudem daran, dass die letzte Anpassung bereits fünf Jahre zurückliegt und die Hebesätze in all diesen Jahren im Vergleich mit anderen Kommunen „moderat“ gewesen seien.

Sollte die Erhöhung beschlossen werden, so könnte davon keine Rede mehr sein. Im Gegenteil. Markus Beier, der Hauptgeschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr, ordnete gestern die beabsichtigte Erhöhung der Gewerbesteuer von 385 auf 400 Punkte folgendermaßen ein: „Im Rems-Murr-Kreis würde Backnang nach unseren Informationen damit den höchsten Gewerbesteuerhebesatz berechnen.“ Glücklich über diesen traurigen Spitzenplatz könne keiner sein, schließlich „kann eine Anhebung der Gewerbesteuer immer nur die Ultima Ratio sein“. Von den Großen Kreisstädten verlangten bisher nur Fellbach und Schorndorf mehr Steuern von ihren Gewerbetreibenden. Mit der Erhöhung würde Backnang auch diese überflügeln.

Backnangs Kämmerer Zipf betont die Bedeutung der Einnahmequelle. Die drei Steuern seien „eine tragende Säule der städtischen Ertragshoheit“. Deutlich werde dies beim Blick auf die geplanten Steuereinnahmen nach dem Haushaltsplanentwurf 2020, insgesamt wären es 27,7 Millionen Euro. Zipf: „Mit einem Anteil von über 27 Prozent an den Gesamteinnahmen zählen Realsteuererträge mit zu den wichtigsten Ertragsquellen des städtischen Haushalts.“

Die Festlegung der Hebesätze liegt im Ermessen des Gemeinderats

Gleichzeitig weist Zipf darauf hin, dass die Verwaltung die Hebesätze nicht nach Gutdünken verändern kann: „Die Festsetzung der Steuerhebesätze liegt im Ermessen des Gemeinderats.“

Für 2019 konnte laut Zipf von einer Erhöhung aus zweierlei Gründen noch abgesehen werden. Erstens: Der Finanzausgleich meinte es gut mit Backnang, es gab mehr Geld vom Land. Zweitens: Die gute Konjunktur sorgte auch für eine gute Ertrags- und Finanzlage. Die mit der guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stetig steigenden Steuererträge ermöglichten es bis einschließlich dieses Jahres, die stark steigenden Aufwendungen besonders im Bereich der Kinder- und Schulbetreuung zu finanzieren.

Aktuell müsse jedoch auch im nächsten Jahr von einer Zunahme an Betreuungskosten ausgegangen werden. Die Folgen sind drastisch. Zipf: „Nach den Ergebnissen der vergangenen Mai-Steuerschätzung und den Eckdaten zum Haushaltserlass 2020 sowie der komplizierten Wechselwirkung im Finanzausgleich können die notwendigen Aufwendungen nächstes Jahr nicht mehr erwirtschaftet werden.“ Wenn allerdings die Erhöhung der Hebesätze beschlossen wird, dann können die damit verbundenen Mehreinnahmen in Millionenhöhe in den nächsten Jahren – also über den gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2023 – einen ausgeglichenen Etat gewährleisten.

Info
Stadträte treffen heute die Entscheidung

Die Gewerbesteuer fließt als kommunale Steuer direkt der jeweiligen Kommune zu und kann in ihrer Höhe durch die Kommune selbst festgelegt werden.

Laut Markus Beier von der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr ist die unterschiedliche Höhe der Gewerbesteuer in den Kommunen auch ein wichtiger Standortfaktor. „Jede Steuererhöhung in der derzeitigen konjunkturellen Phase bedeutet eine zusätzliche Belastung der Unternehmen und erhöht den Druck auf die Firmen weiter. Die Unternehmen erwarten deshalb, dass im Zuge einer Diskussion über Steuererhöhungen immer auch die Ausgabenseite kritisch hinterfragt wird.“

Christiane Conzen ist beim Städtetag Baden-Württemberg Referentin für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie betont zwar, dass der Städtetag Einzelentscheidungen seiner Mitglieder weder kommentiert noch bewertet. Ganz allgemein erklärt sie: „Grund- und Gewerbesteuer beziehen sich nicht auf spezielle Leistungsangebote, sondern dienen der allgemeinen Aufgabenerfüllung und -finanzierung. Steuererhöhungen geschehen nicht leichtfertig, oft gehen ihnen mehrjährige Abwägungsprozesse voraus, etwa mit Blick auf die Finanzierung von Großprojekten in einer Stadt.“

Die Entscheidung über die Festlegung der Hebesätze wird von den Backnanger Stadträten in der heutigen Gemeinderatssitzung getroffen. Die Sitzung findet im Kreisverwaltungsgebäude in der Erbstetter Straße 58 statt und beginnt um 17 Uhr.

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Erstellt:
14. November 2019, 06:00 Uhr

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