Hofschlachtung in Burgstetten soll Weg zu mehr Tierwohl sein
Ruhig, respektvoll und ohne Angst – so soll eine Schlachtung idealerweise aussehen. Auf dem Bioland-Hof Voltz in Burgstetten wird Tierwohl daher bis zum letzten Moment gelebt.
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Landwirt Helmut Voltz erklärt den Anwesenden das Einbinden des Fressgitters in den Alltag. Fotos: Alexander Becher
Von Simone Schneider Seebeck
Burgstetten. Während der Fleischkonsum insgesamt zurückgeht und der Anteil von Biofleisch nur langsam wächst, rückt die Frage nach der Herkunft und der Art der Schlachtung zunehmend in den Fokus. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, unter welchen Bedingungen Tiere gehalten und geschlachtet werden – und suchen nach Alternativen, die Tierwohl und Qualität verbinden. Für viele Landwirtinnen und Landwirte bedeutet es nicht nur artgerechte Haltung, sondern auch einen respektvollen Umgang mit dem Tier bis zum letzten Moment – etwa durch die Hofschlachtung, die den Tieren Stress und Angst ersparen soll.
So wie beim Bioland-Bauernhof Voltz in Burgstetten. Das Rind steht an seinem letzten Tag an dem Ort, den es kennt: seinem Hof. Wenn hier geschlachtet wird, geschieht es ruhig, respektvoll und ohne Angst. Hofschlachtung bedeutet, dem Tier den letzten Weg zu ersparen – und ihm in seinem vertrauten Umfeld einen würdevollen Abschied zu ermöglichen.
Wie das gelingen kann, erläuterte Landwirt Helmut Voltz im Rahmen eines Vortrags, der gemeinsam mit den Regionalmanagerinnen der Biomusterregionen Rems-Murr/Ostalb und Ludwigsburg/Stuttgart organisiert wurde. Nicht wenige interessierte Landwirte und Landwirtinnen nutzten diese Gelegenheit, um sich zu informieren und auch Fragen zur Umsetzung zu stellen.
Zu Beginn stellten Johanna Greiner (Ludwigsburg/Stuttgart) und Melina Kesel (Rems-Murr/Ostalb) die Arbeit der Biomusterregion vor. Im August 2021 hatte die EU eine neue Richtlinie in Bezug auf die Hofschlachtung veröffentlicht. Seither dürfen mit behördlicher Genehmigung bis zu drei Hausrinder oder bis zu sechs Schweine pro Schlachtvorgang direkt im Herkunftsbetrieb mit einer „mobilen Einheit“ geschlachtet werden. „In der Region Rems-Murr/Ostalb war die hofnahe Schlachtung von Rindern bereits in der Bewerbungsphase zentral“, wie Melina Kesel erläutert. Vor allem kleinere Betriebe nutzen diese Möglichkeit bereits. Aufgrund des Interesses weiterer Betriebe wurde nun diese Infoveranstaltung angeboten. Für die praktische Umsetzung empfahl Kesel den direkten Kontakt zu den regionalen Veterinärämtern. Zwar könne man von bereits praktizierenden Betrieben lernen, aber die Umsetzung sei doch betriebsindividuell. Zum rechtlichen Hintergrund stellt das Land einen Leitfaden bereit.
Strikte zeitliche Vorgaben
Von der Theorie zur Praxis – Bioland-Bauer Helmut Voltz berichtete von seinen Erfahrungen. Bereits seit 29 Jahren ist der Familienbetrieb Bioland-zertifiziert, die Kühe und Rinder können sich im Stall frei bewegen, haben einen Auslauf, sind auch auf der Weide. Er brachte es auf den Punkt: Was bringe es, den Tieren ein möglichst gutes Leben zu bieten, wenn dann die letzten Stunden schrecklich seien. Daher sei es sein Bestreben, „den Betrieb so rundzumachen, dass es gut ist“. Deshalb haben er und drei weitere Höfe sowie zwei Metzger sich zu einer GbR zusammengetan, um gemeinsam einen Hänger anzuschaffen, in dem die erlegten Tiere zur Metzgerei transportiert werden können. Denn hierbei gibt es strikte zeitliche Vorgaben. Zwischen dem Tod des Tiers und der Ankunft sollte nicht mehr als eine Stunde vergehen.
