„Ich lebe in einem totalen Kontrast“

Das Interview: „Gepardenmann“ Matto Barfuss stellt sein neues Werk vor – Er ist als UN-Dekaden-Botschafter in Afrika aktiv

In Afrika hat Matto Barfuss seine zweite Heimat gefunden. Er empfinde das Leben im Busch nicht als etwas Gefährliches, sagt der Tierfilmer, der mit Geparden und Löwen auf Tuchfühlung geht. Seine Erlebnisse präsentiert er in der Multivisionsshow „Wild&Weit“ am20. Oktober in Backnang.

Seit etwa 25 Jahren besucht Matto Barfuss immer wieder den afrikanischen Kontinent. Seine Multivisionsshow „Wild&Weit“ vermittelt einen Eindruck dessen, was er dort erlebt hat. Foto: Maleika Events

Seit etwa 25 Jahren besucht Matto Barfuss immer wieder den afrikanischen Kontinent. Seine Multivisionsshow „Wild&Weit“ vermittelt einen Eindruck dessen, was er dort erlebt hat. Foto: Maleika Events

Von Lorena Greppo

Mitte der 90er-Jahre sind Sie zum ersten von mehr als 90 Malen nach Afrika gereist. Wie kamen Sie dazu?

Es war ein großer Kindheitstraum von mir, ich bin mit dem Traum von Afrika aufgewachsen. Leider habe ich das fast ein bisschen spät verwirklicht, aber es war mir klar, dass Afrika mein Leben verändern würde. Von daher wollte ich den richtigen Zeitpunkt dafür finden.

Wild und weit ist der Titels Ihrer Multivisionsshow – das klingt nach einem ziemlichen Kontrastprogramm zu Europa. Wie haben Sie sich an diese Seite Afrikas gewöhnt?

Ich lebe in einem totalen Kontrast. Ich lebe rund sechs Monate im Jahr in Afrika und da ist für mich die Wildheit, aber auch, dass ich Verantwortung übernehmen muss, sehr wichtig. Ich empfinde den Busch nicht als etwas Gefährliches, sondern als etwas sehr Angenehmes, das mich nah an das heranführt, was Leben ausmacht. Ich muss dann aber auch den deutschen Lebensalltag bewältigen, der sehr stark fremd beeinflusst ist. Dieser Alltag hat ganz andere Herausforderungen.

Das klingt, als hätten die Aufenthalte in der Wildnis Sie persönlich verändert. Sind Sie ein anderer Mensch als noch Anfang der 90er-Jahre?

Ja. Mir hat Afrika in vielen Punkten geholfen. Wenn ich dort unterwegs bin, gibt es nur den Weg nach vorn. Ich war schon immer ein ruhiger Mensch, aber ich habe in Afrika gelernt, Situationen besser zu beurteilen, ruhiger zu bleiben, besonnener Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Denn es gibt immer eine Lösung, aber manchmal ist sie sehr kompliziert. Das Übernehmen von Eigenverantwortung ist für mich ein ganz großes Thema in Afrika, aber auch eine gewisse Bescheidenheit. Ich bin Teil eines großen Ökosystems und werde mir schnell bewusst, dass ich an und für sich sehr unbedeutend bin.

Diese besonnene Art brauchten Sie für Ihre Filmaufnahmen wahrscheinlich auch. Berggorillas, Löwen, Geparden – jeder andere hätte in ihrer Gegenwart wohl ganz schön Bammel. Sie nicht?

Ich habe gelernt, mich auf mein Gegenüber einzulassen. Als Kind wollte ich Verhaltensforscher werden. Ich habe mich sehr wissenschaftlich mit Tieren beschäftigt, was sich dann später völlig geändert hat. Aber ich habe verstanden, nach welchen Prinzipien Tiere handeln und dass das, was sie persönlich erleben, letztendlich ihren Charakter ausmacht – wie beim Menschen auch. Dieses Wissen habe ich mitgenommen. Und ich wusste, dass wenn es mir gelingt, mich emotional auf sie einzulassen und die nötige Ruhe auszustrahlen, man dann wunderbar mit diesen Tieren kommunizieren kann.

Die Persönlichkeit der Tiere kam in Ihrem Kinofilm „Maleika“ besonders zur Geltung. Werden wir die Gepardenfamilie im neuen Programm wiedersehen?

Die spielt natürlich eine Rolle. Die Multivisionsshow trägt auch den Namen „25 Jahre Afrika“, es ist ein kleiner Zusammenschnitt eines sehr intensiven Lebensabschnitts. Und Maleika ist dabei ein Highlight, sodass die Entstehungsgeschichte des Films auch aufgegriffen wird.

Die Dreharbeiten für Ihre Multivisionsshow waren umfangreich. Was waren Ihre größten Herausforderungen dabei?

Diese Show zusammenzustellen war die pure Hölle für mich, ich habe einfach unglaublich viel Rohmaterial – etwa 1000 Stunden. Die Kunst ist das Weglassen, aber man ist mit fast jeder Szene auch emotional verbunden und schneidet ein Stück von sich selbst raus – ein sehr martialischer Vorgang. Das überfordert mich immer völlig.

Kommen wir zu einem anderen Aspekt Ihres Wirkens: Seit 2013 sind Sie UN-Dekaden-Botschafter für biologische Vielfalt. Diese ist durch den Klimawandel bedroht – das ist in Afrika deutlich zu sehen. Wie haben Sie die Auswirkungen erlebt?

