Hoppelndes Hobby

Bernd Uhlmann aus Spiegelberg züchtet seit 1980 Kaninchen. Sein Vater hat bereits Ende der 1940er-Jahre damit angefangen.

Die Kaninchen der Rasse Castor-Rex sind für ihr samtweiches Fell bekannt. Mit ihnen ist Bernd Uhlmann in die Kaninchenzucht eingestiegen. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Die Kaninchen der Rasse Castor-Rex sind für ihr samtweiches Fell bekannt. Mit ihnen ist Bernd Uhlmann in die Kaninchenzucht eingestiegen. Fotos: A. Becher

Von Melanie Maier

Spiegelberg. Leise schnalzend betritt Bernd Uhlmann die Gartenscheune. Hinter der unauffälligen Holztür verbergen sich, anders als erwartet, nicht Holzstapel, Besen oder Rechen, sondern Kaninchenställe. Sehr viele Kaninchenställe. Geradeaus, rechts und links: Kaninchen. Dunkelbraune, hellbraune, gefleckte, schwarze, weiße. Die Ställe stapeln sich vom Boden fast bis an die Decke. Um die 70 Tiere hat der Züchter aus Spiegelberg aktuell. „Heute Nacht haben noch drei geworfen“, sagt er.

Es riecht nach Heu. Obwohl es so viele Tiere sind, ist es sehr ruhig in der kleinen Scheune. Nur, wenn man ganz leise ist, hört man die Häschen an einer Karotte knabbern oder im Heu rascheln. Eins gurrt wie eine Taube. Irgendwie beruhigend. Auch, wie die Kaninchen sich verhalten, wirkt sich sehr positiv auf den Serotoninspiegel aus: Drei im Januar geborene, braune, mangogroße Häschen liegen eng beieinander, lecken sich die Ohren. Das weiße im Stall darüber gähnt und streckt sich, die Babys rechts hüpfen übermütig durch die Löcher in den Trennwänden. „S’isch oifach schee, deana Hasa zuzugucka“, sagt Dietrich Uhlmann, Bernd Uhlmanns Vater. Die Gartenscheune befindet sich auf dem Grundstück des 79-Jährigen und seiner Frau, gebaut hat sie aber schon Dietrich Uhlmanns Schwiegervater. Auch er züchtete Kaninchen. Dazu Hühner und Tauben, aber das ist lange her.

Dietrich Uhlmann bewegt sich mithilfe zweier Krücken vorwärts. Er hat noch um die 15 Kaninchen. Erst im November hat er mit einer Zuchtgruppe bei einer Schau in Herrenberg den Titel „Landesmeister“ gewonnen. Vater und Sohn sind beide im Kleintierzuchtverein Spiegelberg aktiv, Bernd Uhlmann ist der erste Vorsitzende.

Rund 70 Kaninchen umfasst der Bestand von Bernd Uhlmann momentan.

© Alexander Becher

Rund 70 Kaninchen umfasst der Bestand von Bernd Uhlmann momentan.

Es ist ein zeitaufwendiges Hobby. Jeden Morgen vor der Arbeit, „so um 5.30 Uhr“, und jeden Abend füttert der 53-Jährige die Kaninchen. Samstags ist Großreinemachen angesagt. Während der Sohn sich um die Ställe kümmert, sie ausmistet und repariert, verteilt der Vater Heu und reinigt die „G’schirrle“, die Wasser- und Futtertröge. „Damit ist man schon den ganzen Vormittag beschäftigt“, sagt Bernd Uhlmann. Günstig ist sein Hobby auch nicht. Allein für Spezialfutter, Haferflocken und Möhren kommt einiges zusammen. Dazu erscheint mindestens einmal pro Jahr der Tierarzt, um die Kaninchen gegen die Viruskrankheit RHD (Rabbit Haemorrhagic Disease) zu impfen. „Ich rechne das lieber nicht aus“, sagt Bernd Uhlmann, kommt dann aber doch auf gut 200 Euro pro Monat; die vielen Fahrten zu den Ausstellungen nicht eingerechnet. „Wenn mer beim VfB wäred, wär’s au ned billiger“, kommentiert sein Vater lakonisch. Ein bisschen Geld komme wieder herein durch die Verkäufe von Zuchtkaninchen bei den Ausstellungen. Die wenigen Streichelkaninchen, die Bernd Uhlmann für jeweils zehn Euro an Familien verkauft, gleichen die Ausgaben allerdings nicht aus.