Mithilfe von Fördergeldern konnten zwei Drittel der Anschaffungskosten finanziert werden, den Rest übernahmen die Mitglieder anteilig. Zudem muss jeder Betrieb, auf dem geschlachtet wird, eine Vorrichtung aufweisen, in der das Tier gut fixiert werden kann. Auf dem Bioland-Hof Voltz ist das ein sogenanntes Fressgitter. Steckt das Tier den Kopf hindurch, um das Futter auf der anderen Seite zu fressen, verhindert ein Bügel, dass es diesen wieder herausziehen kann. So lässt sich das Tier schnell betäuben. Der anschließende Schnitt muss dann im Beisein eines Tierarzts innerhalb einer Minute erfolgen. Damit alles möglichst schnell und reibungslos geht, sei ein gut eingespieltes Team sehr wichtig, wie der Landwirt betonte.
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Mit diesem Wagen wird das erlegte Tier schnellstmöglich in die Metzgerei gebracht.
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Ganz zentral sei, das Fressgitter in den Ablauf der Tiere einzubringen, damit diese sich daran gewöhnen könnten, berichtete Helmut Voltz. So sei es im Alltag so eingerichtet, dass der Bügel sich wieder zurückschieben lässt, die Tiere also den Kopf wieder zurückziehen können, wenn sie genug gefressen haben. Zudem lässt sich der Bereich auch so abtrennen, dass nur das Rind, das geschlachtet werden soll, sich darin aufhält. Auch das wird bereits vorher mit den Tieren geübt.
Ob sich denn die hofnahe Schlachtung auch auf die Fleischqualität auswirke, lautete eine Frage eines Interessierten. Seiner Erfahrung nach zwar nicht, so Voltz, doch der ausführende Metzger gab zu bedenken: „Es kommt auch auf den Bauern an. Wenn er ruhig ist, sind auch die Tiere ruhig.“ Das mache sich auch bei der Schlachtung im Schlachthof bemerkbar. „Wir sind überzeugt, dass es ein gutes Verfahren ist“, sagt Landwirt Voltz.
Der Abend machte deutlich, dass hofnahe Schlachtung für gelebtes Tierwohl und regionale Verantwortung steht und eine Möglichkeit ist, Tieren den letzten Weg zu ersparen und gleichzeitig Verbraucherinnen und Verbrauchern Transparenz und Vertrauen zu bieten.
Das Beispiel des Bioland-Hofs Voltz zeigt, wie Engagement, Kooperation und Überzeugung zusammenwirken können, um einen respektvollen Umgang mit Tieren vom ersten bis zum letzten Tag zu gewährleisten. Ein Schritt hin zu einer Landwirtschaft, die Tier, Mensch und Region gleichermaßen im Blick hat.
Musterregionen Im Sommer 2020 hat das Land Baden-Württemberg mehrere Gesetzesänderungen beschlossen, um die Biodiversität zu stärken. Diese Änderungen sollen auch dazu beitragen, mehr Wachstum im Biosektor zu generieren. Geplant ist ein Anteil an ökologischer Landwirtschaft von 30 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2030. Die Verarbeitung und auch die Vermarktung ökologisch produzierter Produkte soll hiesigen Betrieben neue Einkommenschancen bieten und Unternehmen und Umwelt zugleich nutzen.
Die sogenannten Biomusterregionen sind ein Ansatz, um die regionale Wertschöpfung, also die heimische Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung, zu unterstützen und den Ökolandbau zu fördern. Durch einen Wettbewerb wurden 2018 die ersten vier Biomusterregionen ausgewählt. Seit 2020 gehört auch der Rems-Murr-Kreis zur Biomusterregion. Weitere Informationen findet man unter https://t1p.de/eu8ro.
Fleischkonsum Der Pro-Kopf-Fleischverzehr in Deutschland ist über die Jahre gesunken. So lag der Verbrauch im Jahr 2018 noch bei rund 61 Kilogramm pro Person und 2023 bei etwa 51,6 Kilogramm pro Person. Allerdings verzeichnet das Jahr 2024 eine leichte Steigerung auf rund 53,1 Kilogramm pro Kopf. Während der Anteil von Biofleisch und -wurstwaren am Fleischkonsum sich zwischen 2018 und 2021 fast verdoppelt hat (2022 betrug er knapp vier Prozent), wächst er seither nur wenig. So habe der Zuwachs 2024 laut Branchenmeldungen lediglich um die fünf bis sechs Prozent betragen.