Gerade in diesem Jahr erleben wir Fürchterliches. Im südlichen Afrika herrscht eine extreme Dürre mit verheerenden Folgen besonders auch für Elefanten. Ich bin schwerpunktmäßig in Botswana unterwegs, ein vorbildliches Land, was den Artenschutz angeht. So sind etwa 150000 Elefanten nach Botswana gekommen und dann wurde es trocken. Der Klimawandel ist ein Riesenthema, die Frage ist für mich nur, ob wir richtig darüber diskutieren. Die Feinstaubverordnung finde ich etwa eine überflüssige Diskussion angesichts der Tatsache, dass wir viel zu viele Wälder verlieren. Darüber sprechen wir aber zu wenig. Im Amazonas brennt es, es wird massiv gerodet – unter anderem damit wir Biodiesel erzeugen können. Wir müssen das ernst nehmen. Klimaschutz und Artensterben hat miteinander zu tun, insofern brauchen wir ein umfassenderes Handeln.

Was können wir in Deutschland in puncto Naturschutz und Artenvielfalt noch lernen?

Grundsätzlich müssen wir uns in der Betrachtung der Problematik verändern. Es ist nicht entscheidend für den Klimawandel, wie viel Feinstaub es in Stuttgart gibt. Entscheidend ist, dass wir Wälder schützen und Bäume pflanzen – also Aktivposten schaffen gegen CO2. Momentan mündet die Debatte in eine Hysterie, in der wir verzweifelt nach neuen Technologien suchen, die aber auch nicht das Ende der Weisheit sind. Das Elektroauto zum Beispiel liegt mir schwer im Magen. Für die Akkus braucht es große Mengen an Coltan und Kobalt, für deren Gewinnung werden im Kongobecken Wälder gerodet. Das ist verheerend. Zusammengefasst lautet mein Rat: Hysterie raus und nüchterne Betrachtung der Gesamtproblematik rein. Dann hätten wir viel gewonnen.

Äthiopien hat kürzlich mit einem Aufforstungsprogramm für Aufsehen gesorgt. Viele Europäer waren davon überrascht. Inwiefern unterscheidet sich das Bild, das wir von Afrika haben, von dem, was Sie dort vorgefunden haben?

Genau das ist der Unterschied: In Afrika diskutiert keiner über eine Feinstaubverordnung. Man beschäftigt sich damit, was man Gutes tun kann – zum Beispiel Bäume zu pflanzen. In Botswana gibt es die Initiative „Green Belt“, deren Ziel es ist, eine 500 Kilometer lange Baumlinie entlang des südlichen Wendekreises zu pflanzen. Wir haben in der letzten Saison 7800 Bäume gepflanzt, was angesichts der trockenen Umstände eine Herkulesaufgabe war. Das ist ein positiver Weg. Man versucht, zu gestalten.

Wie sehen Ihre künftigen Projekte aus? Zieht es Sie wieder nach Afrika?

Tja, was passiert nach 25 Jahren Afrika? Ich glaube, ich habe nichts dagegen, noch mal 25 Jahre Afrika zu erleben. Mein Lebensschwerpunkt hat sich tendenziell noch mehr dorthin verschoben. Ich habe gerade mit der Postproduktion meines neuen Kinofilms begonnen, der wird allerdings noch etwa zwei Jahre brauchen. Da geht es darum, dem breiten Publikum ein Ökosystem näherzubringen, aber auf eine unterhaltende Art. Ich habe außerdem eine Stiftung in Botswana, die gegen Mensch-Tier-Konflikte vorgeht und Bildung für Artenschutz betreibt. Wir haben ein Schulbuch für afrikanische Kinder entwickelt, damit sie ihre Tierwelt kennen, lieben und schützen lernen. Und das Green-Belt-Projekt wird mich die nächsten 10 bis 15 Jahre sicherlich noch begleiten. Es gibt also viele spannende Aufgabengebiete, viel zu entdecken und wertvolle Info nach Deutschland mitzubringen.

Am Sonntag, 20. Oktober präsentiert Matto Barfuss um 18 Uhr im Backnanger Bürgerhaus die Multivisionsshow „Wild& Weit – 25 Jahre Afrika“. Tickets gibt es im Vorverkauf in den Lotto-Annahmestellen in der Neckarstraße 45, Sulzbacher Straße 132, Blumenstraße 30, Obere Bahnhofstraße 1 oder online bei www.eventim.de.

Zur Person
Matto Barfuss

Matto Barfuss heißt mit bürgerlichem Namen Matthias Huber und wurde 1970 in Sinsheim geboren. Schon in seiner Jugend war er künstlerisch tätig, stellte aus und gewann Preise.

1989 überquerte Huber barfuß mit zwei Mitstreitern in 21 Tagen die Alpen von Deutschland nach Italien. Dies brachte ihm seinen Künstlernamen „Matto Barfuss“ ein.

Mitte der 90er-Jahre reiste Barfuss erstmals nach Afrika und hat seitdem seinen Lebensmittelpunkt immer mehr dorthin verschoben. Seine Erlebnisse hielt er in Bild und Ton fest und produzierte unter anderem den Kinofilm „Maleika“ über eine Gepardenfamilie. Barfuss trägt auch den Spitznamen „Gepardenmann“.

Seit 2013 ist Matto Barfuss UN-Dekaden-Botschafter für biologische Vielfalt.

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Erstellt:
15. Oktober 2019, 16:00 Uhr

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