Möchte man erklären, wie aus Bernd Uhlmann ein Kaninchenzüchter geworden ist, muss man etwas weiter ausholen. Denn der Ursprung seines Hobbys liegt, wenn man es ganz genau nimmt, mehr als sieben Jahrzehnte zurück. 1948 brachte sein Großvater, ein Kraftfahrzeugführer aus dem Weiler Stangenbach bei Wüstenrot, einige Kaninchen von einer Fahrt zum Frankfurter Flughafen mit. Auf den Wiesen neben den Landebahnen hoppelten die Tiere damals noch frei herum. Wer sie erwischen konnte, hatte eine kostenlose Fleischspeise; nach den Kriegsjahren ein kleiner Luxus. Eins der Tiere hatte sich der fünfjährige Dietrich Uhlmann ausgeschaut. „Den darf ma ned schlachta!“, erklärte er seinem Vater bestimmt. Zwei Jahre danach fing er mit der Zucht von Lohkaninchen an.

Zeitweise hatte ermehr als 100 Jungtiere im Stall

Sein Sohn tat es ihm drei Jahrzehnte später gleich. 1980 kaufte er sich die ersten beiden Kaninchen der Rasse Castor Rex: ein Weibchen aus Oppenweiler und ein Männchen aus Wüstenrot. Die kastanienbraunen Häschen mit dem samtweichen Fell waren damals sehr verbreitet. Er hätte auch von seinem Vater Tiere bekommen können, doch Bernd Uhlmann wollte es lieber mit eigenen versuchen. In den 80er- und 90er-Jahren hatte er zeitweise mehr als 100 Jungtiere der Rasse im Stall. Heute versucht er, mit weniger Tieren bessere Ergebnisse auf den Leistungsschauen zu erreichen.

Denn auch die sind ein wichtiger Teil des Hobbys Kaninchenzucht. „Es macht schon Freude, wenn niemand dabei ist, der auf ein besseres Ergebnis kommt“, sagt Uhlmann. Der Vergleich mit anderen sei spannend, außerdem habe er mit Züchtern aus ganz Europa Freundschaft geschlossen. Die Ausstellungen dienen auch dem Austausch Gleichgesinnter. Coronabedingt sind in den vergangenen zwei Jahren viele Schauen ausgefallen, so langsam nimmt die Szene wieder an Fahrt auf. Mit einem Castor-Rex hat Bernd Uhlmann bei einer Kreisschau schon mal 98 von 100 möglichen Punkten erreicht. „98,5 ist die höchste Punktzahl, die je verliehen wurde“, fügt er hinzu.

Mittlerweile züchtet er insgesamt vier Rassen. Angefangen habe das mit seinen Kindern, die kleinere Häschen besonders gerne mochten, sagt er und öffnet einen der Ställe. Das Kaninchen, ein graubrauner Zuchtrammler, hoppelt sofort zu ihm her. Uhlmann krault es an der Wange, das Tier drückt sich gegen seine Hand. „Das ist mein Lieblingskaninchen“, sagt er. „Alle anderen wollen immer erst fressen – er will erst gestreichelt werden, sonst frisst er nix.“ Obwohl der Züchter ihn so gern mag, hat das Häschen, ein japanerfarbiger Zwergrex, keinen Namen. Alle Tiere sind nur mit einer Nummer gekennzeichnet. „Als mein Sohn und meine Tochter klein waren, war das noch anders“, sagt Bernd Uhlmann. „Sie haben an jeden Käfig ein Herz aus buntem Karton gehängt, auf dem der Name stand.“ Doch inzwischen ist seine Tochter gegen die Käfighaltung, und sie ist Vegetarierin.

Keine Option für Bernd Uhlmann. Das Schlachten der Kaninchen ist der weniger schöne Aspekt an seinem Hobby. Denn alle Häschen kann der Züchter selbstverständlich nicht behalten. „Mir ist es auch lieber, wenn ich sie auf einer Schau verkaufen kann“, gibt er zu. Bis vor ein paar Jahren habe nicht er, sondern sein Vater, die Tiere mit einem Bolzenschussgerät hinter der Gartenscheune getötet, wenn es mal wieder so weit war, erzählt er. Jetzt muss er diese ungeliebte Aufgabe selbst erledigen. Rund 20 Kaninchen sind es pro Jahr. Geschlachtet wird aber nur zwischen August und Januar, „wenn die Tiere ein halbes bis dreiviertel Jahr alt sind“, erklärt Bernd Uhlmann. Am Ostersonntag kommt bei Familie Uhlmann daher kein Hasenbraten auf den Esstisch.

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Erstellt:
16. April 2022, 11:30 Uhr

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